Lenningen. Noch heute erinnert die Gußmannshöhle, hoch über Gutenberg gelegen, an die einstige Wirkungsstätte des Pfarrers, vor allem aber an dessen herausragende Arbeit als Höhlenforscher. „Eine Gruppe Lenninger Menschen wollte diesen außergewöhnlichen Mann wieder in den Fokus rücken“, sagt Bernd Löffler, einer der Initiatoren der Ausstellung. Die Idee dazu hatte bereits vor eineinhalb Jahren Ortsvorsteher Dietmar Jauss. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass sich eine solche Ausstellung nicht von heute auf morgen übers Knie brechen lässt und wir Spezialisten brauchen“, erklärt Bernd Löffler die Vorlaufzeit. Aus Anlass des 160. Geburtstags und 85. Todestags von Karl Gußmanns, der 38 Jahre als evangelischer Pfarrer in Gutenberg tätig war, veranstalten nun die Bücherei Lenningen, der Förderkreis Schlössle und die Gemeinde Lenningen die Ausstellung.
Dreh- und Angelpunkt der Ausstellungsmacher ist Günter Romberg, der bis zu seiner Pensionierung Rektor der Grund- und Hauptschule in Oberlenningen war. Er befasst sich schon lange mit Karl Gußmann. Mit von der Partie ist auch Christoph Gruner. Als engagiertes Mitglied bei der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst Grabenstetten deckt der einstige Rektor der Lenninger Förderschule als ausgewiesener Fachmann den Höhlenbereich ab. Für die „Flachware“ der Ausstellung ist Bernd Löffler zuständig, der dank seines Antiquariats in Oberlenningen einige papierene Exemplare für die Ausstellung beisteuern konnte.
Der Oberlenninger Maler Hubert Resch hat den besonderen Blick für die Präsentation der Bilder, unter anderem auch für die Fotos der Gutenberger Höhlen von Andreas Schober. Außerdem konnten die Lenninger den Höhlenspezialisten Thomas Rathgeber vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart für ihre Ausstellung gewinnen. „Er hat uns in vielen Dingen unterstützt und seine schönsten Stücke zur Verfügung gestellt“, freut sich Bernd Löffler.
Die Exponate kommen aus zahlreichen Quellen, unter anderem vom Kirchheimer Museum. So ist etwa eine Knochenbrekzie zu sehen. Hier sind Knochen und Schuttmaterial zusammengebacken. Fehlen darf bei einer Ausstellung über Karl Gußmann auf keinen Fall der Schädel eines Höhlenbären. Beeindruckend sind auch die versteinerten Mammutbackenzähne, die erahnen lassen, wie groß diese Giganten der Eiszeit waren, die einst durchs Lenninger Tal und über die Alb zogen.
All diese Stücke hat Karl Gußmann dank seines unbändigen Forscherdrangs entdeckt. Er wurde 1853 als Sohn eines Lehrers in Waldtann bei Crailsheim geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. So kam für ihn nur ein Theologiestudium infrage, da dies die Kirche bezahlte. Vielseitig interessiert hinderte es ihn nicht daran, sich auch in anderen Gebieten weiterzubilden. Als er 1887 ins Gutenberger Pfarrhaus mit seiner Familie einzog, übte die Umgebung eine große Faszination auf ihn aus. Er untersuchte den Schlossberg näher, fand Scherben und Wasserhähne, grub Reste des Klosters Heiligenberg aus, das über Jahrhunderte im Dornröschenschlaf gelegen und vergessen war, und war auch den Römern auf der Spur.
Der Obstbau war ein weiteres Steckenpferd des Pfarrers. Er erwarb sich einen Ruf als Pomologe und war lange Jahre Schriftleiter des „Obstbaus“, der Zeitschrift des Württembergischen Obstbauvereins und zweiter Präsident des Deutschen Pomologenvereins. Heute noch gibt es „Das Johannis- und Stachelbeerbüchlein – oder: Wie keltert man aufs einfachste aus Johannisbeeren und Stachelbeeren guten Wein?“ von Karl Gußmann zu kaufen. „Es ist das Standardwerk auf diesem Gebiet“, sagt Bernd Löffler. Außerdem war der Dorfpfarrer auch Herausgeber des Wanderbüchleins „Das Lenninger Thal und die Gutenberg Höhle“. Es beschreibt die Schönheit der Landschaft in einer poetischen und schwärmerischen Sprache. Das Lenninger Tal ist für ihn „lieblich und mächtig zugleich, der schönsten Ecklein eins im schönen Schwabenland, zum Jubeln schön, vor allem an einem wonnigen, sonnigen Frühlingstag“.
Vor allem ist Pfarrer Karl Gußmann als Höhlenforscher in Erinnerung geblieben. Er organisierte Grabungen in Gutenberg und entdeckte die nach ihm benannte Höhle, außerdem gründete er den Höhlenverein. Damit traf er den Nerv der Zeit. Gutenberg – damals Höhenkurort, wie auf alten Postkarten dokumentiert ist – wurde dank der „Knochenkammer“ im Pfarrhaus regelrecht zum Pilgerort. Wer etwas auf sich hielt, schaute sich nahe des Fundorts die Knochen von Höhlenbär, Affe und Mammut an, darunter auch ein gewisser Gottlieb Daimler, wie dem Gästebuch des Gasthauses Löwen zu entnehmen ist, das ebenfalls in der Ausstellung ausliegt.
„Wir wollen mit der Ausstellung einen Mann würdigen, der neben seiner seelsorgerischen Arbeit viel geleistet hat – stellvertretend auch für zahlreiche andere württembergische Pfarrer seiner Zeit. Sie wurden damals angehalten, für die Menschen nicht nur von der Kanzel aus zu sorgen, sondern ihnen durch Forschungsarbeit auch praktische Lebenshilfe zukommen zu lassen“, beschreibt Bernd Löffler den damaligen „Auftrag“ der Pfarrer.