Lokales

Ein letzter Zweifel bleibt

Schuldfrage am Tod von Klaus Lenhart ungeklärt – Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein

Knapp drei Jahre nach dem tragischen Tod des Kirchheimer Unternehmers und Motorkunstfliegers Klaus Lenhart kommt dessen Familie aufgrund von Presseberichten und widersprüchlichen Auskünften der Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht zur Ruhe.

Am 30. April 2012 fand Klaus Lenhart beim Absturz seiner Kunstflugmaschine den Tod. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren
Am 30. April 2012 fand Klaus Lenhart beim Absturz seiner Kunstflugmaschine den Tod. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den verantwortlichen Piloten nach Zahlung einer Geldauflage ein.Archiv-Foto: Markus Brändli

RICHARD UMSTADT

Kirchheim. Am 30. April 2012, einen Tag vor seinem 57. Geburtstag, kam der Kirchheimer Unternehmer und fünffache deutsche Meister im Motorkunstflug, Klaus Lenhart, bei einem Einweisungsflug in der Nähe der „Hahnweide“ nach einem Absturz ums Leben. Gegen den damals 24-jährigen Piloten, der in Lenharts knallrote, 300 PS starke Kunstflugmaschine „Extra 300L“ eingewiesen wurde, ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Am 19. August 2014 schloss der Staatsanwalt die Akten und verfügte eine Einstellung des Verfahrens. Der Beschuldigte sei zwar „nicht gänzlich frei von Schuld“, wie die Pressestaatsanwältin Claudia Krauth erklärte. Die Schuld sei aber vom zuständigen Staatsanwalt aus vielerlei Gründen als nicht so gravierend angesehen worden, dass sie zu einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung führen würde.

Dies sehen die Hinterbliebenen von Klaus Lenhart und deren Kirchheimer Rechtsanwalt Thomas Brett ganz anders. Vor allem entsetzt sich Waltraud Lenhart, die Witwe des getöteten Kunstfliegers, über einen Bericht vom 9. Januar in den Stuttgarter Nachrichten. Dort wurde Pressestaatsanwältin Krauth mit den Worten zitiert: „Wir hätten zur Klärung einen weiteren Sachverständigen beauftragen müssen, doch alle Beteiligten waren sich einig, dass dies nicht notwendig ist.“ Und weiter: Auch die Angehörigen Lenharts hätten einer Einstellung zugestimmt, so Krauth.

„Das ist nicht wahr. Tatsache ist, dass weder meine Kinder noch ich selbst vom Abschluss des Verfahrens unmittelbar in Kenntnis gesetzt, geschweige denn gefragt wurden, ob wir mit einer Einstellung des Verfahrens gegen den Beschuldigten einverstanden sind“, schreibt Waltraud Lenhart in einer Stellungnahme.

Im Rahmen einer Anfrage unserer Zeitung bei Claudia Krauth bestätigte diese, dass die Hinterbliebenen von Klaus Lenhart tatsächlich nicht zur Einstellung des Verfahrens gegen den Piloten der Unglücksmaschine gehört und darüber auch nicht informiert worden seien. Die in der Presse getätigte Aussage beruhe auf einer Verwechslung von Fällen durch den ermittelnden Staatsanwalt. Allerdings sei es auch nicht üblich, bei einer Verfahrenseinstellung nach Paragraf 153 a Absatz 1 StPO die Familienangehörigen zu hören beziehungsweise zu informieren, sagte Claudia Krauth.

Von ihrem Rechtsanwalt erfuhr Waltraud Lenhart schließlich, dass das Ermittlungsverfahren am 19. August 2014 gegen den verantwortlichen Piloten eingestellt worden war, nachdem dieser die Auflage der Staatsanwaltschaft, 1 500 Euro an die Deutsche Rettungsflugwacht zu bezahlen, erfüllt hatte. Die Forderung der Geldauflage und deren Bezahlung bestätigte Pressestaatsanwältin Krauth. Sie gab allerdings auch zu verstehen, dass damit die Schuldfrage nicht abschließend geklärt sei.

Völlig unverständlich ist Waltraud Lenhart die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Stuttgart, „nachdem sich aus der Ermittlungsakte und den kriminalpolizeilichen Ermittlungen und den Feststellungen der BFU eindeutig ergibt, dass der Beschuldigte als verantwortlicher Pilot durch die vorgenommene Leistungseinstellung am Motor den Motorausfall und letztendlich den Absturz verursacht hat“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme.

Von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) liegt bislang nur ein Zwischenbericht vor. „Aufgrund der Feststellung der BFU wurde offensichtlich nicht, wie vom Beschuldigten behauptet, der Propellerdrehzahlregler verändert und die Propellerdrehzahl verringert, sondern der Durchflussregler, der in Richtung ,zu‘ gedreht wurde. Aufgrund dessen kam der Ermittler der BFU zu dem Schluss, dass der Beschuldigte die Regler verwechselt hat und anstatt des Propellerdrehzahlreglers irrtümlicherweise den Durchflussregler so verändert hat, dass schlussendlich der Motor mangels Kraftstoff ausging“, so die Stellungnahme von Waltraud Lenhart. Die Folge: Das Flugzeug stürzte aus einer Höhe von rund 150 bis 200 Metern in den Wald und brannte nach dem Aufschlag aus, wobei sich der 24-jährige Pilot noch verletzt ins Freie retten konnte.

Nach Ansicht von Waltraut Lenhart sah es der ermittelnde Kriminalbeamte insbesondere anhand der Feststellungen der BFU als belegt an, dass der beschuldigte Pilot, der im hinteren Sitz des Cockpits saß, Verantwortlicher für den Flugzeugabsturz ist, „da er nachweislich die Regler, die den Motoraussetzer nach dem Stand der Dinge bewirkt haben, zwar nicht bewusst, aber folgenschwer eigenhändig als verantwortlicher Pilot verändert hat. Aufgrund dessen wurde von der Kriminalpolizei die Auffassung vertreten, dass die Straftatbestände der fahrlässigen Tötung und auch der unterlassenen Hilfeleistung erfüllt sind“, so die Witwe Lenharts. „Warum der zuständige Staatsanwalt kein entsprechendes Gutachten zur strafrechtlichen Klärung der Verantwortlichkeit für den Tod meines Mannes in Auftrag gegeben hat, ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar.“

Diese Entscheidung habe sich der ermittelnde Staatsanwalt nicht leicht gemacht, sagte seine Kollegin Claudia Krauth. Zum einen sei nicht klar gewesen, wann der Abschlussbericht der BFU zu erwarten ist. „Erfahrungsgemäß dauert dies immer ziemlich lange.“ Zum anderen sei nach einem Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter der BFU nicht deutlich geworden, ob in dem Abschlussbericht die Schuldfrage eindeutig geklärt werden kann. Deshalb wurde überlegt, einen weiteren Sachverständigen einzuschalten, so Krauth. Daraus habe sich für den Staatsanwalt die Frage ergeben, ob denn ein zweites Gutachten vollständig Licht ins Dunkel bringen könne. „Es war damit zu rechnen, dass ein zweiter Gutachter auch nicht zu einem konkreten Ergebnis kommt“, bewertete die Staatsanwaltschaft die Lage, da aus dem Zwischenbericht der BFU hervorgeht, dass die Funktion der Steuerorgane sowie die Stellungen von Schaltern und Bedienhebeln aufgrund des hohen, brandbedingten Zerstörungsgrades nur bedingt nachvollzogen werden konnten.

Das bedeutet, dass auch durch den zuständigen Staatsanwalt die Schuldfrage nicht abschließend geklärt werden konnte. Für die Hinterbliebenen bleiben letzte Zweifel weiterhin bestehen.