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Abschied – nach Jahren und Jahrzehnten

Nach gänzlich unterschiedlicher Verweildauer verlassen zwölf Gremiumsmitglieder den Kirchheimer Gemeinderat

Zwölf Mitglieder des Kirchheimer Gemeinderats hat Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker aus dem Gremium verabschiedet – etliche von ihnen nach jahrzehntelanger Zugehörigkeit. So geriet der Abschied mitunter zu einem interessanten historischen Rückblick.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker mit elf von zwölf Gemeinderatsmitgliedern, die aus dem Gremium ausgeschieden sind: B
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker mit elf von zwölf Gemeinderatsmitgliedern, die aus dem Gremium ausgeschieden sind: Bernhard Most, Ulrich Kreyscher, Hagen Zweifel, Christof Schweiß, Eva Baudouin (die zuvor noch für 20-jährige Mitgliedschaft geehrt worden war), Mathias Waggershauser, Dietmar Hoyler, Jonas Kenner, Brigit Müller, Stefan Hägele und Hans Gregor (von links).Fotos: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Vor dem Abschied gab es zwei Ehrungen für 20-jähriges Wirken im Kirchheimer Gemeinderat: Eva Baudouin und Siegfried Pöschl waren beide erstmals 1994 in das Gremium gewählt worden.

Siegfried Pöschl sei es gelungen, sowohl den Gemeinderat über Fraktionsgrenzen hinweg als auch  Verwaltung und Gemeinderat zusammenzuführen, sagte die Oberbürgermeisterin. Das entsprechende Motto für viele legendäre Zusammenkünfte habe gelautet: „Politik macht Spaß“. Nach 15 Jahren habe er sogar Gebrauch gemacht von der Koalitionsfreiheit, „die in unserer Verfassung verankert ist“. Er wechselte von der CDU- zur FDP/KiBü-Fraktion, ohne dass sich dieser Wechsel auf seine Stimmenzahl allzu negativ ausgewirkt hätte. Thematisch habe er sich in jüngster Zeit für den Erhalt des Hallenbads stark gemacht. „Schauen wir mal, was daraus wird“, sagte Angelika Matt-Heidecker vieldeutig. Die Jubiläumsgabe, die Siegfried Pöschl von der Stadt Kirchheim erhält, spendet er dem Bildungs- und Sozialfonds der Stadt.

Im Gegensatz zu Siegfried Pöschl, der dem Gemeinderat auch weiterhin angehört, wurde Eva Baudouin nicht nur geehrt, sondern kurz darauf auch verabschiedet. Soziale und frauenpolitische Fragen seien die Themen der CDU-Stadträtin gewesen, stellte die Oberbürgermeisterin fest. Der Jugendgemeinderat lag ihr ebenfalls am Herzen. Auch wenn ihre Devise „Nachdruck“ gewesen sei, habe sie niemals die „lauten Töne“ gesucht, um ihrer Meinung diesen Nachdruck zu verleihen. Als Mitbegründerin des Vereins „Frauen helfen Frauen“ leitet Eva Baudouin ihre Jubiläumsgabe an das Frauenhaus weiter.

Nach insgesamt 37 Jahren verlässt Bernhard Most – zuletzt Vorsitzender der FDP/KiBü-Fraktion – den Kirchheimer Gemeinderat. 1976 hat er sich als Gemeinderat mit dem Umbau des Kornhauses befasst, der inzwischen allenfalls erneut anstehen dürfte. „Ideologiefreiheit und ausgeprägten Pragmatismus“ bescheinigte Angelika Matt-Heidecker dem kommunalpolitischen Urgestein Bernhard Most.

Lediglich eineinhalb Jahre lang hatte Mosts Fraktionskollege Ulrich Kreyscher dem Gemeinderat angehört. Aber auch in dieser Zeit sei viel passiert: Zum Beispiel sei die Naberner Gießnauhalle inzwischen eingeweiht worden. Die Oberbürgermeisterin hofft, dass Ulrich Kreyscher „aktiv dabeibleiben“ möge.

Den größten „Aderlass“ hat die CDU-Fraktion zu verkraften. Damit einher geht aber auch ein Generationenwechsel und eine deutliche Verjüngung. Nach über 29 Jahren verlässt Dietmar Hoyler den Gemeinderat. Er war drei Mal in Folge „Stimmenkönig“ und sei die personifizierte Bürgernähe gewesen. Auch wenn Angelika Matt-Heidecker ihn nicht als „Mann der großen Worte“ wahrgenommen hat, so habe er sich doch bei allen wichtigen Themen zu Wort gemeldet. Außerdem sei er zum „feuerwehrpolitischen Sprecher“ des gesamten Gremiums avanciert.

Nach Dietmar Hoyler und Eva Baudouin kommt in der „alten“ CDU-Riege bereits Mathias Waggershauser, der sich nach 15 Jahren aus dem Gemeinderat verabschiedet. Er habe sich besonders für Kosteneinsparungen eingesetzt, etwa beim Neubau an der Freihof-Realschule. Und beim Nachrechnen habe er sogar das ganze Gremium davon überzeugt, dass es besser sei, die Übergangscontainer zu kaufen statt zu mieten.

Stefan Hägele verlässt den Gemeinderat nach fünfjähriger Zugehörigkeit. Ihm sei es wichtig gewesen, durch Argumente zu überzeugen und gestaltend tätig zu sein, statt spaltend. Seinem CDU-Fraktionskollegen Steffen Barner war es aus beruflichen Gründen nicht möglich, an der Verabschiedung teilzunehmen. Er hatte dem Gremium als Nachrücker nur für kurze Zeit angehört. 2012 war er in die „großen Fußstapfen“ von Helmut Kapp getreten.

Mehr als 28 Jahre lang war Hagen Zweifel Mitglied des Gemeinderats, zuletzt als Vorsitzender der Freien-Wähler-Fraktion. Den „bekennenden Kirchheimer“ bezeichnete die Oberbürgermeisterin als den „Grandseigneur“ seiner Fraktion, dem ein offenes und ehrliches Miteinander stets am Herzen lag. Im Ruhestand habe er sehr gerne auch sein Fachwissen als „Stromer“ eingebracht, nachdem er nicht mehr befangen war. Wie lange Hagen Zweifel insgesamt dem Gremium angehört hat, kommt auch darin zum Ausdruck, dass er sich einstmals aktiv dafür eingesetzt hat, den Badekappenzwang in den städtischen Bädern abzuschaffen.

Von den Freien Wählern scheidet auch Christof Schweiß aus dem Gemeinderat aus, nach zweieinhalb Jahren. Angelika Matt-Heidecker bescheinigte ihm ein „Verständnis für wirtschaftliche und für gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge“ und bedauerte es, dass er nach so kurzer Zeit den Gemeinderat wieder verlässt.

Nach zehn Jahren hatte sich Birgit Müller dafür entschieden, nicht mehr für die Frauenliste zu kandidieren. Als „Frau der ersten Stunde“ verlässt sie nun ihre Fraktion. Sie habe sich sehr gut in die technischen Feinheiten der Tagesordnungspunkte eingearbeitet und sich unter anderem für die Stelle eines Klimaschutzmanagers eingesetzt, sagte die Oberbürgermeisterin.

Hans Gregor war seit 2008 als Nachrücker in der SPD-Fraktion des Gemeinderats vertreten. Als langjähriger Jesinger Schulleiter habe er sich nicht nur für die Schule eingebracht, sondern auch für Jesingen – etwa beim Thema „Rathaus-Neubau“. Als stellvertretender Ortsvorsteher habe er sogar regelmäßig die „andere Seite“ der Gremiumsarbeit kennengelernt – immer wenn er nach einem Ortsvorsteherwechsel kommissarisch diese Rolle übernehmen musste.

Nach nur einer Amtszeit, also nach fünf Jahren, verabschiedet sich außerdem Jonas Kenner aus der SPD-Fraktion und aus dem Gemeinderat. Seinen Schwerpunkt habe er bei der Jugendarbeit gehabt, stellte die Oberbürgermeisterin fest.

Stellvertretend für alle zwölf Ratsmitglieder, die das Gremium verlassen haben, legte Hagen Zweifel dem neuen Gemeinderat ans Herz, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren, dass Kirchheim attraktiv bleibe und vielleicht sogar noch attraktiver werde. Bei der Verwaltung bedankte er sich für die gute Zusammenarbeit und meinte – mit einem leichten Augenzwinkern: „Ich kann nicht behaupten, dass ich von der Verwaltung keine Auskunft bekommen hätte. Es ist mir allenfalls nicht immer alles gesagt worden.“ Außerdem stellte er fest: „Ich bin mit dem Ergebnis unserer Arbeit im Gremium sehr zufrieden. Die Stadt genießt im mittleren Neckarraum den allerbesten Ruf.“