Lokales

Das wilde Kirgistan und seine mutigen Frauen

Miriam Leuze zeigt ihre „Flowers of Freedom“ – Filmpremiere im Central Kino

Im Rahmen der Frauenkulturtage hatten die Kirchheimer eine seltene Gelegenheit: Sie konnten den Film „Flowers of Freedom“ der aus Kirchheim stammenden Filmemacherin Miriam Leuze vor dem bundesweiten Kinostart und direkt nach der Uraufführung bei der Berlinale anschauen.

Kirchheim. Großer Andrang herrschte am Freitagabend vor dem Kirchheimer Central Kino. „Wir werden den Film nochmals zeigen“, tröstete Eberhard Frech jene, die keinen Platz mehr ergattern konnten. „Wie damals bei Dirty Dancing“, meinte ein Nachbar. Mit „dirty“ lag er gar nicht so falsch, denn der Film, hat mit schmutzigen Geschäften zu tun. Aber nicht bloß.

Sicher spielt der Heimvorteil der Filmemacherin Miriam Leuze auch eine Rolle für das große Interesse. Sie lebt seit 20 Jahren in Köln, ist aber in Kirchheim aufgewachsen.

„Es war der schönste Moment seit der Berlinale, als ich sah, wie sich der Saal füllte“, sagte Miriam Leuze und freut sich darüber, „dass es in Kirchheim zwei so besondere Kinos gibt.“

Vorab erklärte sie, dass sie zwischen 2007 und 2011 alleine in Kirgistan, dem zentralasiatischen, ehemaligen Sowjetstaat unterwegs war. Ohne Übersetzer, ohne Finanzierung und ohne Fördermittel. Lediglich private Unterstützer, unter anderem aus ihrem Kirchheimer Freundeskreis, machten dieses Projekt möglich.

„Flowers of Freedom“ handelt von einer Gruppe kirgisischer Frauen, allen voran die Hauptakteurin Erkingül, die sich nach einem Unfall mit einem Zyanidlaster im Jahr 1998 bei der Goldmine Kumtor für die Opfer stark machen. Die Frauen gründen die Umweltorganisation „Karek“ und kämpfen unbeirrt und mutig für die Bewohner der Region, ihre Rechte, die Umwelt, für Freiheit und für Gerechtigkeit.

Miriam Leuze macht aus ihrem Film keine distanzierte Dokumentation mit Sprecher im Hintergrund. Die Kamerafrau steht im Dialog mit ihren Akteuren, die auch mit ihr scherzen, sie auffordern, doch das „wilde Kirgistan“ zu zeigen. „Filme doch, wie wir das Schaf schlachten“, rufen sie ihr augenzwinkernd zu. Sie zeigt, „die Mädchen“, wie sie sich selbst nennen, bei der Vorbereitung von Aktionen und Verhandlungen, aber auch bei normalen Alltagsarbeiten. Beispielsweise die spröde Sakisch, die Schüsseln spült und als erste Frau im Dorf Auto fahren lernte. Oder Tamara, die berichtet, während sie Teig ausrollt, wie ihre Krankenakte nach dem Zyanidunfall verschwand, sodass sie nie eine Entschädigung fordern konnte. Sie fragt: „Wenn wir nichts tun – wer dann?“

Miriam Leuze zeigt die Frauen, wie sie sind: stark und verletzlich, wenn sie sich mutig zu Wort melden und sich nicht von Polizei und Sicherheitsleuten einschüchtern lassen. Wenn sie mit den Tränen kämpfen, während sie davon berichten, wie sie bedroht wurden. Aber auch aufgeregt, als sie nach dem politischen Umsturz in Kirgistan Orden verliehen bekommen. „Was ziehe ich an?“ „Sitzt mein Lidstrich?“ „Ich trage höchstens eine neue Jeans!“ Und die stolz sind, dass sie ihren eigenen Weg gehen. Nicht selbstverständlich in Kirgistan. Asel, die nach dortiger Tradition von einem Mann „geraubt“ und vergewaltigt wurde und die sich von ihm trennte, obwohl sie nach dem Gesetz dennoch als ledig gilt und weder für sich noch das Kind Unterstützung bekommt. Und natürlich Erkingül, die inzwischen als Abgeordnete der Sozialdemokraten im Parlament sitzt.

Die Portraits geraten unaufgeregt, aber dafür um so eindringlicher. Auch in komischen Szenen gibt Miriam Leuze ihre „Mädchen“ nie der Lächerlichkeit preis. Ihre Bilder sind ruhig, manchmal, als hingen Landschaftsbilder an der Wand.

Die Zuschauer waren vom Film beeindruckt und beteiligten sich dann auch engagiert am von Barbara Ibsch moderierten Gespräch mit der Filmemacherin. „Gold ist ein schmutziges Geschäft“, sagte Miriam Leuze und empfahl, dass Schmuckfreunde nach recyceltem Gold fragen sollten. Sie berichtete, dass die Frauengruppe etwas zerfallen ist, da Erkingül als Politikerin sehr unter Druck steht und weil Asel nach Russland ging, da sie im armen Kirgistan nicht über die Runden kam.

Am Schluss des Filmes wollten die Frauen in landestypischen Kostümen auf Pferden übers Gras reiten. „Zeig, dass wir nicht nur demonstrieren! Kirgistan ist ein schönes Land!“