Lokales

Die „Rebellion“ war kalkuliert

Walter Aeugle plaudert nach 30 Jahren Gemeinderatstätigkeit aus dem Nähkästchen

Seit 30 Jahren ist Walter Aeugle Mitglied des Kirchheimer Gemeinderats. Nicht nur die Zeiten haben sich innerhalb von drei Jahrzehnten geändert, sondern auch Walter Aeugle – und zwar vom „Rebell“ zum Vorsitzenden der SPD-Fraktion –, wie ihm Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bescheinigte.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ehrt Walter Aeugle, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, für 30 Jahre ehrenamtlichen E
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ehrt Walter Aeugle, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, für 30 Jahre ehrenamtlichen Engagements im Kirchheimer Gemeinderat.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Die sechsmalige Wiederwahl Walter Aeugles sieht die Oberbürgermeisterin als Zeichen dafür, dass er sich „ein großes Maß an Anerkennung“ erworben hat. Andererseits habe auch die Kommunalpolitik Walter Aeugle in ihren Bann gezogen. Ungefähr 5 400 Stunden, die jemand in Sitzungen und Klausurtagungen, bei Ortsterminen und Bürgergesprächen oder auch beim Studieren der Sitzungsunterlagen verbracht hat, würden zeigen, dass da jemand Politik zu seinem Hobby gemacht hat – „sonst wäre ein solcher zeitlicher Einsatz überhaupt nicht nachvollziehbar“.

Was sich in den vergangenen 30 Jahren alles ereignet hat, verdeutlichte Angelika Matt-Heidecker an den verschiedensten Themen, die in den 80er-Jahren aktuell waren. So habe Walter Aeugle 1987 – ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – beantragt, dass die Stadt Kirchheim ein Strahlenmessgerät anschafft. Weil er mit der Abstimmung nicht einverstanden war, schrieb er damals einen Leserbrief. Im Brief nannte er Details aus nicht-öffentlicher Sitzung, was ihm eine kostenpflichtige Rüge eingebracht habe. Von dieser „rebellischen“ Vorgehensweise habe er sich längst verabschiedet. Schließlich ist er bereits seit vielen Jahren Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat.

Als ganz so „rebellisch“ wollte Walter Aeugle sein einstiges „Vergehen“ gar nicht werten: „Das war eine kalkulierte Tat, zu der ich heute noch stehe.“ Aber immerhin räumte er – leicht geläutert – ein, dass es nicht in Ordnung gewesen sei, aus der nicht-öffentlichen Sitzung zu berichten.

Für ihn als „68er“ habe politisches Engagement eher nichts mit Kommunalpolitik zu tun gehabt, sondern mehr mit dem Einsatz gegen Vietnamkrieg, Nachrüstung oder Atomenergie. Ein gewisses rebellisches Fundament scheint also durchaus vorhanden zu sein.

Trotzdem sei ihm die Kommunalpolitik nie langweilig erschienen, auch wenn sie mitunter sehr langwierig sei. Was er an der Kommunalpolitik schätzt, sind die Menschen und die Themen, die jeweils „aus den unterschiedlichsten Bereichen“ kämen. Eines dieser  Themen war ein Armutsbericht, in dem speziell die Kinderarmut in Kirchheim Thema war. Daraus hat sich das Aktionsbündnis „Starkes Kirchheim“ entwickelt, das dieser Kinderarmut entgegenwirkt. Für Walter Aeugle ist das ein wichtiges Beispiel für das, was man in der Kommunalpolitik bewegen und anstoßen kann. Das Geld, das er als Jubiläumsgabe der Stadt Kirchheim erhalten hat, leitet er deswegen auch direkt an das Aktionsbündnis weiter.

Auf sein Sofa wolle er sich bislang noch nicht zurückziehen, kündigte Walter Aeugle an. Er wird der Kommunalpolitik also noch erhalten bleiben – aber nicht mehr so lange, bis auch die 40 Jahre voll sind.