Lokales

Zeitungen fliegen über die Köpfe hinweg

Teckboten-Serie „Nachtarbeiter“: Eine Nacht im Druckhaus in der Bohnau – 2,5 Tonnen Papier für knapp 18 000 Zeitungen

In einer Reportage-Serie stellt der Teckbote ­Menschen vor, die ihrer Arbeit nach­gehen, ­während ­andere ­schlafen. Jüngst ­besuchten wir das Druckhaus der „GO Druck Media GmbH & Co. KG“ in der Bohnau in ­Kirchheim. Dort wird nachts fleißig gearbeitet, damit die Zeitung pünktlich auf dem Frühstückstisch der Teckboten-Leser liegt.

Teckbote - Druckerei - Zeitung - in der Bohnau - Serie Nachtarbeiter
Teckbote - Druckerei - Zeitung - in der Bohnau - Serie Nachtarbeiter

Kirchheim. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Die Uhr zeigt 22 Uhr, und Teamleiter Markus Bachofer ist noch relativ entspannt. 28 Seiten umfasst der Teckbote in dieser Nacht. Hinzu kommt eine Sonderbeilage, die im Anschluss an die Tageszeitung gedruckt wird und für die übernächste Ausgabe des Teckboten bestimmt ist. Feierabend – oder besser: Feiermorgen – haben Markus Bachofer und seine Kollegen Ma­nuel Mena-Membrives und Heinz Schwaneke deshalb später als sonst: Anstatt um 3 Uhr treten sie gegen 5 Uhr den Nachhauseweg an. Den Druckern steht also viel Arbeit bevor.

„Die Einstimmungsphase zu Beginn des Abends gehört dazu“, sagt Markus Bachofer, während er mit seinen Kollegen zusammensteht und ein wenig plaudert. „Es ist wichtig, dass das Team funktioniert. Und das ist bei uns der Fall.“

Doch schlagartig ist die Ruhe vorbei: Die drei Männer bereiten den Druck vor, indem sie an der 21 Meter langen, sechs Meter breiten und bis zu 7,5 Meter hohen Rotationsmaschine unter anderem die gigantischen Papierrollen einhängen. Von diesen Rollen gibt es vier Varianten – die größte ist 1,1 Tonnen schwer und hat eine ausgerollte Papierlänge von 12 000 Metern. In dieser Nacht werden knapp 18 000 Zeitungen gedruckt. Dafür werden etwa 2,5 Tonnen Papier benötigt.

Doch bevor sich die Rotationsmaschine zum Druck der Zeitungsseiten in Bewegung setzt, müssen zunächst die Druckplatten erzeugt werden. Darum kümmert sich Margit Bihr, die um 20.15 Uhr als Erste die Arbeit antrat und nun an einem Belichter zugange ist. Die meisten der in den Redaktionen in der Kirchheimer Innenstadt und der Südwestpresse in Ulm zusammengestellten Seiten wurden bereits per Datenleitung an einen Rechner im Druckhaus gesandt. Nun werden sie mittels UV-Licht auf die hauchdünnen Druckplatten aus Aluminium belichtet.

Die ersten Druckplatten sind fertig. Grün schimmernd sind darauf die Zeitungsseiten inklusive Anzeigen zu erkennen. Margit Bihr bringt die Exemplare zu Markus Bachofer, der sie mithilfe einer Maschine oben und unten „abkantet“, damit sie sich später an den sogenannten Plattenzylindern der Rotationsmaschine einhängen lassen.

„Spielen heut‘ die Spanier?“, fragt Bruno Panni, der die technische Leitung beziehungsweise Produktionsleitung innehat, seinen Mitarbeiter. „Ja, sie sind schon fertig, 4:1“, antwortet Manuel Mena-Membrives. Die aktuellen Geschehnisse haben die Drucker stets im Blick. Schließlich hängt nicht nur die Arbeit der Tageszeitungsredakteure davon ab, sondern auch ihre eigene. Denn je nachdem, wie lange sich zum Beispiel ein Fußballspiel hinzieht und wie schnell der Redakteur seinen Artikel darüber verfasst, kann der Druck der Zeitungen früher oder auch später beginnen.

„Unsere Arbeit kann schon anstrengend sein, denn wir haben großen Zeitdruck“, verrät unterdessen Markus Bachofer. Die Fahrer, welche die Zeitungen zu den Austrägern bringen, würden schon früh „mit den Hufen scharren“. Schließlich soll der Teckbote rechtzeitig bei den Lesern ankommen. „Um 0.20 Uhr geht schon das erste Auto raus“, erzählt der Team leiter, und betont, dass bei den ­Druckern jede Minute zählt.

Es ist 22.30 Uhr. Hektik und Anspannung sind zu spüren. „Können wir?“, fragt Manuel Mena-Membrives seinen Kollegen Heinz Schwaneke. „Gleich“, antwortet dieser, um kurz darauf das Startsignal zu geben – und dann werden die langen Papierbahnen eingezogen. Sie winden sich durch ein scheinbares Gewirr von Walzen und werden durch die Rotationsmaschine geführt. Derweil gibt Manuel Mena-Membrives an einem Bildschirm ein, wie viel der Farben Yellow, Cyan, Magenta und Schwarz für den Druck verwendet werden soll. „Das mache ich nach Erfahrungswerten“, erklärt der 43-Jährige und fügt hinzu, dass das oberste Ziel eine hohe Druckqualität sei. Seit 17 Jahren ist Manuel Mena-Membrives im Druckhaus der „GO Druck Media GmbH & Co. KG“ beschäftigt – und noch immer ist er in jeder Nacht vor dem Druck angespannt. „Sobald es dann mal läuft, fällt die Spannung ab“, erzählt er. Jetzt hängen Markus Bachofer und seine Kollegen die Druckplatten in die Plattenzylinder ein. Von dort aus werden die Zeitungsseiten später zunächst seitenverkehrt auf ein Gummituch und anschließend seitenrichtig auf das Papier gedruckt, erklärt Bruno Panni. Für eine Farbseite werden übrigens vier Druckplatten benötigt. In der Fachsprache nennt man das den „Vierfarbendruck“, bei dem die Farben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz nach und nach exakt übereinander gedruckt werden und so das endgültige Druckbild entsteht. In dieser Nacht werden insgesamt 78 Druckplatten verwendet.

Es ist kurz nach dreiviertel zwölf und damit Zeit für den Andruck – also für den Probedruck, bei dem die Druckqualität überprüft wird. Die Rotationsmaschine setzt sich in Gang und beginnt zu rattern. Es wird lauter und lauter. In Windeseile drehen sich die Zylinder, und schon werden die Papierbahnen bedruckt. Danach werden die Seiten maschinell geschnitten und gefaltet und „fliegen“ dann als fertige Zeitungen an einem Förderband hängend über die Köpfe der Drucker hinweg.

Diese jedoch haben überhaupt keine Zeit, dieses Spektakel zu bewundern. Denn während des Andrucks haben sie alle Hände voll zu tun: Sie überprüfen, ob die Farbintensität und die Feuchtigkeit stimmen und ob die einzelnen Farben beim Mehrfarbendruck exakt übereinanderpassen. Ist Letzteres nicht der Fall, dann erscheint das Druckbild verschwommen, unscharf oder mit Farbverschiebungen. Um all dies zu kontrollieren, schnappen sich Markus Bachofer, Manuel Mena-Membrives und Heinz Schwaneke immer wieder ein Zeitungsexemplar und nehmen sämtliche Seiten haargenau unter die Lupe. Hoch konzentriert stehen die Männer an einem Pult und blättern die Zeitungen durch. Alles muss schnell gehen, denn es soll nicht allzu viel Ausschussware produziert werden. Stellen die Drucker fest, dass noch Farbe fehlt oder dass eine Farbe zu intensiv ist, dann justieren sie nach. Überprüfen können sie das übrigens nicht nur anhand der Gesamtoptik der Seiten, sondern auch mithilfe der „Druckkontrollstreifen“, die in jeder Ausgabe auf der Seite „Blick in die Welt“ im Wetterkasten zu finden sind.

„Wir haben jede Nacht eine andere Farbbelegung“, erklärt Bruno Panni, weshalb sich die Ausschussware aus technischen Gründen nicht verhindern lässt. Rund 1 500 fertig gefalzte Zeitungen landen jede Nacht während des Andrucks im Altpapier. Die Drucker nennen diese Fehldrucke Makulatur. Sie entstehen auch aufgrund der Papierrollenwechsel, von denen in dieser Nacht zwei anstehen.

Es ist 0.10 Uhr. Markus Bachofer und seine beiden Kollegen haben ausreichend nachjustiert. Nun kann der eigentliche Druck beginnen, wobei die Drucker auch hier ständig kontrollieren und die Werte neu einstellen. Die fertigen Zeitungen landen nun nicht mehr im Altpapier, sondern werden über das Förderband in eine „Einsteckmaschine“ transportiert. Dieses Gerät sortiert die Beilagen in die Zeitungen ein. Anschließend werden sie abgezählt und als Bündel verpackt. Vor dem großen Tor der Halle warten schon die ersten Fahrer, die ihre Transporter mit den Zeitungsstapeln beladen. Ganz ohne Menschenhand laufen all diese Tätigkeiten freilich nicht ab: Etliche weitere Mitarbeiter sind nachts im Einsatz, um die Zeitungen versandfertig zu machen.

„Richtig zufrieden sind wir nie“, erklärt Markus Bachofer, während er und seine beiden Kollegen die Zeitungen überprüfen. „Wir sind laufend am Nachstellen. Aber jetzt sind es nur noch Kleinigkeiten, die der Laie gar nicht sieht.“

Fleißig gewerkelt wird derweil auch nebenan in der „Akzidenz“: Hier werden rund um die Uhr Kataloge und Prospekte gedruckt. Vor Ort sind in dieser Nacht Maurizio Latte und Dragisa Poslanovic. Betritt man die Halle der „Akzidenz“, dann steigt einem sofort der Geruch von Farbe in die Nase. Außerdem ist es recht warm. An der Decke ist ein Luftbefeuchter angebracht, der für eine konstante Luftfeuchtigkeit von 52 Prozent sorgt. „Diese brauchen wir für das Papier“, erklärt Bruno Panni. „Denn, wenn es zu feucht ist, dann wellt es sich.“ Ist das Papier hingegen zu trocken, wölben sich die Ecken nach oben – es „tellert“ also, wie die Drucker sagen.

Während in der „Akzidenz“ die farbenfrohen Werbeseiten hergestellt werden, ist parallel dazu der Teckboten-Druck in vollem Gange. Er dauert noch bis etwa 1.30 Uhr. Anschließend steht die Sonderbeilage an, dann wird die Rotationsmaschine gereinigt – und der Druck der Tageszeitung für die nächste Nacht vorbereitet . . . Fotos: Jean-Luc Jacques

Layout: Gaby Hanusch

Teckbote - Druckerei - Zeitung - in der Bohnau - Serie Nachtarbeiter
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