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Der Atomausstieg als VorbildInfo

Diskussion über deutsche Waffenexporte mit CDU-Bundestagsabgeordnetem Michael Hennrich

Deutschland hat viele Möglichkeiten, um auf andere Länder positiven Einfluss zu nehmen. Dazu zählen die Goethe-Institute und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Doch öffnen auch Waffenexporte solche Türen? Darüber wurde im katholischen Gemeindehaus Sankt Ulrich heftig gestritten.

PETER DIETRICH

Kirchheim. Im Dezember hatte ein Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und vielen weiteren Gruppen zur Diskussion über deutsche Rüstungsexporte eingeladen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich war damals verhindert gewesen. Deshalb diskutierte Paul Russmann von der bundesweiten Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ nur mit Rainer Arnold, dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Obwohl Hennrichs Schwerpunkt die Gesundheitspolitik ist, wollte er sich nachträglich dem Thema stellen. So kam es nun zu einer zweiten Diskussion mit rund 50 Teilnehmern.

Mit aktuellen Fakten führte Klaus Pfisterer von der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) Neckar-Fils ins Thema ein: Deutschland ist nach den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die deutschen Rüstungsexporte in die Golfstaaten haben sich im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr von 570 Millionen Euro auf 1,42 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Ein Großteil der Waffen ging nach Saudi-Arabien, das wegen seiner Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht. Das jüngst von der UN-Vollversammlung beschlossene Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels sieht Pfisterer nur als Minimalkonsens. „Dadurch wird kein einziger Waffenexport aus Deutschland verhindert.“

Würde Deutschland keine Waffen mehr liefern, gäbe es genug andere, die in die Bresche springen würden, sagte Hennrich in seinem Eingangsstatement. Mit diesem „dann tun es eben andere“ stieß er in der Diskussion auf erbitterten Widerstand. Dann, entgegnete ein Zuhörer, könne man auch bei Drogenanbau und Menschenhandel so argumentieren.

Für Hennrich geht es um einen Dreiklang aus außenpolitischer Bedeutung, sicherheitsrelevanten Aspekten und der Situation der Menschenrechte. Deutschland sei immer bemüht, Konflikte einzudämmen. „Werte werden mitexportiert.“ Dieser guten Nebenwirkung von Rüstungsexporten widersprachen viele Zuhörer. Rüstungsgeschäfte als Türöffner? „Das ist eine Behauptung“, sagte Russmann. Auch in den 1950er- und 1960er-Jahren habe Deutschland, bei wenigen Rüstungsexporten, großen Einfluss gehabt. Rüstungsexporte heizten das weltweite Wettrüsten an. „Ich habe von keinem Rüstungsexport gehört, der hinterher eine befriedende Wirkung gehabt hätte.“

Der Bundessicherheitsrat agiere am Parlament vorbei, kritisierte Russmann. „Ich bin da ambivalent“, meinte Hennrich. Man müsse genau abwägen, ob es sinnvoll sei, über diese Entscheidungen im Parlament abzustimmen. Eine Alternative könne ein parlamentarisches Gremium, ähnlich dem Bundessicherheitsrat, sein.

Die Rolle Saudi-Arabiens sieht Hennrich, der jedes Land der arabischen Welt bereist hat, eher positiv. „Ich habe den Eindruck, dass die versuchen, die Region insgesamt zu stabilisieren und Konflikte zu vermeiden.“ Es sei lohnend, sich für Saudi-Arabien zu engagieren. „Das Land steht auf der Kippe, es kann sich wenden. Wenn wir uns aus solchen Ländern zurückziehen, verlieren wir an Einfluss.“ Die Gefahr einer Fehleinschätzung sei aber immer da. „Es ist möglich, dass wir in fünf Jahren sagen, wir haben uns getäuscht.“

In einem waren sich beide Diskutanten einig: An der Gesamtwirtschaft gemessen, hat die deutsche Rüstungsindustrie keine Bedeutung. Der Anteil der direkt und indirekt im Rüstungssektor Beschäftigten summiert sich auf etwa ein halbes Prozent. „Das ist ökonomisch zu vernachlässigen“, so Hennrich. „Für mich spielen die Interessen der Rüstungsindustrie keine Rolle.“ Ein Zuhörer vertrat die These, Deutschland sei selbst auf die Hochleistungsentwicklungen der Rüstungsindustrie angewiesen. Weil es aber nicht alles abnehmen könne, käme es zwangsläufig zum Export.

In Frankreich und England gibt es Quartalsberichte über die Rüstungsexporte. In Deutschland erscheinen die bisher jährlichen Berichte oft mit großer Verspätung. „Einen vierteljährlichen Bericht kann ich mir vorstellen“, sagte Hennrich.

„Wie wird es wahrgenommen, wenn wir einem Land keine Waffen liefern?“, fragte Hennrich. „Sofort hieße es, die trauen uns nicht. Ihr liefert U-Boote an Israel, aber uns beliefert ihr nicht.“ Wenn man an viele Länder Waffen liefere, sei eine Nichtlieferung ein Vertrauensentzug, sagte ein Zuhörer. „Wenn keiner von Deutschland Waffen bekommt, würde es keine Regierung übel nehmen, wenn sie von Deutschland nichts bekommt.“ Dieser Auffassung schlossen sich per Applaus viele Zuhörer an. Applaus gab es auch für den Zuhörer, der einen Waffenexportausstieg nach dem Vorbild des Atomausstiegs forderte. Solle Deutschland nicht besser Wasseraufbereitungsanlagen liefern anstatt Waffen, meinte ein anderer. Erreiche Deutschland nicht mehr Anerkennung, wenn es sich in anderen Ländern für die Verbesserung der Bildungssituation einsetze? Ein weiterer Vorschlag war, Deutschland solle anderen Ländern bei der Entwicklung von Rechtssystemen helfen. „Solche Projekte gibt es“, sagte Hennrich.

Russmann sprach Hennrich auch auf die Kleinwaffenexporte nach Afrika an. Hennrich verwies darauf, dass er sich in Afrika, anders als in der arabischen Welt, nicht auskenne. Keine staatlichen Hermesbürgschaften mehr für Rüstungsexporte? Auf diese Forderung ging Hennrich, anders als Arnold, nicht zustimmend ein. Unterstützung sagte er bei einem anderen Punkt zu. Russmann hatte kritisiert, dass in deutschen Delegationen Vertreter von Rüstungsfirmen mitfahren. „Nennen Sie mir, welche Delegation das war“, forderte Hennrich ihn auf. „Dann schreibe ich dem Minister einen Brief und frage ihn, warum er den Mann mitgenommen hat.“

www.aufschrei-waffenhandel.de