Lokales

Der schönste Ort von Serbien

Ausstellung im Städtischen Museum im Kornhaus: Von Bulkes nach Kirchheim

Magli´c ist ein Dorf in Serbien. Bis 1949 hieß es Bulkes, gegründet wurde es 1786 von deutschen Siedlern. Viele von ihnen fanden nach 1945 im deutschen Südwesten eine neue Heimat. Bis 29. Juni erinnert das Städtische Museum im Kornhaus an die Geschichte des Orts und der Heimatortsgemeinschaft Bulkes.

Schatzkammer und Schlüssel zu Erinnerungen: Die Ausstellung im Kornhaus spricht Menschen mit und ohne Bezug zu Bulkes an.Foto: J
Schatzkammer und Schlüssel zu Erinnerungen: Die Ausstellung im Kornhaus spricht Menschen mit und ohne Bezug zu Bulkes an.Foto: Jörg Bächle

Peter Dietrich

Kirchheim. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt bei Fotografien und Texten, denn bei ihrer Vertreibung und Internierung konnten die Menschen nur wenig mitnehmen. Zur Ausstellung gehört eine leere Vitrine: Ehemalige Bulkeser und deren Nachfahren sind zu weiteren Leihgaben aufgefordert. Sie erhalten diese nach dem Ende der Ausstellung zurück.

Für Menschen mit persönlichem Bezug ist die Ausstellung eine Schatzkammer, ein Schlüssel zu Erinnerungen. Lohnt sie auch für andere? Ja, denn es ist interessant, wie völlig anders Menschen noch vor ein paar Jahrzehnten gelebt haben. Wie sie Hanf, das „weiße Gold der Batschka“, anbauten, sich zum Kukuruzstrippen trafen, also zum Freilegen der Maiskolben. Hochzeiten wurden drei Tage lang gefeiert, natürlich mit Hinkelsuppe, also Hühnersuppe. Konfirmiert wurde mit zwölf Jahren, danach begann für manchen schon das Arbeitsleben. Der gesellschaftliche Zusammenhalt war ein ganz anderer als heute.

18 Jahre lang wurde die Geschichte des Ortes in der Bulkeser Heimat­stube in der Kornstraße 4 präsentiert. Vor zwei Jahren wurde diese aufgelöst, die Objekte kamen in die Bestände des Stadtarchivs. Nun werden sie erstmals im Städtischen Museum im Kornhaus präsentiert, zu weit umfassenderen Öffnungszeiten als in der früheren Heimatstube. Anlass ist das 33. Heimattreffen der Bulkeser, das seit 1954 alle zwei Jahre in Kirchheim stattfindet.

Zur Ausstellungseröffnung waren auch Vertreter aus Magli´c gekommen. Denn seit 2006, als Franz Jung – langjähriger Vorsitzender der Heimatsortsgemeinschaft Bulkes – erstmals Kontakt mit der Gemeindevertretung von Magli´c aufnahm, steht die Arbeit der Heimatortsgemeinschaft Bulkes unter dem Zeichen der Versöhnung. Die Bürger, sagte Magli´cs Bürgermeister Rajko Peri´c, seien bemüht, die Tradition und die schöne Umgebung zu bewahren. „Sie sind stolz darauf, sagen zu können, dass Bulkes und Magli´c der schönste Ort von Serbien ist.“

1966 hat Kirchheim die Patenschaft für die Bulkeser übernommen. Die wechselvolle Geschichte der Gemeinde Bulkes, sagte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bei der Ausstellungseröffnung, sei ein fester Bestandteil der Nachkriegsgeschichte von Kirchheim. „Die Übergabe der Objekte in unsere Obhut ist ein besonderer Vertrauensbeweis und eine Verpflichtung.“ Rund 7000 Heimatvertriebene seien nach Kirchheim gekommen, manche von ihnen hätten die Stadt nachhaltig geprägt. Jakob Engel, der jahrelang im Gemeinderat und im Kreistag saß, ergriff die Initiative für den zweiten Bauabschnitt der Siedlung Pfaffenhalde. In 20 neuen Häusern fanden auch vier ehemalige Bulkeser eine neue Heimat. Engel organisierte zusammen mit Peter Mahler das erste Heimattreffen, 1951 noch in Holzmaden.

Für die Heimatortsgemeinschaft Bulkes sprach Sibylle Hoffmann-Zeller. Sie hatte mit ihrem Vater die Auflösung der Heimatstube organisiert und mit ihm die Vorbereitung der jetzigen Ausstellung unterstützt. Die Geschichtsschreibung in den Schulbüchern in Deutschland und Serbien,

sagte sie, sei die eine Sache. Die Auswirkungen auf das ganz persönliche Leben eine andere. Deshalb müsse Bulkes „am Leben erhalten“ werden.

Sie und ihre Geschwister seien neugierig gewesen, „wo unser Papa denn aufgewachsen ist“. Doch jahrzehntelang habe er nicht nach Magli´c reisen wollen. Erst 2001 war es so weit. Zehn Jahre später zeigte er seinen Kindern erstmals sein Heimatdorf. „Seitdem lässt es auch mich nicht mehr los.“ Groll und Rache brächten die Heimat und die Toten nicht mehr zurück. „Aber als Pflicht bleibt, das alles nicht zu vergessen.“

Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek erinnerte daran, dass nicht nur das Ende, sondern auch der Anfang von Bulkes für die Siedler sehr schwer war. Über Ulm und Wien reisten die Auswanderer mit den berühmten „Ulmer Schachteln“ auf der Donau flussabwärts. Die Sterblichkeitsrate war hoch. Bulkes wurde als schachbrettartige Ansiedlung auf dem Reißbrett entworfen, in der Mitte die Kirche, das Pfarrhaus, das Rathaus und die Schule. Im Lauf von 150 Jahren entwickelte sich ein blühendes Gemeinwesen. Auch zu den künftigen Pfingsttreffen der Heimatortsgemeinschaft, versicherte Schwarzenbek, werde es im Stadtmuseum Ausstellungen geben, mit immer neuen Themen.

 

Die Ausstellung „Alte Heimat und Neuanfang – Von Bulkes nach Kirchheim unter Teck 1786 bis 2014“ ist bis Sonntag, 29. Juni, zu sehen. Geöffnet ist dienstags von 14 bis 17 Uhr, mittwochs bis freitags von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr und samstags, sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am Mittwoch, 11. Juni, um 18  Uhr gibt es unter dem Titel „Ehe die Spuren verwehen“ im Kornhaus eine Lesung und ein Gespräch mit dem Autor Heinrich Hoffmann.