Lokales

„Die Hilfsbereitschaft ist groß“

In Schlierbach kümmern sich viele Mitbürger um die syrischen Flüchtlinge

Als im September bekannt wurde, dass der Landkreis auch in Schlierbach Asylbewerber unterbringen will, gingen die Wogen zunächst hoch. Seit Oktober sind die Menschen aus Syrien nun da – und können sich auf ein breites Netzwerk engagierter Bürgerinnen und Bürger verlassen.

Hilfe für syrische Flüchtlinge fängt schon beim Einkauf an: Wer die Schrift nicht kennt, weiß nicht sofort, ob sich in dem weiße
Hilfe für syrische Flüchtlinge fängt schon beim Einkauf an: Wer die Schrift nicht kennt, weiß nicht sofort, ob sich in dem weißen Päckchen Zucker oder Mehl befindet. Foto: Deniz Calagan

Schlierbach. Rund 80 Unterstützer zählt der Schlierbacher Arbeitskreis Asyl mittlerweile, zu dem sich Bürgerinnen und Bürger, die Gemeindeverwaltung, Kirchen und Vereine zusammengeschlossen haben, um den Flüchtlingen aus Syrien unter die Arme zu greifen, wie Heike Hohneker, eine der Ehrenamtlichen, berichtet. Elf syrische Familien, insgesamt 46 Menschen, leben mittlerweile in dem Haus in der Wolfstraße.

Für jede der Familien haben sich Paten gefunden, erzählt Heike Hohneker. Auch sie selbst ist gemeinsam mit einer weiteren Schlierbacher Familie „Familienpatin“ geworden. Tatsächlich teilen sich jeweils mehrere Paten eine Patenschaft. „So ist sichergestellt, dass immer jemand da ist, falls der eine oder andere gerade verhindert ist“, erklärt die Familienpatin.

Die Hilfe für die Neuankömmlinge aus dem nahen Osten fängt dabei bei ganz alltäglichen Dingen an, sagt Hohneker: „Wir unterstützen die Familien einfach im Alltag. Ganz am Anfang sind wir mit denen einfach mal einkaufen gegangen.“ Denn die noch vorhandene Sprachbarriere mache selbst so einfache Sachen kompliziert. „Wie soll ich denn wissen, dass in dem Päckchen Zucker drin ist, wenn ich die Sprache nicht verstehe?“, gibt sie ein Beispiel.

Tatsächlich ist die Sprachbarriere noch ein großes Problem. „Teilweise behelfen wir uns mit der Online-Übersetzung von Google“, sagt Hohneker. Damit sich das ändert, haben die Arbeitskreismitglieder verschiedene Angebote auf die Beine gestellt. „In der Schule gibt es eine Vorbereitungsklasse für die Schulkinder, die kleineren Kinder gehen in den Kindergarten“, berichtet Bürgermeister Paul Schmid. „Wir haben auch einen Deutschkurs für die Erwachsenen.“ Heike Hohneker wiederum plant, in den Weihnachtsferien verstärkt mit den beiden Mädchen ihrer Familie Lesen zu üben.

Mindestens zwei Mal in der Woche besucht Heike Hohneker „ihre“ syrische Familie. Neben den ganzen, eher lebenspraktisch orientierten Hilfestellungen, sei es für die Menschen einfach wichtig, jemanden zu haben, der zuhöre: „Die Geschichten sind total spannend – und auch bedrückend.“ Was die Flüchtlinge in ihrer Heimat und auf der Flucht erlebt hätten, sei eigentlich unvorstellbar. „Die Menschen sind völlig traumatisiert“, sagt Hohneker. So habe einer der Familienväter nach einem Angriff Frau und Kinder aus den Trümmern ihres Hauses ausgraben müssen – zum Glück hat die Familie überlebt. Andere seien auf der Flucht über das Mittelmehr in Seenot geraten und erst im letzten Moment gerettet worden.

Das Engagement für die Flüchtlinge ist für viele der Arbeitskreismitglieder eine Aufgabe, die ihnen persönlich auch sehr viel bringt. „Ich bin total begeistert von der Freundlichkeit der Leute“, sagt Heike Hohneker. Als eine Bereicherung bezeichnet sie die Menschen aus Syrien. Auch anderen Engagierten im Arbeitskreis gehe das so. „Wenn ich mal schlecht drauf bin, gehe ich kurz nach Syrien“ sage eine Mitstreiterin gerne – denn nach einem Besuch bei den Asylbewerbern erschienen die hiesigen Probleme wieder klein, berichtet Hohneker.

Eines, so Hohneker, müsse man sich immer klar machen: „Die Menschen sind nicht nach Deutschland gekommen, weil wir ein reiches Land sind, sondern weil sie Sicherheit suchen.“ Tatsächlich wollten eigentlich alle so schnell wie möglich wieder zurück, um ihr Land wieder aufzubauen. „Das sind keine Wirtschaftsflüchtlinge.“

Dass es im Ort anfänglich Vorbehalte gegen die Flüchtlingsunterkunft gegeben habe, kann sie nachvollziehen: „Das war am Anfang einfach die Angst vor dem Fremden“, ist ihr Eindruck. Mittlerweile stelle sie aber fest: „Viele Leute sind total interessiert, trauen sich aber wohl nicht, mitzumachen.“ Auch Bürgermeister Paul Schmid ist froh, dass momentan alles gut zusammenpasse. „Es ist erstaunlich gut angelaufen“, sagt Schmid und stellt fest: „Die Hilfsbereitschaft ist groß.“

Und auch die Anwohner in der Wolfstraße haben ihren Frieden mit der Asylbewerberunterkunft geschlossen, wie August Leins, Gemeinderat und direkter Nachbar, berichtet. „Das ist richtig positiv“, sagt Leins. „Es ist mächtig was los auf der Straße, wenn die Kinder draußen spielen.“ Als Anwohner hätten sie, entgegen ihrer ursprünglichen Befürchtungen, keinen Grund zu klagen. „Wir hoffen, dass das noch lange so bleibt.“