Großkontrolle der Polizei und des Zolls stellt Laster und Kleintransporter auf den Prüfstand
Beamte untersuchen „Wundertüte“

60 000 bis 80 000 Fahrzeuge brettern täglich über die Autobahn A 8. Wie viele davon Mängel aufweisen, geschmuggelte Ware transportieren oder sich widerrechtlich verhalten, kann kein Mensch sagen. Auch nicht die Polizisten und Zollbeamten, die sich gestern am Festplatz in Oberensingen bei der B 313 eingefunden haben.

David Kerzinger

Nürtingen. „Es ist wie die Nadel im Heuhaufen suchen“, bemerkt Hagen Kohlmann, der Pressesprecher des Hauptzollamts in Ulm. Er begleitet an diesem Tag eine Großkontrollaktion von Polizei und Zoll in Oberensingen. Die Beamten haben jedoch ein bestimmtes Schema, nach dem sie vorgehen. Zuerst nehmen die sechs Streifenwagen und zwei Motorräder ihre Stellung an verschiedenen Einfahrten in die Autobahn ein. Dabei platzieren sie sich in einem Radius von etwa 20 Kilometern um den Festplatz. Nun beginnt das große Ausschauhalten.

Den wichtigsten Anhaltspunkt bietet meistens das Kennzeichen der Fahrzeuge. Die Beamten achten primär auf Laster aus dem osteuropäischen Raum oder dem Balkan, denn diese Route wird gerne zum Schmuggeln von Betäubungsmitteln und Zigaretten verwendet. Diese werden dort billig erworben und dann in Deutschland verkauft. Allerdings richtet der Zoll sein Augenmerk nicht nur auf ausländische Fahrzeuge, auch deutsche Lkw sind im Visier der Beamten.

Dirk Rosenkranz, ein Mitarbeiter des Zolls, der an diesem Tag Streife fährt, betont, dass beim Auswählen der Fahrzeuge Instinkt, Bauchgefühl und vor allem Erfahrung eine große Rolle spielen. Oft erkennen die Kontrolleure potenzielle „Verkehrssünder“ auch an der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder an bestimmten Speditionen, die bereits in der Vergangenheit auffällig waren. Trotzdem wissen die Beamten nie genau, was als Nächstes auf sie zukommt. „Eine Kontrolle ist wie eine bunte Wundertüte, man weiß nie genau was einen erwartet“, beschreibt Hagen Kohlmann seinen Beruf. Genau das sei es auch, was viele Polizisten und Zollbeamte motiviere. Jedes Fahrzeug biete andere Sachlagen und schaffe neue Verhältnisse.

Hagen Kohlmann weiß von einigen spannenden und unerwarteten Funden. So gelang es vor einiger Zeit, einen Lastwagen zu schnappen, der vermeintlich Himbeeren transportierte. Die Zollbeamten bemerkten jedoch, dass im Laster eine viel zu hohe Temperatur für das Obst herrschte. Als die ersten Paletten mit matschigen Himbeeren abgeladen waren, kamen dahinter jede Menge Zigarettenstangen zum Vorschein.

„Diese Kontrollen nehmen viel Zeit in Anspruch“, sagt Dirk Rosenkranz‘ Kollegin Sonja Preis. Doch der Zoll hat mächtig aufgerüstet. So gehört seit zwei Jahren eine „vollmobile Röntgenanlage“ zum Repertoire. Diese kommt in ganz Süddeutschland zum Einsatz und ist eine von drei Anlagen bundesweit. Durch das Röntgen lässt sich binnen weniger Minuten herausfinden, ob irgendetwas in der Struktur eines Fahrzeugs verborgen ist. Verstecke wie hinter der Seitenverkleidung oder im Dach eines Lasters kann die Anlage ohne Probleme aufspüren. So wird es schwierig, an diesen Stellen Zigaretten, Drogen oder Waffen sicher zu verbergen.

„Früher haben wir bei Kontrollen, etwa sechs Fahrzeuge überprüft“, erinnert sich Hagen Kohlmann zurück. Die Anlage hingegen durchleuchtet bis zu 80 Fahrzeuge am Tag und kann darüber hinaus innerhalb von 20 Minuten abgebaut werden und den Standort wechseln.

Die langwierigen Kontrollen von Hand bleiben den Beamten so größtenteils erspart – auch wenn die Anlage die Ladung nur bedingt erfassen kann und an dieser Stelle manchmal nachgeholfen werden muss. Die neue Technik hat auch bei den Kontrolleuren einen Motivationsschub ausgelöst. Sie sind äußerst froh über die 1,5 Millionen teure Anschaffung: „Man nimmt die Schreibmaschine weg und gibt uns einen Computer“, zieht Hagen Kohlmann einen Vergleich.

Bei den Großkontrollen arbeitet der Zoll eng mit der Polizei zusammen. Trotzdem sind die Zuständigkeitsbereiche abgegrenzt. Die Zollbeamten übernehmen die Überprüfung der Waren und der Deklaration der Güter, während sich die Polizei der Fahrzeugsicherheit annimmt. Die Polizisten vergewissern sich auch, ob das Gewicht des Fahrzeugs den Normen entspricht und ob die Fahrer die vorgegebenen Ruhepausen einhalten.

„Die Kommunikation ist teilweise schwierig, denn viele der Kraftfahrer sprechen nur wenig deutsch“, weiß Dirk Rosenkranz. Verständigen können sich die Beamten meistens trotzdem – auch mithilfe von Merkblättern, die in über 40 Sprachen vorhanden sind.