Lokales

Am Status quo hat sich nichts geändert

Datenschutz: Keine Rechtsgrundlage für Befliegung – Innenministerium und kommunale Dachverbände widersprechen

Dürfen Kommunen Luftaufnahmen zur Ermittlung einer gesplitteten Abwassergebühr auswerten? Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, sagt der Landesdatenschutzbeauftragte. Das Innenministerium ­widerspricht – und Bürger ­gehen auf die Barrikaden.

Lenningen. Rolf Hirsch aus Brucken sieht sich durch die Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz, Jörg Klingbeil, in seiner Auffassung bestätigt. Klingbeils Juristen sagen ganz klar, aus datenschutzrechtlicher Sicht sind Luftbilder zur Ermittlung der kommunalen Abwassergebühren nicht zulässig. In einer detaillierten Stellungnahme begründeten sie ihre Haltung mit dem Landesdatenschutzgesetz, dem Kommunalabgabegesetz und der Abgabenordnung.

Nach dem Landesdatenschutzgesetz ist die „Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat.“ Eine solche Rechtsgrundlage gebe es nicht.

„Es geht darum, zunächst bei den betroffenen Bürgern Auskünfte einzuholen“, sagt Peter Diekmann, der stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz. „Der Betroffene ist ganz vorne anzustellen.“ Erst wenn die Ermittlungen der Daten beim Bürger erfolglos wären, könnten die Behörden auf Daten anderer Behörden zurückgreifen oder Luftaufnahmen auswerten. Laut Peter Diekmann sei dies für die Gemeinden und Städte „verhältnismäßig und zumutbar“. So aber stellten die von den Gemeinden vorgenommenen Erhebungen über Luftaufnahmen Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar. Dafür fehle nach Auffassung des Landesdatenschützers jede Rechtsgrundlage.

Das kritisiert auch Rolf Hirsch. „Das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger wurde als Grundrecht verletzt. Der Bürger hätte vor der Befragung gefragt werden müssen oder ein Gesetz hätte die Befliegung speziell regeln und den Datenschutz hierbei berücksichtigen müssen. Beides ist nicht geschehen. Die Vorgehensweise ist nicht professionell und nicht akzeptabel“.

Dem Rechtsanwalt Hirschs, Dr. Michael Wackenhuth vom Stuttgarter Büro Wackenhuth und Unterriker, ist die Rechtsgrundlage für eine Befliegung erst recht nicht ersichtlich. Er verweist auf das Grundgesetz, Artikel 20, Absatz 3, aus dem hervorgeht, „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“. Als kritisch erachtet es der Jurist auch, dass kein Mensch wisse, für welche Zwecke Behörden die Luftbildaufnahmen noch verwenden würden.

Wackenhuth appelliert deshalb an die Städte und Gemeinden, die Befliegung nicht zur Grundlage der neuen Abwassergebühr zu machen. Andernfalls müsste das Verwaltungsgericht beziehungsweise der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim aufgrund einer Feststellungsklage die Fronten klären.

Die jedoch sind verhärtet, denn das Innenministerium hält nach wie vor – das Thema ist bereits über ein halbes Jahr virulent – den Kommunen die Stange. „Das ist alles rechtmäßig und darf von den Städten und Gemeinden auch so weitergeführt werden“, bestätigte Günter Loos, ein Sprecher des Innenministeriums, dessen konträre Ansicht. Die Rechtsauffassungen seien eben unterschiedlich.

„Die Kuh ist auf dem Eis. Jetzt müssen wir sehen, wie wir sie da herunterbekommen.“ Weitere Schritte würden geprüft. Der Landesdatenschutzbeauftragte sei deshalb um einen Gesprächstermin gebeten worden, an dem auch Vertreter des Städte- und des Gemeindetags teilnähmen.

„Wir möchten Klarheit haben“, sagte die Pressesprecherin des Gemeindetags, Iris Bohlen.

Um wie viel mehr dürfte dies für die baden-württembergischen Kommunen gelten? „Die Befliegung im Verwaltungsraum Weilheim ist erfolgt. Wir sind am Ende unserer Datenauswertung“, sagte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle ges­tern. Er verließ sich, wie alle seine Kolleginnen und Kollegen auf die Aussage des Innenministeriums. „Das ist unsere oberste Rechtsaufsicht und die hat gesagt, die Befliegung ist zulässig.“ Ansonsten seien ihm keine neuen Tatbestände bekannt.

Für den Bürgermeister jedenfalls, und nicht nur für ihn, wäre es sehr bedauerlich, wenn die Rechtsauffassung des Innenministeriums „kassiert“ werden würde. „Dann hätte dies den Steuerzahler viel Geld gekos­tet und wir müssten vermutlich nochmals von vorne beginnen“, malte Johannes Züfle das Schreckgespenst aller Gemeindeverwaltungen an die Wand. „Es sei denn, es gäbe eine Möglichkeit, sozusagen im Nachtrag eine Rechtsgrundlage durch das Parlament zu schaffen.“