Lokales

110 Plätze fehlen – Ende nicht in Sicht

Gestern sind 48 neue Flüchtlinge in Nürtingen angekommen – Kreis sucht weiter Unterkünfte

Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Gestern sind erneut Asylbewerber in Nürtingen angekommen. Nach wie vor sucht der Landkreis Esslingen Unterkünfte. Bis zum Jahresende werden noch rund 110 Plätze benötigt.

Ein Notbehelf für welche Zeitspanne? Inzwischen leben 120 Flüchtlinge im Nürtinger Containerdorf.Foto: Jürgen Holzwarth
Ein Notbehelf für welche Zeitspanne? Inzwischen leben 120 Flüchtlinge im Nürtinger Containerdorf.Foto: Jürgen Holzwarth

Kreis Esslingen. Bis Ende September kamen 9 630 Menschen in der Landesaufnahmestelle in Karlsruhe an. Von dort werden sie auf die Landkreise verteilt. Rund 800 Flüchtlingen musste der Landkreis Esslingen bisher unterbringen, doch die Zahl steigt. Peter Keck, der Pressesprecher des Landratsamts, rechnet bis zum Jahresende mit etwa 1 000 Asylbewerbern im Kreis, doppelt so viele wie im vergangenen Jahr.

Und der Zustrom wird auch im kommenden Jahr nicht abreißen. Keck: „Es ist zwar ein Blick durch die Glaskugel. Aber wir rechnen für 2014 mit rund 900 zusätzlichen Flüchtlingen, die wir unterbringen müssen“.

Dabei sucht der Landkreis immer noch händeringend nach Unterkunftsmöglichkeiten und ist froh über die kooperative Haltung der Städte und Gemeinden im Kreis. Inzwischen konnten in 14 Kreiskommunen an insgesamt 19 Standorten Asylbewerber in Räumlichkeiten einquartiert werden.

Im Aussiedlerheim in Kirchheim wurden die meisten Asylbewerber untergebracht. Aktuell leben dort in der Charlottenstraße 290 Flüchtlinge.

Gestern kamen in Nürtingen 48 neu zugewiesene Flüchtlinge an, jetzt leben in den Containern auf dem Parkplatz der kreiseigenen Philipp-Matthäus-Hahn-Schule und anderen Standorten der Neckarstadt 180 Asyl suchende Menschen.

In Ostfildern vermietet die Stadt ein Grundstück in Ruit an den Landkreis. Dort sollen ebenfalls Container aufgestellt werden, die könnten bis Anfang kommenden Jahres mit bis zu 50 Asylbewerbern bezogen werden. Auch Leinfelden-Echterdingen stellt in einem Gewerbegebiet eine Fläche für Container zur Verfügung. „Dort könnten bis Februar ebenfalls bis zu 50 Flüchtlinge unterkommen“, erklärt Peter Keck.

In Filderstadt sollen innerhalb der nächsten zwei, drei Monate rund 170 aus ihrer Heimat geflohene Menschen eine Unterkunft in Sielmingen erhalten. Anfang November wollen Vertreter des Landratsamts in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung darüber informieren.

Mit der Stadt Esslingen sind die Mitarbeiter des Landratsamts zurzeit im Gespräch über eine Unterbringung von Flüchtlingen in der Freien Reichsstadt. Die Stadt setzt auf dezentrale Standorte in mehreren kleineren Unterkünften im gesamten Stadtgebiet, um Konflikte mit Anwohnern von vornherein zu vermeiden. Bisher beherbergt Esslingen in der Rennstraße 111 Flüchtlinge. Doch in den nächsten zwei Monaten muss die Stadt weitere aufnehmen. Des Weiteren beabsichtigt der Landkreis als Notlösungen im Bereich des neuen Parkplatzes für das Schulzentrum Zell sowie auf dem Hof des Landratsamts in Esslingen eine größere Zahl an Containern aufzustellen.

In dieser für den Landkreis prekären Situation gehen auch viele Angebote aus der Bevölkerung bei den Verantwortlichen des Landkreises ein, wie Peter Keck informiert. „Allerdings müssen wir diese Angebote zunächst bau- und mietrechtlich prüfen.“

Von den rund 800 Menschen, die ihre Heimat verließen, und nun im Landkreis Esslingen eine Zuflucht gefunden haben, bis über ihren Asylantrag entschieden wurde, kamen 170 aus Serbien, Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien, 130 aus Pakistan, 122 aus Afghanistan, 61 aus dem Iran und 21 aus Syrien. Bis ihr Asylverfahren abgeschlossen sein wird, können mehrere Monate, wenn nicht Jahre ins Land ziehen. Falls aner­kannte Asylbewerber nicht auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Unterkunft finden, sind die Kommunen für eine Anschlussunterbringung zuständig.

Verbesserungen für Flüchtlinge

Laut Integrationsministerin Bilkay Öney ist es Ziel der Landesregierung, die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Baden-Württemberg zu verbessern. Beispielhaft für die humanitären Verbesserungen ist die im Flüchtlingsaufnahmegesetz vorgesehene Unterbringungssituation der Flüchtlinge: Statt 4,5 Qua­dratmeter sollen spätestens im Jahr 2016 jedem Flüchtling mindestens sieben Quadratmeter Wohn- und Schlaffläche zustehen. Dabei soll ausdrücklich auch eine Unterbringung in Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünften möglich sein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Pauschalbeträge von derzeit bereits 12 270 Euro bis 2016 stufenweise auf 13 700 Euro je untergebrachtem Asylbewerber erhöht werden. Die Kritik des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg an der Pauschale versteht der Pressesprecher des Integrationsministeriums, Christoph Häring, nicht: „Die Pauschale wurde von CDU-Regierung und Landkreistag befürwortet eingeführt. Mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz von 2004 wurden die Kommunen mit einer bescheidenen Pauschale von 7 900 Euro je Person abgespeist. Die damalige Regierung hat dann drei Jahre für eine erste Revision gebraucht. Nur dank der Nachhilfe des Landesrechnungshofs wurde dieser Betrag 2008 um 25 Prozent auf auskömmliche 10 000 Euro erhöht.“ Laut Häring sollen das Verfahren und die Kosten 2016 nochmals überprüft werden.