Lokales

„Aggressiv und rabiat“

Der getötete Ehemann soll seine Kinder immer wieder geschlagen haben

Im Mordprozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen eine 41-jährige fünffache Mutter aus Plochingen, die ihren Ehemann erschossen hat, ist gestern die Mutter der Angeklagten in den Zeugenstand gerufen worden. Die 69-jährige Rentnerin schilderte den getöteten Ehemann ihrer Tochter als aggressiv und rabiat gegen die Kinder.

Plochingen. Der Fall wird das Stuttgarter Schwurgericht noch mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate beschäftigen. Nach wie vor suchen die Richter nach dem eigentlichen Motiv, warum die 41-jährige Frau am 23. Januar dieses Jahres in der gemeinsamen Plochinger Wohnung ihren Ehemann mit drei Schüssen aus einer Armeepistole tötete. Und ob es stimmt, dass das Opfer eine Gefahr für die Kinder war, der Mann zum Beispiel am Tattag die Absicht hatte, zwei der Kinder über den Balkon in die Tiefe zu werfen, wie die Angeklagte beteuert.

Am Dienstag dieser Woche wurde der Stuttgarter Gerichtssaal regelrecht zum Kino. Die Mordkommission hatte zusammen mit der Angeklagten das Szenario vom 23. Januar direkt in der Tatwohnung nachgestellt und auf Video festgehalten. Zweimal musste man dabei die Aufnahmen beginnen, weil die Angeklagte sich zunächst weigerte, die (ungeladene) Tatwaffe noch einmal in die Hand zu nehmen. Schließlich zeigte sie aber den Beamten den Ablauf. Die Frau wiederholte dabei erneut, dass sie die tödlichen Schüsse gegen den Ehemann nur abgegeben habe, um die Kinder vor ihm zu schützen.

Ähnliches berichtete am gestrigen Verhandlungstag auch ihre 69-jährige Mutter im Zeugenstand. Die Rentnerin, bei der nach der Tat die fünf Kinder zunächst untergebracht, später aber im Oberberkener Kinderdorf aufgenommen wurden, schilderte ihren Schwiegersohn als „in letzter Zeit aggressiv, aber auch sehr ruhig“. Von einem der Kinder habe sie gehört, dass ihn der Vater geschlagen habe. Die Verletzungen am Kopf, dem Auge und der Nase seien vom Fußballspielen, habe der Junge ihr gesagt. Erst später sagte er der Oma aber, dass sie von Misshandlungen des Vaters herrühren würden. Am Tattag selbst, als die Angeklagte mit ihren Kindern bei ihrer Mutter erschien und ihr die Tat schilderte, habe eines der Kinder aus Mund und Nase geblutet.

Von Aussagen der Kinder will die Zeugin auch wissen, dass der Vater am Tattag im Begriff war, zwei der Kleinsten zu töten. Er habe sie über den Balkon hinauswerfen wollen. Dabei habe er immer wieder von „Eliminieren“ gesprochen. Den Begriff kannten die Kinder noch nicht und sie sollen der Oma deshalb von einem „blöden Wort“ berichtet haben, welches der Vater im Streit immer und immer wieder verwendet habe. Einen der Söhne soll der Vater auch mehrfach „herumgeschleudert“ haben.

Die Zeugin, die mehrere Stunden lang von den Richtern zu den Ereignissen in der Familie ihrer Tochter befragt wurde, berichtete auch von einer Anordnung ihres Schwiegersohnes gegenüber den Kindern, den Garten nicht mehr zu benutzen. Täglich sei er nach der Arbeit zuerst in den Garten gegangen und habe dort die Grashalme geprüft, ob sie niedergetreten sind. „Und in dem Garten standen doch Rutschbahn, Schaukel und Sandelkiste“, sagte die Zeugin gestern mit Tränen in den Augen.

Am nächsten Prozesstag, dem 25. August, wollen die Richter weitere Zeugen und auch einen Sachverständigen vernehmen. Die älteren der fünf Kinder der Angeklagten sind bereits von der Polizei vernommen worden. Die­se Protokolle sollen im Gerichtssaal verlesen werden. Es hat sich allerdings bereits herumgesprochen, dass laut den Aussagen der Kinder keines von ihnen bei der Tat im Zimmer anwesend gewesen sein soll, obwohl die Zeugin gestern davon berichtete, dass zumindest zwei der Kinder den Mord mit angesehen hätten.