Lokales

Ein „Hauch“ von Luftfahrtnostalgie

Über 40 000 Besucher beim 17. Oldtimer-Fliegertreffen auf der Kirchheimer Hahnweide

Die tollkühnen Männer und ihre fliegenden Kisten haben auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Über 40 000 Freunde historischer Flugzeuge und Eventgänger haben das 17. Oldtimer-Fliegertreffen auf der Kirchheimer Hahnweide besucht. Dazu sind Piloten aus ganz Europa unter die Teck gekommen, um ihre rund 370 fliegenden Preziosen am Boden und in der Luft zu präsentieren.

Ein Bild wie aus den frühen Kindheitstagen der Fliegerei und doch erst gestern „geschossen“: Mikael Carlson fliegt mit seiner Bl
Ein Bild wie aus den frühen Kindheitstagen der Fliegerei und doch erst gestern „geschossen“: Mikael Carlson fliegt mit seiner Blériot XI „La Manche“ aus dem Jahr 1917 eine Runde über die Hahnweide. Weitere Fotos finden interessierte Leser auf unserer Bildergalerie unter www.Teckbote.de.Fotos: Markus Brändli

Kirchheim. Plötzlich verschwindet vor zigtausend Augenpaaren Mikael Carlson und seine kleine Blériot XI „La Manche“ im Lee der Hahnweide in Richtung Bürgerseen. Pilot, Maschinchen und Fluggeräusch sind weg. Über 40 000 Besucher halten den Atem an. „Mikael, was machst Du?“ fragt ein besorgter Moderator. Denn vor einer Woche geriet der Schwede bei einer Flugveranstaltung in der Schweiz mit seinem „Drahtverhau“ ebenfalls in ein Lee, landete hart, ein Rad brach ab, und die Blériot stand Kopf. Carlson packte das Ganze in den Anhänger, fuhr zurück nach Schweden und brachte pünktlich zum 17. Oldtimer-Fliegertreffen seine erste Blériot, gebaut 1917, nach Kirchheim.

„Der Trend geht zur Zweit-Blériot“, feixte ein Kollege. Doch wo steckt sie? Da taucht der historische Oldtimer knatternd mit seinem 50 PS Gnome-Umlaufmotor wieder am anderen Ende der Hahnweide aus der Versenkung auf, dreht ein und landet. Mikael Carlson wird mit tosendem Applaus empfangen. Der Schwede tat es übrigens Konstrukteur Louis Blériot nach und überflog 90 Jahre nach ihm 1999 mit seiner „La Manche“ den Ärmelkanal.

Einmal mehr entpuppte sich das Oldtimer-Fliegertreffen als eine „europäische Familienfeier“ von Piloten, die ihre liebevoll und oft aufwendig restaurierten Flugzeuge aus über 100 Jahren Luftfahrtgeschichte flugbegeisterten Besuchern präsentieren und vorfliegen wollten. Dabei zählt die Veranstaltung auf der Hahnweide mit La Ferté-Alais in Frankreich und Duxford in England zu den größten dieser Art in Europa.

„Die ganze Atmosphäre ist einfach toll“ beschrieb eine Dame aus Darmstadt ihre Empfindung. Besonders gerne sehe sie die „Tante Ju“, den Fokker Dreidecker und die P 38 Lightning. Ein älterer Herr aus Bad Dürkheim ließ das größte Weinfest der Welt am vergangenen Wochenende sausen und kam nach Kirchheim. Von Kindesbeinen an interessiert er sich für die Fliegerei. Kein Wunder. Sein Vater war Ingenieur bei Junkers in Dessau. „Ich bin kein Freund von Krieg, aber Technik begeistert mich.“

Recht eindrucksvoll ließ sich der rapide Wandel in der Luftfahrttechnik an den verschiedenen Flugzeugtypen beim 17. Oldtimer-Fliegertreffen ablesen. Während die Blériot XI die frühen Kindertage der Fliegerei repräsentierte, konnten die über 40 000 Besucher anhand der rund 80 Doppeldecker und alten Reiseflugzeugen die 30er Jahre und die Nachkriegszeit in der Luftfahrt nachempfinden. Stellvertretend hierfür seien Namen wie Bücker, Focke Wulf, Klemm, Zlin, De Havilland, Stampe, Curtiss, Cessna, Piper, Beechcraft und Boeing genannt. Auch die „Tante Ju“ war zu ihrer Zeit in den 1930er Jahren ein fortschrittliches Reiseflugzeug und der ganze Stolz der „Lufthansa“. Heute ist sie, wie der zweimotorige Rapide-Doppeldecker „Iolar“ der Air Lingus aus Irland, fliegende Geschichte.

In die Vor- und Nachkriegszeit gerechnet werden müssen auch die Vertreter des lautlosen Fluges: etwa die Minimoa, die Goevier, der Habicht, die Olympia Meise, der Kranich und das Grunau Baby – filigrane Oldtimer-Segelflugzeuge mit einem wunderschönen Flugbild, die das „fliegende Museum“ Hahnweide präsentierte.

Dagegen traf bei den Vorführungen der Warbirds wie der Supermarine Spitfire, der Hawker Hurricane, der Mustang, der Corsair oder der Yak das zu, was Moderator Jochen Fries meinte: „Ihre Ohren werden Augen machen.“ Schwerstes „Heavy Metal“ mit brüllenden Sternmotoren und tausenden PS, die die geflügelten Weltkrieg-Zwei-Jäger über den Himmel trieben.

Ein ganz anderer Brummer kam aus Marseille über Stuttgart in Form der guten, alten „Nora“, dem deutsch-französischen Transportflugzeug Noratlas mit dem charakteristischen Doppelleitwerk. Dem fliegenden Eisenbahnwaggon entstiegen in 2 000 Meter Höhe fünf Fallschirmspringer, darunter drei über siebzigjährige Herren aus der früheren Truppe von Walter Eichhorn – ein Klassentreffen der besonderen Art. Einen weiteren fliegenden Gruß aus Frankreich schrieben die zwei Fouga Magister-Düsentrainer der „Patrouille Tranchant“ mit Rauchpatronen in den Himmel. Eine der Maschinen war übrigens in den 1950er Teil der französischen Kunstflugstaffel „Patrouille de France“.

Apropos Kunstflugstaffel. Was das Red Bull Aerobatic Team, angeführt von Leaderin Radoslava Machova, mit seinen vier 300 PS starken Zlin Kunstflugmaschinen über der Hahnweide vorführte, ließ selbst alte Hasen applaudieren und den Laien das Blut in den Adern stocken. Die mehrfachen Weltmeister im Formationskunstflug boten im Abstand von vier bis sechs Metern im „Viererpack“ geflogene Außenloopings, Fassrollen, Spiegelflug, Vierertreppen und Kleeblatt in einer Präzision, wie sie nur von ganz großen Könnern gezeigt werden.

Derweil verrichteten die fünf Lotsen im Turm bei zum Teil gefühlten 50 Grad Celsius ihre schweißtreibende Arbeit. In über 800 Flugbewegungen dirigierten sie die Flugzeuge am vergangenen Wochenende sicher von der Hahnweide weg und zur Hahnweide hin und das alles während der Vorführungen und Rundflüge.

Über den reibungslosen und unfallfreien Ablauf des Fliegertreffens freute sich besonders Organisationschef Hans Puskeiler, zumal die Mammutveranstaltung von der Fliegergruppe Wolf Hirth ein Jahr lang gemeinsam mit Stadt, Polizei, Feuerwehr und DRK vorbereitet wurde. „Wir haben eine große Sicherheitsübung veranstaltet und Sicherheitskonzepte entwickelt. Es war eine tolle Zusammenarbeit“, lobte „Hans im Glück“.

So war das DRK am vergangenen Wochenende mit 180 Einsatzkräften und 18 Fahrzeugen vor Ort. Die Feuerwehr meldete rund 40 Mann und fünf Einsatzfahrzeuge, und die Polizei war mit etwa 40 Beamtinnen und Beamten sowie neun Einsatzleit- und Streifenwagen beim Oldtimer-Fliegertreffen.

OTT-Stammgäste: Walter und Toni Eichhorn

OTT-Stammgäste: Walter und Toni Eichhorn
OTT-Stammgäste: Walter und Toni Eichhorn

Sie gehören beide zu den gerne gesehenen Stammgästen unter den Oldtimer-Piloten auf der Hahnweide: Der alte Hase und das flugerprobte Küken – Vater und Sohn Eichhorn. Walter Eichhorn, 77, kam über‘s Fallschirmspringen 1958 in Kanada zum Motorflug. Wie gestern auf der Hahnweide flog er bereits damals die North American T 6, das Trainingsflugzeug der amerikanischen World-War-II-Piloten. Er war unter anderem drei Mal deutscher Meister im Fallschirmspringen und belegte drei dritte Plätze auf Weltmeisterschaften. 1971 gründete er in Deutschland die Springergruppe „Walters Vögel“. 1966 begann er seine Karriere als Berufspilot bei der Lufthansa und flog zunächst die zweimotorige Convair CV 440. Danach die dreistrahlige Boeing B 727 und schließlich den Jumbo, alle drei als Co-Pilot. 1973 wechselte er im Cockpit auf den linken Kapitänssitz der Boeing 727, flog sechs Jahre als Kapitän den Airbus A 300 und zehn Jahre die Douglas DC 10 sowie den Jumbo mit dem verlängerten Oberdeck, die B 747-200, ebenfalls als Kapitän, bevor er sich 1996 bei der Lufthansa verabschiedete. Neben seiner Berufsfliegerei stieg er immer wieder gerne in seine geliebte T 6 und fliegt sie immer noch. 1987 war Walter Eichhorn zum ersten Mal beim Oldtimer-Fliegertreffen auf der Hahnweide dabei. Allerdings nicht mit einer T 6, sondern mit einer Messerschmitt Me 109. Doch bereits das nächste Mal brachte er außer der Me 109 auch das Trainerflugzeug mit. Und dann zeigten Vater und Sohn Eichhorn mit ihren zwei T 6 was Kunstflug ist. 2009 kamen beide in einer recht ungewöhnlichen Flugzeugkombination auf die Hahnweide: der tschechische Düsentrainer L-29, geflogen von Walter Eichhorn und die North American T 6 mit Toni Eichhorn am Knüppel. Anschließend stiegen sie um auf „neues Material“. Am vergangenen Wochenende zeigten sie im Duett auf zwei Extra 330 LT Kunstflug vom Feinsten. Und „Daddy“ Eichhorn flog auf der 70 Jahre alten blauen „Red Bull“-T 6 Solo. Insgesamt hat Walter Eichhorn rund 20 000 Flugstunden auf dem Buckel. Toni Eichhorn, 42, flog schon im zarten Alter von 14 Jahren. Inzwischen hat er rund 14 000 Flugstunden und ist Kapitän bei der Lufthansa auf dem Airbus A 320. Zum ersten Mal beim Oldtimer-Fliegertreffen dabei war er vor 18 Jahren, als er gemeinsam mit seinem Vater die T 6-Formation flog. Ihm gefällt hier der Erfahrungsaustausch der Piloten aus ganz Europa. „Trotz der Größe ist es familiär geblieben. Alles ist sehr schön organisiert.“