Lokales

Strom in einem Fluss

An der Lauter produzieren 20 Wasserkraftwerke Strom

Zwischen Gutenberg und Kirchheim gibt es Wasserkraftwerke, die zum Teil schon seit Jahrzehnten Strom produzieren. Die Anlage der Familie Ensinger in Owen ist eine davon. Jährlich trotzen die Turbinen der Lauter und dem Mühlkanal 600 000 Kilowattstunden Strom ab.

Wasserkraftwerk Owen , Turbinenraum
Wasserkraftwerk Owen , Turbinenraum
Mühle BruckenArchimedische SchraubeMühlenführungWolfgang Braun
Mühle BruckenArchimedische SchraubeMühlenführungWolfgang Braun

Owen. Christoph Ensinger ist die Aufmerksamkeit, die er dieser Tage für seine Wasserkraftanlage bekommt, ein wenig unangenehm. Nicht dass es ihn nicht freuen würde, dass sich plötzlich alle Welt für erneuerbare Energien interessiert. „Das Wasser wird aber halt nicht mehr oder weniger, bloß weil die Leute danach fragen“, sagt der Elektroingenieur, der mit seiner Schwester Ursula in vierter Generation die Mühle und das Elektrizitätswerk an der Lauter in Owen betreibt. „Wir haben das hier doch schon immer gemacht.“

Schon immer stimmt nicht ganz. Aber so lange die Owener denken können und lange bevor das erste Atomkraftwerk in Deutschland gebaut wurde, produziert „dr‘ Ensinger“ an der Lauter und am Mühlkanal Strom. Im Jahr 1901 erstrahlte im Owener Rathaus zum ersten Mal elektrisches Licht. Den Strom lieferten die Fluten der Lauter auf den Mühlrädern der Steinschen Mühle in der Schießhüttestraße. Johann Georg Ensinger und sein Sohn, die schon seit 1883 im Besitz der Getreidemühle in der Kirchheimer Straße waren, kauften das Nachbargrundstück samt Wasserrecht und legten damit den Grundstein für die Stromversorgung in Owen.

MŸhle Ensinger Owen "Schmeck die Teck"Spiegelbild
MŸhle Ensinger Owen "Schmeck die Teck"Spiegelbild

Seit 1904 ist das gesamte Stromnetz in Familienhand. „Seither hatte keine andere Firma das Netz“, sagt Christoph Ensinger nicht ohne Stolz. Bezieht also ein Owener Haushalt Strom bei der EnBW, muss die EnBW Ensingers dafür bezahlen, dass sie den Strom durch ihr Netz leiten darf. Allzuhäufig dürfte das indes nicht vorkommen. Denn die Firma Ensinger beliefert als privates Elektrizitätswerk fast ganz Owen mit Strom.

Natürlich reicht der Strom, der mit den beiden Spiral-Turbinen an der Lauter und am Mühlkanal erzeugt wird, schon lange nicht mehr aus, um ganz Owen damit zu versorgen. Der Strommix, der im Ort die Lichter angehen lässt, ist zum größten Teil zugekauft und stammt zu 63,3 Prozent aus regenerativen Energien. „Mit den beiden Anlagen generieren wir 600 000 Kilowattstunden Strom im Jahr“, sagt Christoph Ensinger. Zum Vergleich: Privathaushalte und Unternehmen in Owen verbrauchen jährlich 13 Millionen Kilowattstunden.

Aus der Lauter Strom zu gewinnen, ist über die Jahre nicht einfacher geworden. Christoph Ensinger steht in seinem Maschinenraum, in dem es weniger laut ist als sonst. Die Turbine, die mit Wasser aus der Lauter angetrieben wird, steht gerade still. „Im Moment hat die Lauter zu wenig Wasser“, erklärt Christoph Ensinger. Das liegt zum einen daran, dass es längere Zeit nicht stark geregnet hat. Schuld ist außerdem die zunehmende Versiegelung der Böden. „Die Böden dienen als natürlicher Speicher“, sagt Christoph Ensinger. Wenn das Wasser nicht gespeichert werden kann, kommt es in einem Schub – und dann wieder gar nicht. Beides ist nicht gut, denn bei Hochwasser muss die Turbine ebenfalls abgeschaltet werden.

Auch die Umweltauflagen des Wasserwirtschaftsamts legen den Betreibern häufig Steine in den Weg. Sie müssen beispielsweise Fischtreppen installieren, die gewährleisten sollen, dass Fische und Kleinstlebewesen die Lauter weiterhin durchschwimmen können. Außerdem muss im Fluss immer eine gewisse Mindestwassermenge vorhanden sein – Kubikmeter, die den Betreibern für die Stromproduktion im Kanal fehlen. „Mit diesen Vorgaben gehen wir davon aus, dass wir hinreichende ökologische Standards haben“, sagt Dr. Bernhard Fischer, Leiter des Amts für Wasserwirtschaft im Landratsamt.

Inwieweit das ausreiche, sei unter Kraftwerksbetreibern, Umweltschützern und Fischervereinen strittig. Fischer argumentiert, dass auch die Betreiber einen Vorteil davon hätten, wenn sie ökologische Kriterien erfüllten. „Sie bekommen dann mehr Geld pro Kilowattstunde Strom.“ Christoph Ensinger kann mit den Auflagen leben, auch wenn er sich manchmal weniger bürokratischen Aufwand wünscht. „Wir wollen einen Weg finden zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökologie“, sagt er.

Ob es sich lohnt, kleine Wasserkraftanlagen zu betreiben, darüber lässt sich streiten. „Reich wird man nicht“, lautet Christoph Ensingers Kommentar. Man brauche schon eine gehörige Portion Idealismus. Ensinger bekommt für seinen hausgemachten Strom, den er in den Erneuerbare-Energien-Topf (EEG) einspeist, aktuell 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Verglichen mit den rund 25 Cent, die ein Häuslebesitzer mit Fotovoltaikanlage auf dem Dach dank staatlicher Subventionierung bekommt, ist das nicht viel.

Dennoch gibt es entlang der Lauter laut Landratsamt immer noch 20 Wasserkraftwerke mit einer installierten Leistung von 1 800 Kilowatt. Mit dem Strom lassen sich 2 400 Vier-Personen-Haushalte versorgen. Und immer noch kommen Kraftwerksbetreiber hinzu: Am Bruckener Mühlkanal produziert Mühlenbesitzer Wolfgang Braun, der das Haus mit seiner Familie übernommen hat, seit einem Jahr mit einer archimedischen Schraube Strom. In Kirchheim hat Helmut Kapp vor einigen Jahren eine neue Flussturbine installiert. Und die Nachfrage reißt nicht ab. Immer wieder klopfen Investoren bei den Rathäusern an und erkundigen sich nach möglichen Standorten.

Ulrich Mach, Klimaschutzmanager und Kirchheimer NABU-Mitglied, glaubt, dass das Wasserkraftpotenzial entlang der Lauter weitestgehend ausgeschöpft ist. Bernhard Fischer vom Amt für Wasserwirtschaft sieht das ähnlich. „Das, was nutzbar ist, ist weitestgehend genutzt“, sagt er. Allenfalls kleinere Anlagen seien noch vorstellbar. Der Grund sei, dass die Fallhöhen, die man für die Stromerzeugung braucht, fehlten. „In Kirchheim gibt es noch ein paar Meter Fallhöhe“, sagt er. Ein kommerzieller Neubau lohne sich jedoch kaum.

In Dettingen will man es dennoch wagen. Weil es auf der Gemarkung keine ausreichenden Fallhöhen gibt, denkt die Gemeinde darüber nach, in der Ortsmitte unterhalb der Bogenbrücke ein sogenanntes Gravitationswasserwirbelkraftwerk zu bauen. Diese Kraftwerke gelten als besonders geeignet, um Wasserkraft bei kleinen Höhendifferenzen zu erzeugen. In einem runden Staubecken, das einen zentralen Wasserabfluss hat, wird Wasser aufgestaut. Über dem Abfluss bildet sich ein Wasserwirbel, der eine Turbine antreibt. „Ein weiterer Vorteil ist, dass man keine Fischtreppe braucht, weil das Kraftwerk für Fische und andere Kleinstlebewesen durchlässig ist“, erklärt Jochen Sokolowski, Leiter des Technischen Bereichs im Dettinger Rathaus.

Ein Nachteil ist, dass der Wirkungsgrad niedriger ist als bei anderen Anlagen. Das hat Volker Wagner, der die Projektvorstudie erstellt hat, in einer Gemeinderatssitzung im vergangenen Jahr eingeräumt. Voraussichtlich erzeugt das Kraftwerk, das 167 500 Euro kosten soll, 84 000 Kilowattstunden im Jahr.

Je nachdem, ob der Strom ins öffentliche Netz eingespeist oder von der Gemeinde oder privaten Abnehmern genutzt würde, würde sich das Kraftwerk in 15 beziehungsweise 13 Jahren amortisieren. Mit der Strommenge könnten pro Jahr 20 bis 25 private Haushalte in Dettingen versorgt werden.