Lokales

Ein königlicher Abschied

Nach 16 Jahren verlässt Pfarrerin Regina Stierlen Unterlenningen

Eine Dekanin muss ein paar Tränen wegdrücken, ein Kirchengemeinderatsvorsitzender berichtet von seinem Weg von ganz weit weg zum christlichen Glauben: Die Verabschiedung von Pfarrerin Regina Stierlen in Ulrichskirche und Sulzburghalle vereinte bewegende Momente.

Verlässt Lenningen: Pfarrerin Stierlen wurde in einer bewegenden Feier verabschiedet.Foto: Peter Dietrich
Verlässt Lenningen: Pfarrerin Stierlen wurde in einer bewegenden Feier verabschiedet.Foto: Peter Dietrich

Lenningen. Die Kirche war voll, Gottesdienstteilnehmer saßen auf den Treppen zur Empore und vor dem Lautsprecher im Freien. Im Januar 1996 kam die evangelische Pfarrerin Regina Stierlen ins Lenninger Tal, nun zieht sie in den Schwarzwald weiter: nach Loßburg-Wittendorf, in die Nähe ihrer Eltern. Was sie – oder Gott durch sie – in 16 Jahren bewirkt hat, zeigten beispielhaft die Worte von Marius Schünke. Von Kirche und Glauben wollte der gestandene Mann nichts wissen, doch Stierlen ließ sich bei Besuchen und Gesprächen nicht beirren. Im Jahr 2000 zog es Schünke aus Neugier erstmals in den Osternachtsgottesdienst, von da an kam er jedes Jahr. 2002 trat er in die Kirche ein, 2004 heiratete er kirchlich, 2007 wurde er in den Kirchengemeinderat und 2008 zu dessen Zweiten Vorsitzenden gewählt. Wenn er sich für nicht fromm genug für diese Aufgabe hielt, machte ihm Stierlen Mut, nicht aufzugeben. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, zitierte Schünke die Jahreslosung und bezog sie auf die zierliche Pfarrerin: „Das habe ich bei Ihnen erlebt.“

Dekanin Renate Kath erinnerte an ein ungeschriebenes Gesetz für Pfarrer: Wer geht, halte seine Füße aus dem früheren Ort, zumindest im Talar. Doch es gebe noch eine andere Seite: „Dass es hier Freundschaften gibt, das darf und muss so sein.“ Dann kämpfte sie mit den Tränen. „Keiner von uns kann irgendwo Pfarrer sein, ohne dass er sein Herz verliert.“ Sie erinnerte an einige von Stierlens Aufgaben: Sie bildete zwei Vikare aus und gehörte zum Team für die Prüfungspredigten. Mit ihrer Bruckener Kollegin Margret Oberle begleitete sie die legendären Herbstreisen und war Bauernpfarrerin des Kirchenbezirks. Kath lobte die gute Zusammenarbeit im Lenninger Distrikt: „Es ist modellhaft, dass Pfarrer in Nachbargemeinden zusammenstehen.“ Die Dekanin entband Stierlen von ihrer hiesigen Verpflichtung und beglückwünschte die Schwarzwälder zu ihrer guten Wahl.

„Wir haben Klarheit nur für den nächsten Schritt und manchmal nicht einmal das, aber Gott hat die große Perspektive“, sagte Stierlen in ihrer Abschiedspredigt. Gott begegne Menschen mit ganz verschiedenen Frömmigkeitsstilen. „Ich freue mich, dass wir viele solche Erkenntniswege miteinander gegangen sind.“ Gruppen aus der Kirchengemeinde hatten ihrer scheidenden Pfarrerin eine grüne Stola anfertigen lassen.

Wie in einer Prozession zog die Gemeinde nach dem Gottesdienst zur Sulzburghalle, wo der Musikverein Unterlenningen, knapp 300 gedeckte Plätze und ein Kuchenbuffet warteten. „Der Mensch war bei Ihnen immer größer als die Institution“, sagte Bürgermeister Michael Schlecht. Stierlen habe sich für die Ökumene eingesetzt und „stets an einer breiteren Basis von Toleranz und Gemeinsamkeit gearbeitet“. Sie habe die Anfänge des Lenninger Netzes gefördert und dem neuen Unterlenninger Pflegeheim eine besondere Note gegeben. „Ihr Herz hat für die Kirchengemeinde geschlagen, das war auch gut für unsere Gemeinde.“

Für die katholische Kirchengemeinde beschrieben Walburga Ponherr und Anette Schneider die bescheidene Pfarrerin als „begnadete Sprecherin“, sie rede „schlicht, aber wirkungsvoll“. Für die Liebenzeller Gemeinschaft dankte Frieder Rilling für das „partnerschaftliche und freundliche Miteinander im Glauben“. Andrea Bizer, Rektorin der Lindenschule, dankte Stierlen für die „ganz neuen, positiven Erfahrungen“ im Religionsunterricht. Nie habe sie Noten nachfordern müssen, Stierlen sei auch in Randstunden gerne in die Schule gekommen.

Passend zum Namen Regina – Lateinisch für Königin – hatte Pfarrkollege Karlheinz Graf eine kleine Krone dabei. Als „einfacher Landgraf“ beschrieb er Stierlen als „Königin der Nacht“. Oft habe bei der Fleißigen das Licht im Pfarrhaus sehr lange gebrannt. Zur gebührenden Verabschiedung der anglophilen „Königin des Tals“ stimmten Pfarrerin Oberle und die Bruckener fahnenschwenkend ein umgetextetes „Land of Hope and Glory“ an. Der ganze Saal erhob sich, um winkend einzustimmen.

Nach gut drei Stunden folgten Beiträge verschiedener Gruppen. Sie erfahre die Wertschätzung nicht erst heute, sagte Stierlen, sondern habe sie auch während der 16 Jahre erlebt. Sie dankte für den Humor, der den Abschiedsschmerz mildere. Die Beiträge zeigten ihr, „wie gut Sie mich in den 16 Jahren kennengelernt haben“.