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Allein unter Frauen

Vom Mehrgenerationenhaus Linde in die Kita: Matthias Altwasser leitet nun einen Kindergarten

Kindergartenleiter Matthias Altwasser geht mit den Vorschulkindern des Kindergartens Sankt Franziskus häufig in den Wald.Foto: P
Kindergartenleiter Matthias Altwasser geht mit den Vorschulkindern des Kindergartens Sankt Franziskus häufig in den Wald.Foto: Peter Dietrich

Kreis Esslingen. Matthias Altwasser, 46 Jahre alt, Diplom-Sozialpädagoge (FH). Wäre er ein Sachbearbeiter beim Jugendamt, wäre alles „ganz

normal“. Nichts, worüber man einen Zeitungsartikel schreibt. Doch Altwasser leitet seit 1. Juli den frisch sanierten katholischen Kindergarten Sankt Franziskus in Altbach. „Ich bin glücklich, hier zu sein“, sagt er und sieht auch so aus.

Kennt Altwasser noch andere männliche Kindergartenleiter? Nur ganz, ganz wenige. Nicht nur der Pfarrer nennt Altwasser einen Exoten. Er weiß auch selbst, dass er einer ist, und dass sich so mancher Berufskollege über ihn wundert.

Das sei fast so, als wechsle ein Oberstudienrat vom Gymnasium auf die Grundschule, sagt er. An seiner vorigen Stelle als Leiter des Mehrgenerationenhauses Linde in Kirchheim saß Altwasser viel im Büro, war für das Pilotprojekt in Trägerschaft des Kreisjugendrings viel auf Reisen. Dann kam ein Jahr Erziehungspause. Altwasser hat zwei Söhne. Der Rückweg in den Beruf führte Altwasser in den Kindergarten, denn er wollte sich wieder verstärkt der Pädagogik widmen. Von seiner Leitungserfahrung, seinem Steuern von Teamprozessen profitiert er aber jetzt. Am Anfang seines Berufslebens wäre er an der neuen Aufgabe gescheitert, vermutet er.

Seinem Studium der Sozialpädagogik in Reutlingen und Esslingen ging übrigens eine Ausbildung im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst bei der Stadt Esslingen voraus. Dann machte er auf dem Abendgymnasium das Abitur nach. Seine erste Anstellung nach dem Studium war bei der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart.

„Die Kirchengemeinde ist mutig“, sagt er zu seiner Anstellung als Mann und Nicht-Erzieher. Neun Köpfe zählt das Kindergartenteam, acht Frauen und ihn. „Ich bringe andere Sachen mit“, sagt Altwasser. Das tun im Team noch andere, denn in ihm treffen Kinderpflegerin, Erzieherin, eine Ausbildung in frühkindlicher Bildung, Erwachsenen- und Sonderpädagogik aufeinander. Altwasser findet das gut: „Da greift ein Zahnrad ins andere.“ Altwasser wurde von der Reggio-Pädagogik geprägt. Immer wieder spricht er von der richtigen Haltung gegenüber Kindern: ihnen zuhören, auf ihre Reaktion warten, sie ernst nehmen, nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten fragen. Er verweist auf die UN-Kinderrechtskonvention: „Da stehen tolle Sachen drin. Etwa, dass Kinder ein Recht auf Erholung haben.“ Seit Juli habe er keinen einzigen Tag gehabt, an dem er sich gefragt habe, ob er gerade das Richtige mache. „Ich genieße es gerade hier.“

Seit Juli hat Altwasser auch ein paar Dinge verändert. Die Eltern warten nicht mehr draußen, denn „ich will, dass sie sehen, was wir machen, und so gibt es Tür- und Angel-Gespräche“. Es gibt nun Projektgruppenarbeit: Dienstags wird es kreativ, mittwochs geht es ins Freie, donnerstags sind Sport und Bewegung dran. Freitags gibt es eine Kinderkonferenz. Die Kinder sagen, was in der Woche gut war und was nicht, oder sie geben sich selbst Regeln, etwa für die Leseecke.

Nicht nur die Jungs profitierten von ihm als Mann, beobachtet Altwasser, auch die Mädchen. Er macht alles: Vorlesen, Singen, den Morgenkreis gestalten, des Essen richten. Seine Schwäche sind filigrane Bastelarbeiten: „Der Fröbelstern gelingt mir nicht so.“

„Man muss sich klarmachen, dass man in eine Frauendomäne tritt“, sagt er. In seinem Fall traf er auf ein sehr offenes Team, auf das er richtig stolz ist. Er will Dinge auch mal locker nehmen: „Manchmal lachen Erzieherteams viel zu wenig.“ Ihn freut die gute Zusammenarbeit mit der Altbacher Grundschule – mit einem Mann als Rektor. „Wenn es gut investiertes öffentliches Geld gibt, dann in Bildung und Erziehung. Man muss Altbach in diesem Punkt loben“, sagt der Esslinger, der vorhat, länger im Kindergarten Sankt Franziskus zu bleiben. „Ich kann jedem Kindergarten anraten, mindestens einen männlichen Erzieher oder Sozialpädagogen zu haben.“