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Entlassungswelle bei Scheufelen ist abgeschwächt

Betriebsrat und Geschäftsführung haben Sozialplan unterschrieben – Transfergesellschaft für rund 400 Mitarbeiter

Firma , Papierfabrik ScheufelenSchriftzugAdler

Bei Scheufelen wird weniger Personal entlassen.   Foto: Jean-Luc Jacques

Dem Betriebsrat der Papierfabrik Scheufelen ist es gelungen, rund 80 Mitarbeiter mehr im Betrieb zu halten als ursprünglich geplant. Die Belegschaft wird künftig 279 Köpfe zählen. Rund 400 Mitarbeitern muss jedoch gekündigt werden. Sie können ab 1. Januar in die neu gegründete Transfergesellschaft wechseln.

Iris Häfner

Lenningen. „Wir haben endlich den Interessenausgleich geschafft und den Sozialplan unterschrieben. Es ist ein großer Erfolg für uns, fast 80 Stellen mehr erhalten haben zu können, als ursprünglich vorgesehen war“, erklärt Mehmet Simsek, Betriebsratsvorsitzender bei der Oberlenninger Papierfabrik Scheufelen. Verhandlungspartner war Geschäftsführer Peter Bright. Nächste Woche werden die Kündigungsschreiben an die Mitarbeiter verschickt.

Mehmet Simsek spricht von konstruktiven Verhandlungen. So sei es gelungen, dass 279 Stellen bei der Papierfabrik verbleiben. „Wir konnten sogar eine Sozialstelle erhalten“, freut sich der Betriebsratsvorsitzende. Rechnerisch betrachtet sind es 272 Vollzeitstellen. „Das ist doch deutlich weniger Personalabbau als zunächst vorgesehen“, so Mehmet Simsek. Ziel des Betriebsrats sei es immer gewesen, mehr Stellen zu erhalten. „Wir haben viel Überzeugungsarbeit geleistet beim Management, weshalb die Verhandlungen auch so lange gedauert haben“, begründet er die sechs Monate dauernden intensiven Gespräche. „In einer über solch langen Zeitraum gewachsenen Fabrik lässt sich das nicht innerhalb von acht Wochen regeln. Man muss alles gut durchdenken, damit die Produktion auch tatsächlich funktioniert“, sagt Mehmet Simsek. Als Papieringenieur ist er bestens mit den Abläufen und der Struktur vertraut. „Bei zu wenig Personal kommt es zu Problemen. Das konnten wir glaubhaft darlegen“, so der Betriebsratsvorsitzende.

Die rund 400 gekündigten Scheufelen-Mitarbeiter werden – so sie wollen – in der Transfergesellschaft aufgefangen. Hier werden sie professionell auf neue Jobs vorbereitet, erhalten Schulungen und werden gecoacht. Wer 20 Jahre bei der Firma gearbeitet hat, der muss lernen, wie eine moderne Bewerbung aussieht und wie ein Bewerbungsgespräch abläuft. Zudem bekommen sie Qualifizierungen für den neuen Arbeitgeber. Diese speziellen Schulungen sind umfangreich, sowohl für die Mitarbeiter in der Produktion, wo der Großteil der Belegschaft arbeitet, als auch in der Verwaltung. „Wir sind zuversichtlich, dass 70 Prozent davon wieder Arbeit finden – sei es durch Bewerbungen klassischer Art oder durch die direkten Kontakte zu Arbeitgebern, die die Transfergesellschaft herstellt. Das ist für die Mitarbeiter eine Chance“, zeigt sich Mehmet Simsek zuversichtlich.

Die neu gegründete Gesellschaft ist ein Dreiergespann. Die Arbeitsagentur finanziert den Großteil, dazu gibt die Papierfabrik einen Obolus drauf. Ausführendes Element ist die Gesellschaft selbst. Alle drei sind die gemeinsame Aufsicht, dabei geht es etwa um Entscheidungen, wer welche Qualifizierungen bekommt. Wer in die Transfergesellschaft wechselt, ist finanziell abgesichert und erhält zwischen 80 und 87 Prozent seines Nettogehalts. „Das ist mehr als Arbeitslosengeld“, verdeutlicht Mehmet Simsek. Mindestens drei Monate muss der Mitarbeiter dort angestellt sein, die Aufenthaltsdauer hängt von der Kündigungsfrist ab, die sich verdoppelt. Wer beispielsweise drei Monate Kündigungszeit hat, kann sechs Monate in der Transfergesellschaft die Zeit nutzen.

Die Papierfabrik Scheufelen gehört zur Paper Excellence Gruppe mit Sitz in den Niederlanden. Im vergangenen Jahr erzielte Scheufelen einen Umsatz von 195 Millionen Euro. „Wir sind die einzigen in Europa, die im Mutterkonzern Papier herstellen. Paper Excellence produziert hauptsächlich Zellstoff für den Weltmarkt“, erläutert Mehmet Simsek. Vor drei Jahren wurde Scheufelen von dem Konzern gekauft. „Die Marktlage hat uns im Stich gelassen. Der Mutterkonzern hat keinen Euro verdient. Somit ist die Entscheidung des Managements zu verstehen“, ist der Betriebsratsvorsitzende froh, dass die Oberlenninger Papierfabrik im Besitz eines Konzerns ist, der mittelbar mit Papier zu tun hat und eine langfristige Strategie verfolgt. „Ich hoffe, dass diese Maßnahme die nächsten Jahrzehnte Bestand hat und der Betrieb sich selbst tragen kann. Der Traditionsfirma ist es zu wünschen“, sagt Mehmet Simsek.