Weilheim und Umgebung

Funkelnde Stücke von Barock bis Romantik

Musik Das Konzert „im Glanz von Trompete und Orgel“ in der Weilheimer Peterskirche begeistert mit einem hohen Maß an musikalischen Fertigkeiten der beiden Musiker. Von Ernst Leuze

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Trompete und Orgel, das zieht immer, so auch wieder in der Peterskirche Weilheim, als Bernhard Kratzer und Paul Theis vor vollem Haus „im Glanz von Trompete und Orgel“ musizierten. Die einzigartige Kirche mit ihrem weit berühmten Orgelprospekt bietet ja auch den denkbar besten Rahmen, zumal wenn die Stühle so gestellt sind, dass die Besucher freie Sicht auf den Trompeter und die Orgel haben. Den Aufwand einer kompletten Umstuhlung leisten sich ja nicht alle Kirchen, ganz abgesehen davon, dass Kirchenbänke das gar nicht erlauben. Trotzdem: Wenn ein prominenter Trompetenvirtuose auf dem Programm steht, füllen sich die Kirchen, auch wenn die Orgel gar nicht so gut wäre oder der Organist nicht mehr als ein braver Begleiter zu sein verspräche.

Trompeter ohne Starallüren

In Weilheim war jedoch alles anders: die Orgel von vorneherein berühmt, der Organist gar keine bescheidene Begleitfigur und Bernhard Kratzer als Trompeter ohne Starallüren weitaus besser als so mancher weltberühmte Kollege. Denn er kann auch leise spielen, pianissimo sogar und, wenn es gilt, fortissimo mit höchsten Tönen bis zur dreigestrichenen Oktave auftrumpfen. Unvergesslich, wie er eine lange, sehr hohe Schlussnote blitzschnell der abweichenden Orgelstimmung anpasste – das erlebt man nur alle Jubeljahre.

Was soll ein Organist solch publikumsbetörendem Glanz entgegenstellen? Bei jedem Auftritt muss er sich nicht nur an ein anderes Instrument gewöhnen, sondern auch in geduldiger Kleinarbeit die Klangmischungen festlegen, damit sie auch in der völlig veränderten Akustik einer voll besetzten Kirche gut klingen. Wie gründlich Paul Theis da gearbeitet hat, konnte man nicht nur hören, sondern auch sehen. Die ungenannte Registrantin musste hin- und herflitzen, um ja den richtigen Registerzug im letzten Moment noch zu erwischen. Ihr Name hätte ins Programm gehört, und Sonderbeifall wäre ihr sicher gewesen.

Apropos Programm: die Hochglanzbroschüre des Konzertagenten war, gelinde gesagt, lästig. Das Wesentliche stand auf zwei schmucklosen DIN-A5-Seiten. Wirklich bemerkenswert waren die vortrefflichen Kommentare des Organisten zu den einzelnen Werken des vielseitigen Programms. Wo andere nur barockes Repertoire abnudeln, beziehen Theis und Kratzer auch klassische und romantische Literatur mit ein. Diese war sogar in der Mehrzahl.

Herausragend das Choralvorspiel von Max Reger „Vom Himmel hoch“, eingerichtet für Orgel und Corno da Caccia. Raffiniert zwang der Organist dem Instrument ein fulminantes Crescendo ab. Nicht so recht überzeugen konnte dagegen das Arrangement „Maria durch ein Dornwald ging“. Zwar bot es Bernhard Kratzer dankbare Bläserpartien, doch der Unterschied zwischen Komposition und Arrangement blieb halt jederzeit spürbar.

Wie spannend es sein kann, wenn ein veritabler Komponist in seine Trickkiste greift, war beim „Marsch der Heiligen Drei Könige“ von Théodore Dubois zu erleben. Ein flirrender Halteton, Symbol der Sterns, schwebte über den herrlich farbigen Harmonien. Realisieren lässt sich das nur an einer mindestens dreimanualigen Orgel, wie sie dem Komponisten in den großen Pariser Kirchen ja zur Verfügung stand. Paul Theis musste auf dem nur zweimanualigen Weilheimer Werk zu einem modernen Mittel greifen. Am Vortag hatte er den Ton von der Orgel aufgenommen und ließ ihn im Konzert dann einspielen. In seiner Einführung hatte der Organist dieses Verfahren schon erklärt. Allein wegen dieser fabelhaften Orgelmusik hat sich das Konzert schon gelohnt.

Spielwitz des Organisten

Weniger spektakulär, doch umso eindrucksvoller bewies der Organist seine außergewöhnlichen Qualitäten bei den Orgelwerken von Bach und Mozart. Kunstvolle Anschlagsvarianten, agogische Balance und exzellenter Klangsinn ließen die Stücke funkeln wie selten. Was Paul Theis wirklich drauf hat, wurde vollends klar bei den drei Barockstücken von Albinoni, Tessarini und Telemann. Theisens überrumpelndem Spielwitz hatte der Trompeter zunächst fast nichts entgegenzusetzen. Pedantische Punktierungen und überkorrekte Achtelketten werden auch nicht besser durch blitzsaubere Intonation und makellosen Tonansatz. Selbst ein so genialer Trompeter wie Bernhard Kratzer, wenn er zu einem auch noch so guten Orchester gehört, ist unausweichlich eingeschworen auf metronomische Genauigkeit. Unerlässlich dort, beim Duospiel jedoch fast tödlich! Paul Theis ließ sich auf die Orchesterroutine erst gar nicht ein, sondern hielt seinen differenzierten, historisch informierten Personalstil tapfer durch, ohne dabei auch nur im Geringsten mit dem Solisten zu kollidieren.

Hochspannend, wie sich der Trompeter dabei von Takt zu Takt immer mehr freispielte, bis beim Schluss-Telemann ein höchstmögliches Maß musikalischen Einverständnisses gewonnen war, das die Zuhörer von den Sitzen riss. Der Begleiter als Spiritus Rektor eines Konzertes für Trompete und Orgel – wann erlebt man das schon?

Wenn Theis und Kratzer nächstes Jahr hoffentlich wieder nach Weilheim kommen, werde ich in ein festliches Konzert für „Orgel und Trompete“ gehen.

Der Bläser Bernhard Kratzer und der Organist Paul Theis treten in der Weilheimer Peterskirche auf.Fotos: Carsten Riedl
Der Bläser Bernhard Kratzer und der Organist Paul Theis treten in der Weilheimer Peterskirche auf.Fotos: Carsten Riedl