Lokales

Blick auf den Torso tut weh

Kletterer bedauern Felsabbruch am Wielandstein – Der Gemeinde liegt die Ruine als Ausflugsziel am Herzen

Manchem Kletterer, der auf dem Gipfel des Wielandsteins schon die Ruhe und die Aussicht genossen hat, wird noch im Nachhinein schwindlig. Seitdem große Massen des Felsens vergangene Woche ins Tal gedonnert sind, fehlt eine Wand des einstigen Klettereldorados komplett.

Ruine Wielandstein Felssturz - gesperrt
Ruine Wielandstein Felssturz - gesperrt

Lenningen. Nachdem die Nachricht vom Felssturz am Wielandstein durch die Medien gegangen war, setzte am vergangenen Wochenende auf der Lenninger Alb eine regelrechte Völkerwanderung ein. Kenner des Gebiets stiegen über das Tobelwegle hinauf, um aus sicherer Entfernung einen Blick auf den abgebrochenen Felsen zu erhaschen. So beispielsweise Manfred und Tytti Maaß aus Esslingen, die aus der Zeitung von dem Naturereignis erfahren haben. „Wir sind heute extra anders als sonst gegangen. Es hat uns interessiert, wie der Felsen nach dem Abbruch aussieht“, sagt Maaß.

Viele machen sich auf, um das „Corpus Delicti“ vom Albtrauf aus zu sehen. Bei Kletterern kommt Wehmut auf beim Anblick des schwer in Mitleidenschaft gezogenen Felsens. „Das tut weh“, sagt Anton Schustek. „Als Kletterfels ist er erledigt“, mutmaßt der 60-Jährige. Mit dem Wielandstein verbindet der Jesinger eine Menge, unternahm er an dem Felsen doch seine ersten Kletterversuche, bevor es später in hochalpines Gelände ging. Auch Jürgen Leitz, Leiter von Kletterkursen des Deutschen Alpenvereins, unterstreicht die Besonderheit der Burgruine: „Dort sind viele einfache Routen“, sagt er. „Es ist der einzige Fels in der Umgebung mit Gipfel. Etwas Vergleichbares gibt es hier nicht.“

Einen besonderen Stellenwert hat der Felsen für zahlreiche Lenninger: Kerstin Kuntz, Brigitte Goedeckemeyer und Saskia Lehmann, die mindestens einmal pro Woche die Turnschuhe schnüren und vom Tal aus den Wielandstein umrunden, verbinden wie viele andere mit dem Oberlenninger Wahrzeichen Kindergeburtstage, Ausflüge und (Nacht-)Wanderungen. „Das Bild, das man von der Ruine von klein auf im Kopf hatte, stimmt jetzt einfach nicht mehr“, bedauert Saskia Lehmann.

Falk Kazmaier erinnert sich noch gut daran, wie er als kleiner Bub regelmäßig am Wielandstein gekraxelt ist. „Als ich etwas älter war, bin ich dort mit meinen Freunden oft rumgestrolcht.“ Auch seine beiden Kinder und den Nachwuchs von Freunden hat er am Wielandstein ans Klettern herangeführt. Den Felssturz sieht er aber nüchtern: „Wenn es solche Abbrüche nicht gäbe, wäre der Albtrauf ja heute noch auf den Fildern.“

Markus Bosler, passionierter Kletterer, hat den Wielandstein als Eldorado nicht nur für seine sechsköpfige Familie geschätzt. Durch seinen Anruf bei Revierförster Alexander Klein vergangene Woche hatte er im übertragenen Sinn den Stein ins Rollen gebracht. Entgegen anders lautender Meldungen entdeckte der Oberlenninger den Felsabbruch bereits am Montag. „Generationen haben am Wielandstein das erste Mal Kletterluft geschnuppert“, so Markus Bosler. An schönen Wochenenden sei der gesamte Fels mit einem Spinnennetz von Seilen überzogen gewesen.

Fabian Bosler, der älteste Sohn der Familie, verknüpft mit dem Wielandstein wie seine drei Brüder – allesamt erfolgreiche Kletterer – ebenfalls Erinnerungen an seine Kindheit. „Das war wie eine Art Spielplatz für uns.“ Im Innenraum mit seinen leichteren Routen, an der angrenzenden Feuerstelle und im Wald ringsum hätte sich die Familie manchmal einen ganzen Tag lang aufgehalten. – Der Grundstein für die Höchstleistungen in der Vertikalen wurde am Wielandstein gelegt. Neben der Teilnahme an Europa- und Weltmeisterschaften kann Fabian Bosler den Gewinn einer deutschen Meisterschaft im Speedklettern vorweisen. Eine der ehemals 41 Routen am Wielandstein hatte der heute 23-Jährige selbst eingebaut, nachdem es 2007 einen Ausbruch von 50 Kubikmetern Fels gegeben hatte. Doch diese Route ist seit dem Abriss von vergangener Woche wie andere an der Nordwand Geschichte.

Revierförster Klein appelliert indes an die Vernunft der Wanderer, die großräumige Absperrung zu beachten. „Man weiß nicht, ob Gesteinsbrocken nachkommen.“ Die von den Felskolossen umgeworfenen Bäume werden weitgehend liegen bleiben, so der Förster. Schon vor einigen Jahren sei der Bereich aus der Nutzung genommen worden. Wie der Förster betont, liegt der Gemeinde die Ruine als Ausflugsziel am Herzen. Gestern haben sich zwei Esslinger Bauingenieure mit dem Förster und dem Leiter des Tiefbauamts vor Ort kundig gemacht. „Wir waren nicht in der Felswand, deshalb können wir noch nicht viel über die Zukunft des Kletterfelsens sagen“, erläutert der Bauingenieur Bernd Göhner. Das Risiko müsse abgeklopft werden, ebenso ob es möglich und sinnvoll sei, den Fels beispielsweise durch Mörtel oder Netze zu sichern. Nun werde der Gemeinde ein Angebot für eine Untersuchung unterbreitet.

Seit dem Felssturz vergangene Woche präsentiert sich der Wielandstein zum Tobeltal hin mit offener Flanke. Das Klettern ist erst
Seit dem Felssturz vergangene Woche präsentiert sich der Wielandstein zum Tobeltal hin mit offener Flanke. Das Klettern ist erst einmal passé und das Gebiet auch für Wanderer weiträumig abgesperrt. Fotos: Anke Kirsammer/Markus Brändli