Lokales

Der springende Punkt beim Springerle

Ingeborg Hölzle lüftet in ihren Kursen das Geheimnis des schwäbischen Traditionsgebäcks

Ingeborg Hölzle (vierte von links) erklärt den Teilnehmerinnen ihres Backkurses, was alles bei der Herstellung des traditionelle
Ingeborg Hölzle (vierte von links) erklärt den Teilnehmerinnen ihres Backkurses, was alles bei der Herstellung des traditionellen schwäbischen Gebäcks zu beachten ist. Fotos: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Das Geheimnis weicher Springerle – das interessiert rund ein Dutzend Frauen. Erwartungsvolle Freude macht sich in der Küche der Kirchheimer Familien-Bildungsstätte breit und Ingeborg Hölzle kommt dann auch ohne lange Umschweife auf den Kern der Angelegenheit zu sprechen: das Rezept. Kaum ist es verteilt, erfüllt das Gebrumm vieler Küchenmaschinen den Raum, und die Kursleiterin hat Schwierigkeiten, sich bei dem Lärm Gehör zu verschaffen, denn schnell zeigt sich im Praxistest, was man besser machen könnte und wie der perfekte Teig aussieht. Damit sich schöne hohe Füßchen bilden, rät sie zu einer Messerspitze Hirschhornsalz. Doch was ist eine Messerspitze? „Das ist so eine Sache. Zu viel sollte es nicht sein, sonst laufen die Springerle auseinander“, so die Hobbybäckerin. Die Teilnehmerinnen staunen jedoch nicht schlecht, als Ingeborg Hölzle recht ordentlich mit ihrem breiten Tafelmesser zulangt.

„Wichtig ist eine gute Schaummasse. Sie muss richtig cremig geschlagen werden, damit sich Luftbläschen bilden“, erklärt die Kursleiterin. Nächster wichtiger Punkt: Ja nicht das Mehl – es muss auf jeden Fall Weizenmehl sein – unterkneten, wie es in vielen Rezepten steht. „Die luftige Struktur des Teigs geht sonst verloren“, verdeutlicht sie. Deshalb rühren die Frauen das Mehl mit der Küchenmaschine unter, wobei Fingerspitzengefühl auch hier nicht von Nachteil ist. „Ganz ohne Kneten geht‘s nicht“, lautet der Tipp für den Feinschliff.

Die erste Hürde ist jetzt geschafft, der Teig darf etwa eine halbe Stunde ruhen. Derweil erzählt Ingeborg Hölzle von ihrer Leidenschaft Springerle. Den Grundstock dafür legte die Großmutter, die ihr schon als Kind die Kunst des Springerlebackens beigebracht hat und deren Model sie besitzt. Auch Springerle-Motive sind der Mode unterworfen und erzählen nicht selten eine Geschichte. Symbole und biblische Szenen finden sich ebenso wie Jahreszeiten oder Tiere, Blumen und Menschen bei Alltagsszenen – oder ein Auto. Immer kreieren Modelstecher neue Motive, weshalb das selbst gesteckte Ziel von Ingeborg Hölzle, nicht mehr als zwei Model pro Jahr zu kaufen, selten eingehalten wird. „Die Schnitzer stellten das dar, was sie in ihrem Umfeld vorfanden“, so Ingeborg Hölzle. Nicht selten fertigten die Konditoren ihre Model selbst her. „Mein Großvater hat das noch können müssen. Ich habe noch Rohlinge aus Birnenholz von ihm. Die Motive waren die Fotografien der damaligen Zeit“, bestätigt Wolfgang Moser. Auch besondere Gebäude einer Stadt oder Region wurden auf diese Weise verewigt. So besitzt das seit über 150 Jahren bestehende Kirchheimer Café Moser beispielsweise unter anderem einen Model, der die Burg Teck noch mit ihrem alten Turm zeigt. Diese Tradition lässt die Stadt Kirchheim wieder aufleben. Sie gab zwei Motive in Auftrag: Rathaus und Martinskirche. Mit diesen Modeln wird nun kräftig gebacken. Die Resultate gibt es auf dem Kirchheimer Weihnachtsmarkt am Stand der evangelischen Kirchengemeinde. Sie werden zugunsten der Dachrenovierung verkauft.

Springerle sind in Süddeutschland einschließlich Franken, in Teilen Österreichs und der Schweiz sowie im Elsass zu Hause, anderswo ist es gänzlich unbekannt, obwohl schon die alten Ägypter ihr Gebäck mit Modelformen verzierten. Konnten sich früher nur Reiche süßes Naschwerk leisten, änderte sich dies mit der Verbreitung der Zuckerrüben und der damit verbundenen industriellen Zuckerherstellung. „Springerle gab es das ganze Jahr, nicht nur an Weihnachten. Es war ein Festtagsgebäck“, verrät Ingeborg Hölzle. Das gab es bei Hochzeiten, Taufen und auch an Ostern. Brautpaare erhielten beispielsweise das Motiv Herz und Taube

Der Theorieteil geht seinem Ende zu, die Frauen sind gespannt, wie sie nun mit Teig und Model zurechtkommen. Auch hier gibt es einiges zu beachten. Der Teig sollte etwa 0,75 Zentimeter dick ausgewellt werden, das Blech mit wenig Butter ausgerieben sein – sonst bekommt das Gebäck unerwünschte Fettflecken – auf das dann ein paar Anissamen kommen. „Ein wichtiges Handwerkszeug ist der Mehlpinsel. Den Model sollte ein feiner Mehlfilm bedecken, damit der Teig nicht reinklebt“, erläutert Ingeborg Hölzle. Damit die Springerle aber klare Konturen bekommen, muss der Model wieder ausgeklopft werden. Ist die Form geglückt, muss mit einem scharfen Teigschaber oder Messer die Kontur nachgeschnitten beziehungsweise die einzelnen Springerle voneinander getrennt werden. „Man sollte keine zu großen Platten auswellen, denn der Teig wird schnell trocken und das darf nicht sein“, rät die Kursleiterin. Deshalb sollten noch nicht verarbeitete Teigteile und Reste zugedeckt werden. Sollte der Teig kleben, rät Ingeborg Hölzle noch etwas Mehl unterzuarbeiten. „Der Teig muss sich seidig anfühlen“, so ihre Erfahrung.

Nicht alles klappt bei den Frauen auf Anhieb, doch je länger der Abend, desto beschwingter wird die Stimmung – auch Jubellaute sind zu vernehmen, wenn eine komplizierte Form perfekt aus dem Model auftaucht. Missgeschicke bleiben nicht aus – und nicht ohne Folgen, etwa, wenn vergessen wird, den Model mit Mehl zu bestäuben: Er ist für die nächste Stunde unbrauchbar, denn mit Wasser und Zahnstocher müssen die Teigreste penibel entfernt werden und der Model trocknen. Es ist ratsam, Holzmodel abwechselnd zu benutzen, damit sie abtrocknen können.

Die ausgeformten Teigplatten kommen nun auf das Anisblech. Ingeborg Hölzle rät, sie für die nächsten 20 bis 24 Stunden zu trocknen, wenn möglich, in nicht zu stark geheizten Räumen. „Die Springerle dürfen nicht auf Holz oder Backpapier ruhen, das trocknet sie zu stark aus“, so die Kursleiterin. Oben darf das Gebäck trocken sein, der Boden ist reif zum Backen, wenn er ein weißes Rändchen hat. „Innen muss er speckig beziehungsweise feucht sein“, beschreibt Ingeborg Hölzle die Konsistenz. Sie rät, den Backofen vorzuheizen und mit Umluft bei 140 Grad die Springerle zu backen. „Nach etwa fünf bis sechs Minuten kommen sie hoch – wenn nicht, waren sie unten zu trocken“, so die Hobbybäckerin. Von diesem Aufspringen beziehungsweise Aufgehen auf die doppelte Höhe haben die Springerle höchstwahrscheinlich ihren Namen und bilden das gewünschte Füßchen. Entscheidend fürs Gelingen ist auch die Backzeit. Nicht zu lange backen, lautet der Tipp. Die Ofentür kann während des Backens geöffnet werden, um den Reifegrad zu überprüfen. „Wenn man meint, sie sind fertig, ist es schon zu spät“, sagt Profi Wolfgang Moser. Die Springerle sind fertig, wenn sie noch ein bisschen am Blech kleben und unten leicht gelb sind. Mit einem Pfannenwender lassen sie sich vom Blech schaben. „Gleich vom heißen Blech runter und auf die kalte Tischplatte setzen“, rät der Konditor.

Fürs perfekte Springerle braucht‘s jetzt nur noch die richtige Aufbewahrungsmethode. Wolfgang Moser spricht von einem feuchten Medium, das mithilfe eines saftigen Apfels aufrechterhalten werden kann. Ingeborg Hölzle legt ihre Springerle Boden an Boden und Motiv an Motiv in eine Blechdose. „So bleiben sie zwei bis drei Wochen weich“, sagt sie.

FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an
FBS bietet Springerlekurs an

Springerle-Rezept

4 Eier, Größe: je zwei M und L 500 Gramm Puderzucker 1 Päckchen Vanillezucker 1 Prise Salz 1 Messerspitze Hirschhornsalz 500 Gramm Weizenmehl Typ 405 1-2 Esslöffel Anissamen aufs Blech Eier und Zucker besonders schaumig rühren. Salz, Vanillezucker, das mit einem Teelöffel kalten Wassers angerührte Hirschhornsalz und das Mehl zugeben. Nicht kneten, die Schaummasse soll erhalten bleiben. Den Teig zudecken und eine halbe Stunde ruhen lassen. Jeweils einen Teil des Teigs etwa 0,75 Zentimeter dick auswellen. Oberfläche mit Mehl bestäuben und das Mehl leicht einreiben. Den mit Mehl bepinselten und wieder ausgeklopften Model hineinpressen und vorsichtig abheben. Form ausschneiden oder ausstechen und auf ein dünn mit Butter gefettetes und mit Anis bestreutes Blech setzen. 20 bis 24 Stunden zum Trocknen in einen mäßig warmen Raum stellen. Backen: Umluft 140 Grad, Ober-/Unterhitze 160 Grad, Dauer etwa 20 Minuten. Ergibt zwei Bleche.