Lokales

Der Bock und der Gärtner

Von einem Spielhallenbesitzer zu erwarten, dass er seinen Gast auf die Gefahr des Automatenspiels hinweist, ist ungefähr dasselbe, als wenn man einen Wirt dazu aufforderte, dem Stammtrinker einen Flyer der Anonymen Alkoholiker in die Hand zu drücken. In Einzelfällen mag sich der Wirt dazu verpflichtet fühlen, ebenso wie der Spielhallenbesitzer, aber in den meisten Fällen wird die wirtschaftliche Vernunft siegen. Oder die Tatsache, dass die Grenze zur Sucht fließend ist und es viel Feingefühl bedarf, um zu erkennen, wann sie überschritten wird.

Eine Schulung wird daran wenig ändern. Das Konzept krankt nicht nur daran, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird. Ein paar Stunden sind auch schlicht zu wenig, um zu Mitarbeitern durchzudringen, die – wie es bei Spielhallenpersonal häufig der Fall ist – selbst süchtig sind. Und dazu noch häufig wenig deutsch sprechen. Die Mitarbeiter der Suchtberatungsstelle tragen daran keine Schuld. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als die Maßnahme aus dem Landesglücksspielgesetz umzusetzen.

Die Schulungsverpflichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Glücksspielanbietern ist ein hilfloser Versuch, der grassierenden Glücksspielsucht Einhalt zu gebieten. Hätte es schon früher strengere Abstandsregelungen für Spielhallen gegeben, wie sie nun im Landesglücksspielgesetz verankert worden sind, wäre eine solche Maßnahme vielleicht nie nötig geworden. Das Land hat es versäumt, den Kommunen rechtzeitig Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie die Ausbreitung von Spielhallen ver­hindern oder zumindest eindämmen können. Wie es nicht sein sollte, kann man in Kirchheim besichtigen: 13 Spielhallen gibt es dort, und weil die Etablissements vorerst Bestandsschutz genießen, wird sich daran trotz des strengeren Gesetzes bis 2017 vermutlich nichts ändern. Bis dahin können noch viele Spieler die Existenz ihrer Familien aufs Spiel setzen. ANTJE DÖRR