Lokales

1 200-Kilometer zum Arbeitsplatz

Barbera Kopec aus Polen arbeitet als Haushaltshilfe in einer Bissinger Familie

Caritative, kirchliche Einrichtungen sprechen von Ausbeutung, betroffene Familien von Hilfe in höchster Not. Weil sie ihren Haushalt nicht mehr alleine bewältigen können, greifen immer mehr Angehörige schwerkranker oder dementer Ehepartner auf Haushaltshilfen aus dem Osten zurück. Eine von ihnen ist Barbera Kopec aus Polen, die in Bissingen arbeitet.

Barbera Kopec versorgt den Haushalt des Ehepaars Schröpfer.Foto: Jean-Luc Jacques
Barbera Kopec versorgt den Haushalt des Ehepaars Schröpfer.Foto: Jean-Luc Jacques

Bissingen. Neben der unteren Klingel an der Eingangstür des Einfamilienhauses in einer ruhigen Bissinger Wohngegend steht der Name Schröpfer, darüber Kopec. Vor sechs Jahren suchte Heinz Schröpfer eine Haushaltshilfe, da seine Frau schwer erkrankte. Er musste nicht lange warten. Die Mund zu Mund Propaganda der in der Seegemeinde arbeitenden Polinnen funktionierte. Barbera Kopec, 46, hörte im 1 200 Kilometer entfernten Debica von einer Landsmännin von der Not der Familie Schröpfer in Bissingen und meldete sich. Heinz Schröpfer fiel eine zentnerschwere Last von den Schultern.

Barbera Kopec packte ihren Koffer, verabschiedete sich schweren Herzens von ihrem Mann und den drei Töchtern und bestieg den Bus nach Süddeutschland – eine 20-Stunden-Fahrt. Von der Familie Schröpfer wurde sie freundlich aufgenommen. Eine Wohnung beziehungsweise ein Zimmer musste sie nicht suchen. Die Dachgeschosswohnung war frei. Von Heinz Schröpfer erhielt sie einen Arbeitsvertrag als Haushaltshilfe und wurde von ihm sozialversicherungspflichtig angemeldet. Von der Arbeitsagentur erhielt sie zunächst eine auf drei Monate beschränkte Arbeitsgenehmigung, die regelmäßig verlängert wurde. Die Bezahlung von Barbera Kopec richtet sich nach dem Tarif des Deutschen Hausfrauenbundes.

„Bei uns gab‘s keine entsprechenden Haushaltshilfen“, sagt Heinz Schröpfer. „Man bekommt einfach niemand.“ Während Barbera Kopec einkauft, kocht, die Wohnung in Schuss hält und, wenn es das Wetter zulässt, Theresia Schröpfer im Rollstuhl an die frische Luft schiebt, betreut der medizinische Dienst der Diakonie die kranke Frau medizinisch.

Als Barbera Kopec in Bissingen ankam, sprach sie kein Wort Deutsch. „Am Anfang war es schwer“, erinnert sie sich. Doch nach und nach lernte sie die unbekannte Sprache von ihrem Arbeitgeber.

Das Heimweh ließ nach, als vor zwei Jahren ihr Mann Tomasz, 47, nachkam. Heinz Schröpfer fragte nach Arbeit für ihn und hatte Erfolg. Tomasz Kopec, der am Technikum in Krakau auch Deutsch gelernt hatte, arbeitet seither bei der Firma Reinert Kunststofftechnik als Maschineneinsteller. Nun wohnen beide bei Heinz Schröpfer in der Dachgeschosswohnung. Für Barbera Kopec ist Kost und Logis frei, ihr Mann bezahlt Miete.

Insgesamt arbeiten rund ein halbes Dutzend Frauen aus Polen in der Seegemeinde bei verschiedenen Familien. Sie kennen sich untereinander, tauschen sich aus und treffen sich zum Pizzaessen bei Antonio im Sportheim.

Tomasz Kopec, auf die Zukunft angesprochen, meint: „Wir sind gesund und zufrieden. Was noch kommen wird, wissen wir nicht.“ Er hatte auch in Polen eine Beschäftigung, aber nur zeitweise. Die Arbeitslosenquote liegt bei 12,5 Prozent, je nach Gebiet kann sie höher oder niedriger ausfallen.

Die älteste Tochter des Ehepaars ist 27 Jahre alt und arbeitet in England. „Wir skypen und telefonieren viel.“ Die jüngste Tochter, 22, studiert und wohnt zu Hause in Debica, die Zweitälteste, 26, lebt in der nahen Provinzhauptstadt Rzeszow. So sieht sich die Familie nur im Urlaub in Polen. Dennoch sagt Barbera Kopec: „Wir sind sehr zufrieden hier sein zu können“.