Lokales

„Alte“ Tonwaren neu entdeckt

Der Neidlinger Zwetschgenmarkt lockte wieder viele Besucher an

Am Samstag fand in Neidlingen wieder der Zwetschgenmarkt statt. In und um den Reußensteinort herum zog die Veranstaltung Hunderte Besucher an, die in den Genuss lokaler Produkte kamen und bei Darbietungen des ländlichen Handwerks ins Staunen gerieten.

Margrit Veigel bietet seit 1972 nahezu jedes Jahr ihre Tonwaren auf dem Neidlinger Zwetschgenmarkt an. Foto: Daniela Haußmann
Margrit Veigel bietet seit 1972 nahezu jedes Jahr ihre Tonwaren auf dem Neidlinger Zwetschgenmarkt an. Foto: Daniela Haußmann

Neidlingen. Der Neidlinger Markt ist alt; wie alt genau, das wusste am Wochenende auf Anhieb niemand so genau. Doch ein Blick in das Buch „Neidlinger Zwetschgenmarkt und Zwetschgenfest“ brachte Licht ins Dunkel. Fest steht demnach, dass es nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges noch mehr als ein halbes Jahrhundert dauerte, bis alles wieder seine Ordnung hatte. 1709 ersuchte die Gemeinde darum, den Markt wieder abhalten zu dürfen. Ein ganzes Jahr verging, bis am 10. September endlich die Genehmigung zum Betreiben eines Jahr-, Ross- und Viehmarktes am gewünschten Feiertag Matthäus, dem 21. September, erteilt wurde.

Während des Zweiten Weltkrieges lag der Markt darnieder. Er erholte sich zwar für kurze Zeit nach der Währungsreform 1948 wieder, doch mit der zunehmenden Technisierung und Motorisierung sowie Beschäftigungsmöglichkeiten, die sich außerhalb von Neidlingen auftaten, und dem sich verändernden Viehhandel, verlor der Markt mehr und mehr seine Bedeutung. Schließlich belebten ihn die Landfrauen 1972 wieder. Alte bäuerliche und handwerkliche Kunstfertigkeiten gehörten fortan zum Konzept, wie Rosemarie Rieker von den Neidlinger Landfrauen berichtet. Körbe wurden geflochten, Spitzen gefertigt, Besen gebunden sowie Kraut eingeschnitten und -gestampft.

In dieser Tradition standen die Marktbeschicker, die am vergangenen Wochenende auf dem Zwetschgenmarkt vertreten waren. Neugierig scharten sich große und kleine Besucher um die Dengelmaschine in der Kirchstraße. Die hatte Hermann Hepperles Großvater vor rund 70 Jahren gebaut.

Einige Meter weiter bot Ernst Hitzer Edelobstbrände, Liköre und Obstbrände an, die er aus den Früchten seiner Streuobstwiesen hergestellt hat. Über 200 Obstbäume gehören Ernst Hitzer, die er alle pflegt und aberntet. Daran wurde für die Besucher deutlich, dass der Weg der Früchte in die Flasche mit einer immensen Arbeit verbunden ist. Ebenso wie die Obstbrände, der Zwetschgenkuchen oder die Neidlinger Mambela, die von den Landfrauen gebacken und verkauft wurden, sind viele lokale Produkte und Handwerkskünste, die auf dem Markt angeboten wurden und vertreten waren, eng mit dem Landstrich und der Kulturlandschaft verbunden.

Der Zwetschgenmarkt ist Teil der örtlichen Kulturgeschichte, wie Rosemarie Rieker betonte, die sich vor über vier Jahrzehnten mit den Landfrauen dafür stark machte, dass der Neidlinger Markt wiederbelebt wurde. „Er stellt geschichtliche Bezüge her und fördert die lokale Identifikation“, erklärte sie. Margrit Veigel, die am Samstag Töpferware verkaufte, berichtete, dass jüngere Besucher kaum noch Pfitzauf, eine windbeutelähnliche schwäbische Spezialität, die in Steingutformen gebacken werden, kennen würden. Viele würden beim Blick auf die Backform an eine Muffinform denken. Über die Tonwaren, die seit vielen Jahren fester Bestandteil des Marktes sind, werde deshalb nicht nur die Erinnerung an das schwäbische Eiergebäck bewahrt, sondern auch das Bewusstsein für Regionalität und Heimat gefördert, wie Veigel betonte, die deshalb seit 1972 so gut wie jedes Jahr beim Markt vertreten ist.

Neben allerhand Spielzeug und Kleidungsstücken, konnten die Besucher bei Beate Grüning auch Dekogegenstände aus Treibholz kaufen. „Aus dem Holz mache ich beispielsweise Kränze und Tischlampen“, erzählt sie. „Hier in der Gegend gibt es allerdings kein Treibholz, ich sammle es deshalb unter anderem an der Iller.“

Klara Kutteruf betonte, dass der Markt ein Treffpunkt ist, der Austauschmöglichkeiten schafft. „Ich begegne hier unter anderem auch immer wieder Menschen die ich vor Jahren auf dem Markt getroffen habe“, erzählt sie. Gleichzeitig wurde am Samstag auch das 40-jährige Bestehen des Erkenbergbrunnens gefeiert, der unter Bürgermeister Ulrich Rieker gebaut wurde, um das Ortsbild zu verschönern. Am Sonntag fand dann noch das Zwetschgenmarktfest statt, das ebenfalls regen Zulauf fand.