Zwischen Neckar und Alb

Protest-Camp vor dem Rathaus

Villa-Bewohner wehren sich gegen Kündigung durch die Stadt Nürtingen

Jetzt ist es offiziell: Die Stadt Nürtingen hat den Bewohnern der Villa Galgenberg gekündigt. Dagegen protestierten sie vor dem Rathaus. Die Stadt beruft sich in ihrer Kündigung darauf, dass zwischen Mietern und Vermieter kein Vertrauensverhältnis mehr besteht. Die Mieter kritisieren, dass ihnen keine Ersatzwohnung angeboten wird und vielen die Obdachlosigkeit droht.

Die Bewohner der Villa demonstrieren vor dem Nürtinger Rathaus gegen ihre Kündigung. Die Stadt toleriert das Camp und will nicht
Die Bewohner der Villa demonstrieren vor dem Nürtinger Rathaus gegen ihre Kündigung. Die Stadt toleriert das Camp und will nicht räumen. Foto: Barbara Gosson

Nürtingen. Seit acht Jahren gibt es im Haus Galgenbergstraße 4 ein alternatives Wohnprojekt. Ungefähr 20 Menschen leben dort. Ende 2014 kaufte die Stadt das 18 Ar große Gelände am Fuße des Galgenbergs und wurde somit Vermieter des Wohnprojektes. Der Mietvertrag mit der Vorbesitzerin enthielt eine Befristung, die jedoch rechtlich nicht haltbar war. Somit bestand ein unbefristetes Mietverhältnis.

Noch Mitte Januar war von der Stadt zu hören: Die Gebäudewirtschaft Nürtingen (GWN) und die Stadt seien weiterhin an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Sollte ein geeignetes Objekt gefunden werden, werde dieses auch angeboten, so der Pressesprecher der Stadt, Clint Metzger.

Am Montag wurde den drei Hauptmietern die Kündigung zum 31. März zugestellt. Das mehrseitige Anwaltsschreiben ist eine fristlose Kündigung, die sechswöchige Frist lediglich eine Kulanz der Stadt, so Pressesprecherin Bettina Bernhard.

Warum kommt die Kündigung gerade jetzt, wo doch die Planungen für das Gebiet „Westlicher Neckar“ erst kürzlich im Rahmen der Haushaltsplanberatungen auf Eis gelegt wurden und damit kein akuter Bedarf besteht? Die Stadt begründet die Kündigung mit Vertragspflichtverletzungen der Mieter, die trotz einer Abmahnung im November 2015 nicht beendet wurden. „Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses ist für die Stadt nicht zumutbar, denn es besteht kein Vertrauensverhältnis mehr nach einem Hausverbot für den OB, haltlosen Unterstellungen gegen die Stadt, ehrverletzenden Äußerungen und öffentlichen Beleidigungen über Internet und Presse“, so die Pressestelle der Stadt Nürtingen.

Streit zwischen Villa-Bewohnern und OB schwelt schon länger

Der Streit zwischen dem Oberbürgermeister und den Bewohnern der Villa schwelt schon eine Weile. Heirich bezeichnete das alternative Wohnprojekt öffentlich als „Ärgernis“ und „Schandfleck“. Daraufhin wurde ihm bereits im vergangenen Jahr Hausverbot erteilt.

In dem Kündigungsschreiben finden sich Vorwürfe wie der, die Bewohner ließen keine Handwerker ins Haus, was diese abstreiten. Im Gegenteil: Reparaturen und Instandhaltungen seien bei der Stadt angemahnt worden. Von der Hundehaltung bis zur Untervermietung, von den politischen Parolen, die auf einem städtischen Gebäude nicht zu dulden seien, bis zum verwahrlosten Außenbereich werden von den städtischen Anwälten zahlreiche Argumente ins Feld geführt.

Ein anderes Haus soll den Bewohnern auch nicht mehr angeboten werden: „Durch das geschädigte Vertrauensverhältnis ist es für die Stadt unzumutbar, ein erneutes Vertragsverhältnis mit den Bewohnern einzugehen“, so die Begründung. Dass die 20 Bewohner, unter ihnen zwei Schwangere und ein Kind, obdachlos werden, fürchten die Verantwortlichen der Stadt nicht: „Wir sind nicht der Ansicht, dass jeder, dessen Mietverhältnis gekündigt wird, automatisch obdachlos wird“, so die Mitteilung der Pressestelle der Stadt.

Genau das fürchten die Bewohner, die in dieser Woche mit einem Camp vor dem Rathaus gegen die Kündigung protestierten. Sie vermissen die Gesprächsbereitschaft der Stadt. Nur einmal sei Volkmar Klaußer, Chef der städtischen Gebäudewirtschaft, bei ihnen gewesen. Sonst lief die Kommunikation über die Anwälte und die Presse. Mit dem OB hätten sich die Villa-Bewohner gerne auf neutralem Boden getroffen, um über eine Lösung zu sprechen.

„Wir haben uns hier einen Wohnraum eingerichtet, der für uns in Ordnung und bezahlbar ist. Der soll nun zerstört werden“, so Alexander Bergman und Marco Alt, zwei der Hauptmieter. Sie fordern keine längere Frist, sondern eine langfristige Lösung für ihr Wohnprojekt.

Sie vermuten, dass der Stadt ihre politische Einstellung nicht passt, was von der Stadt abgestritten wird. Auch die Villa-Bewohner lassen sich anwaltlich beraten. Sie haben nicht vor, bis Ende März einfach auszuziehen.