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Die Wiese bleibt grünBaulückenbörse

Bericht über Baulücken zeigt Potenzial an Bauplätzen vor dem Hintergrund großer Nachfrage

Maßvolle Nachverdichtung und Arrondierung vor Ausweisung neuer Wohngebiete. So lautet der Kurs, den Gemeinderat und Stadtverwaltung fahren. Jetzt hat die Stadtverwaltung einen Bericht über Baulücken vorgelegt, der nicht nur für Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker diesen Kurs bestätigt.

Angebot und Nachfrage unter einen Hut zu bekommen, ist in Sachen Wohnbebauung ein schwieriges Unterfangen. Foto: Jean-Luc Jacque
Angebot und Nachfrage unter einen Hut zu bekommen, ist in Sachen Wohnbebauung ein schwieriges Unterfangen. Foto: Jean-Luc Jacques

Irene Strifler

Kirchheim. Die vollständige Auflistung aller Baulücken in Kirchheim hatte die CDU in ihrer Haushaltsrede im Herbst beantragt und eine maßvolle Ausweisung von Neubaugebieten gefordert. Hintergrund war der wachsende Druck Wohnungssuchender auf einem leer gefegten Markt. Daraus resultiert die Furcht, vor allem die Zielgruppe junger Familien zu verlieren, die nicht jahrelang warten könnten. Das bedeute langfristig nicht nur einen Verlust an Steuerkraft, sondern auch eine Einbuße an Vitalität für die Stadt.

Stadtplaner Gernot Pohl schilderte in der Ratssitzung die Aktivitäten der Stadt, die bereits 1990 ein Baulückenkataster ausgewiesen hat. Seit 2009 gibt es im Internet die Baulückenbörse mit Flächen, die tatsächlich erworben werden können. Dieses Instrument sei eine attraktive Einrichtung, die auch von Bürgern intensiv genutzt werde. Seit 2009 konnten 34 dieser Baulücken auch aktiviert werden. Laut städtischer Berechnung entspricht dies einer Bruttofläche von etwa 2,4 Hektar. Bei dieser Form der Bebauung fallen keine Kosten für die technische Infrastruktur wie etwa Straßenbau an, und auch die soziale Infrastruktur, wie etwa Kindergärten, ist jeweils schon vorhanden. 44 weitere Lücken stehen zur Veröffentlichung an. Wie die Verwaltung festgestellt hat, tauchen zunehmend Baulücken auf, die seit mehreren Jahren existieren. Offenbar wachse die Bereitschaft, sich mit dem Verkauf solcher Plätze auseinanderzusetzen, sei es aufgrund von Veränderungen in der eigenen Familie oder aufgrund eines sich wandelnden Bewusstseins. Gernot Pohl geht von jährlich zusätzlich hundert Wohneinheiten in „alten Neubaugebieten“ aus, die infolge des Generationenwechsels auf den Markt kommen.

Weiter führte der Stadtplaner zahlreiche Punkte auf, an denen die Verwaltung in Sachen Schaffung von Wohnbauflächen aktiv ist (siehe unten stehender Kasten). Im Zuge der Nutzung von Brachflächen und der Arrondierung an einseitig gebauten Straßen könnten recht bald insgesamt etwa 560 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern für etwa 1 140 Bürger zur Verfügung gestellt werden, rechnete Pohl vor. Dieses Potenzial decke einen beachtlichen Teil der Nachfrage ab.

Dem möglichen Angebot steht eine große Nachfrage gegenüber. Dabei handelt es sich nach Erkenntnissen der Verwaltung besonders um zwei Gruppen: Zum einen sind es angehende Senioren, die nach Abschluss ihrer Familienphase ihr Häusle außerhalb der Stadt verkaufen möchten, um in attraktiver innerstädtischer Lage eine Wohnung zu erwerben. Zum anderen sind es Familien, die vorzugsweise ein Eigenheim anstreben. Für sie gilt die Ortsrandlage weiterhin als attraktiv, allerdings steigt auch hier der Wunsch nach der Wohnlage Innenstadt, nicht zuletzt um den familiären Bedürfnissen ohne ein weiteres Auto begegnen zu können. Ein stadtplanerisches Ziel besteht darin, die Wohngebiete, in denen der Generationswechsel massiv spürbar wird, dauerhaft zu sichern.

Im Ratsrund stieß die Auflistung des Baupotenzials auf großes Inte­resse. „Baulücken sagen nichts darüber aus, ob die Grundstücke am Markt sind“, relativierte CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Thilo Rose allerdings sogleich das Zahlenwerk und prangerte das Hauptproblem an: Ein knappes Angebot steht derzeit einer großen Nachfrage gegenüber. SPD-Mann Peter Bodo Schöllkopf rückte die Preissituation in den Mittelpunkt und forderte: „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle, sowohl im Bereich der Miete als auch des Eigentums.“

Karl-Heinz Schöllkopf von den Grünen plädierte dafür, weiterhin den „Kirchheimer Weg“ zu verfolgen. Hier seien es die vielen kleinen Baumaßnahmen, die die Attraktivität ausmachten. Er sprach sich dafür aus, stets über den Wert freier Flächen nachzudenken und erinnerte daran, dass täglich in Deutschland die Fläche von hundert Fußballplätzen versiegelt werde.

Dr. Silvia Oberhauser, Vorsitzende der Frauenliste, zeigte sich über die Erkenntnisse zur Baulückensituation erfreut: „Die Vorlage zeigt: Kirchheim besitzt eine gesunde Stadtentwicklung“, bilanzierte sie. Schließlich habe man auch Bauland auf der Grünen Wiese ausgewiesen, aber dennoch die Stadt in ihrer Kompaktheit erhalten. Das mache ihren Charakter aus.

„In Zukunft haben wir genügend Potenzial und brauchen nicht auf die Grüne Wiese zu gehen“, zog CIK-Vertreter Hans Kiefer politische Konsequenzen aus der Diskussion. Allerdings sei der Druck der Wohnungssuchenden momentan enorm. Auch bei einem größeren Angebot werde bezahlbarer Wohnraum daher ein Problem bleiben. Hagen Zweifel, Vorsitzender der Freien Wähler, erkannte in der Problematik, Angebot und Nachfrage unter einen Hut zu bringen, ein Grundproblem dieser Zeit: „Die Gesellschaft driftet ausei­nander.“ Alles einfach nur laufen zu lassen, sei jedoch nicht zielführend im Hinblick auf eine gesunde Durchmischung der Bevölkerung.

„Das Potenzial ist schon lange in Kirchheim vorhanden und wird eben nicht genutzt“, stellte FDP-Fraktionsvorsitzender Bernhard Most fest und bestätigte den enormen Druck in Kirchheim. Er gab zu bedenken, dass der Grundstückspreis nur das eine sei und nannte als weitere Preistreiber Bauverordnungen oder auch Energieverordnungen.

 

www.kirchheim-teck.de/Baugrundstücke

Blick in den Bericht der Stadtverwaltung zur Baulückenbereitstellung

249 Baulücken, die für Wohnbebauung geeignet sind, weist die Statistik der Verwaltung Stand März 2013 im Stadtgebiet auf. Davon sind 227 in privater Hand. 30 Wohneinheiten in etwa 20 Gebäuden werden voraussichtlich ab 2015 in der Ortsmitte Lindorf entstehen. 44 Wohneinheiten in Reihenhäusern und als Geschosswohnungen sollen ab 2015 auf dem Alten Hallenbadgelände angeboten werden. 15 Bauplätze für Einfamilienhäuser erwartet man sich ab 2016 in der Jesinger Roggenäckerstraße als Arrondierung des dortigen Wohngebiets. 13 Bauplätze für Einfamilienhäuser soll die Arrondierung Lange Morgen ab 2016 bringen. 40 Wohneinheiten in Geschossgebäuden lassen Planungen für eine Bebauung des Geländes der Firma Rau am Zusammenfluss von Lindach und Lauter ab 2018 erhoffen. 90 Wohnungen soll langfristig, beziehungsweise Zug um Zug ab 2016, die Nachnutzung der Gärtnerei Kurz bei den Badwiesen erbringen. 250 Wohnungen sollen bekanntlich im Steingauquartier entstehen, wobei es hier noch immer an den Eigentumsverhältnissen hakt. 40 Wohneinheiten, vor allem als Einfamilienhäuser, könnten etwa ab 2017 auf dem Otto-Ficker-Areal entstehen. 15 Einfamilienhäuser ab 2016 sind als Arrondierung der Charlottenstraße ins Auge gefasst auf der ursprünglichen Klinik-Erweiterungsfläche. Hinzu kommen eine Reihe weiterer Überlegungen, teils für kleinere Maßnahmen, teils ohne Terminhorizont.ist