Lokales

Alibi ist eher dürftig

Das Rätsel der gestohlenen Gitterboxen

Weil ihnen der Diebstahl von 84 Gitterboxen vorgeworfen wird, sitzen zwei Männer im Alter von 36 und 26 Jahren auf der Anklagebank des Kirchheimer Amtsgerichts. Beide wollen mit der Sache nichts zu tun haben. Der eine sagt gar nichts. Der andere erklärt wortreich, aber wenig überzeugend, warum er es nicht gewesen sein kann.

Andreas Volz

Kirchheim. Der Fall ist ein wenig verwirrend: Da gibt es zunächst die 84 Gitterboxen. Sie befinden sich in der Nacht zum Sonntag, 24. März 2013, im Auflieger eines Sattelzugs. Der Sattelzug gehört zu einer Bis­singer Firma, steht in jener Nacht aber in einer Werkstatt in Kirchheim, nicht weit entfernt von der Hegel­straße. Am Sonntagabend wird der Sattelzug in einer anderen Straße gefunden – ungefähr gleich weit von der Hegelstraße entfernt, nur eben westlich davon, schon in Ötlingen. Der Lastwagen ist leer. 28 Gitterboxen wiederum stehen bei einer Firma in Dettingen/Erms. – Das sind die Fakten. Wie sie aber im einzelnen zusammenpassen, das herauszufinden ist Aufgabe von Amtsrichterin Franziska Hermle-Buchele.

Ermittelt worden war im Frühjahr 2013 von zwei unterschiedlichen Seiten: offiziell von der Polizei und zusätzlich privat, also branchenintern. Die beiden Geschäftsführer der geschädigten Bissinger Firma sagten als Zeugen aus, dass sie bei allen entsprechenden Händlern in der Umgebung angerufen hätten. Man kennt sich untereinander. Und der Chef der Firma in Dettingen/Erms bestätigt schon bald, dass bei ihm Gitterboxen aufgetaucht sind. Er nennt auch den Namen desjenigen, der sie ihm zum Kauf angeboten hat. Das sagt er nicht nur seinen beiden Bissinger Kollegen, sondern auch der Polizei.

Die Polizei rät ihm, zum Schein auf das Verkaufsangebot einzugehen und ein Treffen zur Geldübergabe zu vereinbaren – im Kirchheimer Bahnhof. Dort liegen Polizisten zum vereinbarten Zeitpunkt auf der Lauer und greifen sofort zu. Sie erwischen den älteren der beiden jetzigen Angeklagten. Bei der Vernehmung schildert der damals 35-Jährige allerhand Details. Es gibt eine Bandaufzeichnung des Vernehmungsgesprächs. Das schriftliche Protokoll davon interessiert den mutmaßlichen Täter aber nicht. Erst später zweifelt er die Aussagen im Protokoll an: Er erscheint auf dem Polizeirevier und behauptet, die frühere Aussage sei ihm unter Druck abgezwungen worden. Man habe ihm mit Stammheim gedroht, um seine Kinder würde sich das Jugendamt kümmern. Nur deshalb habe er sich zu seiner Aussage hinreißen lassen. Die Details, die er dabei preisgab, habe er gar nicht gekannt. Sie seien ihm von der Polizei vorgekaut worden, er selbst habe alles nur noch zu bestätigen brauchen.

Und die Aufnahme, die eine Überwachungskamera beim Abladen in Dettingen/Erms gemacht hat und auf der ihn der Vernehmungsbeamte identifizieren konnte? Da kann er sich auch nicht genau erklären, wer ihn wie und warum ins Bild geschmuggelt hat. Bei den Telefonaten, die er mit Mitarbeitern der Firma im Erms­tal geführt hat, sei es um andere Dinge gegangen, sagt er vor Gericht. Von seinem Alibi für die Tatnacht ist er ebenfalls überzeugt: Er war mit der vorletzten oder der allerletzten S-Bahn von einem Familienbesuch in Mannheim nach Ötlingen gekommen und sei sofort in seine Wohnung gegangen. Weil Frau und Kinder aber noch in Mannheim geblieben seien, könne das verständlicherweise keiner bestätigen. Die Tatzeit wird von der Anklage eingegrenzt auf die Zeit zwischen Mitternacht und morgens 8 Uhr.

Die Gitterboxengeschichte ist aber nicht das einzige Problem, das der 36-Jährige derzeit mit der Strafverfolgung hat. In Augsburg muss er sich wegen des Diebstahls von Lkw-Reifen verantworten. Deshalb sitzt er dort auch gerade in Untersuchungshaft. Demgegenüber fällt der zweite Anklagepunkt in Kirchheim – wegen Betrugs – fast nicht mehr ins Gewicht: Er soll sich in einem Kirchheimer Reisebüro ein Hin- und Rückflugticket in die Türkei aushändigen haben lassen, ohne es zu bezahlen.

Um diese Geschichte ging es am ersten Verhandlungstag in Kirchheim noch gar nicht. Bei der Fortsetzung Mitte November soll erst noch einmal der Diebstahl der Gitterboxen näher untersucht werden. Dazu sind weitere Zeugen geladen. Welche Rolle der 26-Jährige dabei gespielt haben könnte, wird ebenfalls zu klären sein. Für die Geschäftsführer der Bissinger Firma, die sich im Gerichtssaal als wenig nachtragend erweisen, steht fest, dass die Täter zu zweit gewesen sein müssen: Einer allein hätte es nicht geschafft, die Gitterboxen ohne Gabelstapler beim Umladen von Dreier- auf Zweierstapel zu reduzieren. Nur so passten sie nämlich in den Lastwagen, der von Kirchheim nach Dettingen/Erms unterwegs war. Dieser Lastwagen war übrigens nur kurzfristig entwendet und nach der Rückkehr wieder ordentlich abgestellt worden – von den Tätern, also entweder von den beiden Angeklagten oder von den großen Unbekannten, die immer noch nicht gefasst sind.