Weilheim und Umgebung

Porträt des Reformators war der Beginn einer Malerkarriere

Kunst Seit 200 Jahren hängt in der Weilheimer Peterskirche ein Luther-Bild. Gemalt hat es Johann Michael Holder.

Luther, wie ihn Johann Michael Holder gemalt hat.Foto: Klaus Holzhäuser
Luther, wie ihn Johann Michael Holder gemalt hat.Foto: Klaus Holzhäuser

Weilheim. Man schrieb das Jahr 1816. In Württemberg herrschte große Armut und Hungersnot, hauptsächlich verursacht durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien. Er verfinsterte die Sonne durch seine Rauchwolke auch in Europa und löste viele Schlechtwetterperioden mit zu viel Regen aus.

Ende 1817 besserte sich die allgemeine Lage in Württemberg und der junge König Wilhelm I, in seinem ersten Amtsjahr, bemühte sich mit seiner Frau Katherina um allgemeine Besserung im Hinblick auf die Ernährung und einen Aufschwung auch im kulturellen Bereich. So führte er 1817 das erste landwirtschaftliche Fest, das spätere Volksfest, ein. Anlässlich der 300-jährigen Wiederkehr des 95-Thesen-Anschlags an der Schlosskirche zu Wittenberg wollte er zudem die kirchlichen Strukturen im evangelischen Württemberg positiv beeinflussen. So gab er eine Anordnung heraus, dass in jeder bedeutenden Kirche des Landes ein Luther-Bild aufgehängt werden solle. Finanziell konnte er allerdings nichts dazu beisteuern: Seine Hofkasse war leer.

Der Pfarrer und die Verantwortlichen der Weilheimer Kirchenleitung hatten nun ein Problem. Wo sollten sie auf die Schnelle ein Bild herbekommen oder wer malte ihnen eines?

Die Rettung ließ nicht lange auf sich warten. Auf dem Rathaus war der junge, 20-jährige Stadtschreibergehilfe Johann Michael Holder beschäftigt, der nach dem Lehrerseminar den Stadtschreiberberuf erlernen wollte. Er war wohl künstlerisch talentiert und hatte den Mut, der Kirchengemeinde ein Bild - wohl eines seiner Erstlingswerke - anzufertigen.

Er schritt frisch zur Tat, besorgte sich bei einem Maler Farbe, Leinwand und Pinsel und für die großen Flächen eine Schuhbürste und legte los. Für die feinen Konturen des Kopfes und des Gesichts fertigte er aus seinem Haupthaar feine Pinselchen an. Das 1,68 mal 2,43 Meter große Bild ist dann hervorragend gelungen und zeigt einen kräftigen, stämmigen Reformator. Holder hatte vermutlich eine Vorlage von Lukas Cranach dem Älteren verwendet, der Luther mehrmals porträtiert hatte. Neben Luther mit der aufgeschlagenen Bibel in der Hand ist auf der rechten Seite im Hintergrund noch die berühmte Wartburg zu sehen.

Um der Person Luther noch mehr Ausdruckskraft und Aufmerksamkeit zu verleihen, hat Holder ihn mit der stattlichen Körpergröße von 1,94 Meter dargestellt und mit „Peint par Holder 1817“ signiert.

Durch dieses gelungene Werk sah sich Holder ermutigt, sich in Stuttgart bei einem Professor zum Studium der Malerei anzumelden. Dieser erkundigte sich aber nach seinem Vermögen und lehnte ab, weil er zu arm war. Sein Vater, ein wohlhabender Müller aus Hildrizhausen, konnte oder wollte ihn nicht finanziell unterstützen. Holder nahm aber einen zweiten Anlauf bei einem anderen kompetenten Professor, und der nahm ihn aufgrund seines Talents an und vermittelte ihm auch gleich einige gut bezahlte Aufträge.

Noch in Weilheim brachte er die Reihe der Fürstenbilder - die heute im Rathaus und im Schloss in Kirchheim hängen - auf den neuesten Stand und malte ein Bild von König Wilhelm I sowie ein Porträt des Weilheimer Pfarrers Härlin, das noch in der Sakristei der Peterskirche hängt.

In den folgenden Jahren entwickelte sich Holder zu einem der berühmtesten Porträtmaler seiner Zeit in Württemberg und weit darüber hinaus. Einladungen zur Ausstellung seiner Werke führten ihn unter anderem bis nach London und Sankt Petersburg und wurden mit mehreren Preismünzen ausgezeichnet.

Seine Schaffenskraft war ungebrochen und sehr erfolgreich, und so konnte er dadurch ein „ansehnliches Vermögen“ ansammeln. Über 2 000 Werke sind durch seine Künstlerhand entstanden. Durch dieses rastlose, produktive Arbeiten wurden seine Kräfte allerdings auch schnell aufgebraucht. Er starb in Stuttgart, wo er die meiste Zeit seines Lebens wohnte, im Jahr 1861 im Alter von 65 Jahren. Zuvor hatte er in weiser Voraussicht sein Atelier in der Tübinger Straße an den Künstler Germann Wolf verkauft. Wilhelm Braun