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Bei manchen ist die Schmerzgrenze erreicht

Die Renaturierung des Schlierbacher Sees soll rund eine Million Euro kosten

Mit der Renaturierung des Schlierbachers Sees soll die Wasserqualität verbessert und so ein sommerliches Umkippen des Sees verhi
Mit der Renaturierung des Schlierbachers Sees soll die Wasserqualität verbessert und so ein sommerliches Umkippen des Sees verhindert werden.Foto: Jean-Luc Jacques

Hohe Kosten und ungeklärte Haftungsfragen: Die Entwurfsplanung für die Renaturierung des Schlierbacher Sees stieß nicht bei allen Gemeinderäten auf Zustimmung, sondern sorgte für eine engagierte ­Diskussion.

Volkmar Schreier

Schlierbach. Rund eine Million Euro soll die Renaturierung des Schlierbacher Sees nach dem in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorgestellten Entwurf kosten. Immerhin ist der Gemeinde ein Zuschuss in Höhe von 90 000 Euro durch die Region Stuttgart in Aussicht gestellt worden. Ziel der Renaturierung soll neben einer Aufwertung der Ortsmitte sein, die Wasserqualität im See zu verbessern und so ein sommerliches Umkippen des Sees zu verhindern.

Thomas Kusche vom Architekturbüro Geitz und Partner, das für die Planung verantwortlich zeichnet, stellte zunächst noch einmal den aktuellen Planungsstand vor. „Kernstück ist es, den See auf etwa 2,50 bis drei Meter zu vertiefen“, so Kusche. Dazu muss der See ausgebaggert werden. Das Seeufer soll wiederum flach ausgebaut werden, um den See erlebbarer zu machen. Die Planung sieht im Weiteren vor, das Wegenetz rund um den See neu zu strukturieren und einen Rundweg anzulegen. Komplettiert werden soll die gesamte Maßnahme durch weitere Anpflanzungen und rund um den See verteilte Sitzgelegenheiten. Am Nordostufer des Sees soll außerdem ein in die Wasserfläche herausragendes Holzdeck dazu einladen, die Füße im Wasser baumeln zu lassen.

An diesem Holzdeck reibt sich aber nun die Versicherung der Gemeinde, die hier besonders im Winter eine Gefahr für spielende Kinder sieht und hierfür das Haftungsrisiko nicht übernehmen will. Denn spielende Kinder, so die Befürchtung der Versicherung, könnten entweder vom Holzdeck in das nach der Planung an dieser Stelle 50 Zentimeter tiefe Wasser fallen oder im Winter direkt auf die Eisfläche gehen und einbrechen. Auch das Aufstellen von Warnschildern würde die Gemeinde nicht von der Haftung freistellen, wie die Versicherung nach Durchsicht der Pläne mitteilt. Einzig ein Geländer könnte hier Abhilfe schaffen.

In der Diskussion des Planentwurfs zeichneten sich dann auch schnell zwei grundsätzliche Konfliktlinien ab. Neben der ungeklärten Haftungsfrage erschien so manchem Gemeinderat der Preis für die Renaturierung zu hoch. „Eine Million ist mir eine Hausnummer zu groß“, befand etwa Ralf Dreizler (FUW), der die Renaturierung zwar grundsätzlich begrüßte, gleichzeitig aber auch darauf hinwies, dass sich die haftungsrechtlichen Fragen nicht nur auf den aktuell von der Versicherung angemahnten Problempunkt Holzdeck beschränken würden. So sei beispielsweise nicht geklärt, was im Winter bei zugefrorenem See passiere.

Auch Jörn Feldsieper (FUW) fand, dass zu viel Geld im See vergraben werden würde: „Meine Schmerzgrenze ist irgendwo zwischen 300 000 und 500 000 Euro – eine Million ist zu teuer.“ Dieses Geld könnte im Sinne der Nachhaltigkeit besser eingesetzt werden, so Feldsieper. „Das Geld ist beispielsweise bei der energetischen Sanierung von Gemeindegebäuden sinnvoller investiert.“ Vielmehr sollte über billigere Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität im See wie etwa ein Fütterungsverbot für Enten oder ein Abschalten der Wasserfontäne nachgedacht, umgesetzt und das Ergebnis in zwei Jahren bewertet werden.

Auch die ungeklärten Haftungsfragen stimmten Feldsieper bedenklich. Spinne man den Gedanken der Versicherung weiter, müsse man im Winter das Betreten der Eisfläche verbieten – Schlittschuhlaufen, Eishockey oder Eisstockschießen seien dann unmöglich, so seine Schlussfolgerung, was Rainer Waldenmayer (CDU) zu der rhetorischen Fragestellung verleitete, ob in Zeiten der Klimaerwärmung der See überhaupt noch einmal zufriere. „Das kann doch nicht das Entscheidungskriterium sein.“

Auch sein Fraktionskollege Marco Emmert sprach sich klar für den vorgelegten Plan aus und merkte an, dass eine Sanierung irgendwann in der Zukunft auch nicht billiger werden würde. Auch die Haftungsfrage könne geklärt werden: „Die Versicherung hat ja nur ein Problem mit dem Holzdeck.“ Die Argumentation mit der Haftungsproblematik im Winter „ziehe nicht wirklich“.

Kurt Moll (CDU) wollte den Einspruch der Versicherung ebenfalls nicht zu hoch hängen. Das müsse einfach mit der Versicherung genauer abgeklärt und eventuell die Seetiefe im Bereich des Holzdecks angepasst werden. Viel wichtiger sei, dass nun endlich Nägel mit Köpfen gemacht würden: „Im Sommer hat sich der See immer in eine stinkende Kloake verwandelt.“ Sicherlich seien die Kosten für die Renaturierung hoch, aber: „Wenn man so was angeht, muss man es eben richtig machen.“ Im Übrigen sei ein Blick zurück in die Vergangenheit angebracht. „Früher, bevor der See teilweise aufgefüllt wurde, war das Wasser besser“, so Moll. „Die Diskussion fing doch damals erst an, als die Kuh im See ersoffen ist.“

Letztendlich beschloss der Gemeinderat mehrheitlich, die vorgelegte Planung weiterzuverfolgen. Jörn Feldsieper, Ralf Dreizler und August Leins stimmten ebenso dagegen wie Bürgermeister Paul Schmid, der dies mit dem finanziellen Aufwand und den haftungsrechtlichen Fragen begründete. Der weitere Zeitplan sieht nun vor, die haftungsrechtlichen Fragen zu klären und eine Vergabe der Sanierungsarbeiten im Juli dieses Jahres anzustreben. Dann könnte im Oktober noch mit der Renaturierung begonnen werden.