Lokales

Es war wahrscheinlich Mord

Oberstaatsanwalt a.D. Heinrich Wille sprach in Owen über die Causa Barschel

„Oberstaatsanwalt“, „Generalstaatsanwalt“ – selbst skeptische Zeitgenossen vertrauen solchen Autoritäten und billigen ihnen eine unbestechliche Objektivität zu. Wenn also ein „Leitender Oberstaatsanwalt“ an die Öffentlichkeit geht, indem er Unrechtmäßigkeiten eines Verfahrens beklagt, so erregt das Aufsehen.

Owen. Heinrich Wille ist in Talkshows aufgetreten und hat Interviews gegeben. Jetzt war er auf Einladung des CDU-Gemeindeverbands Lenninger Tal und der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft in der Owener Bernhardskapelle zu Gast. Er referierte über die Causa Barschel und brachte sein im letzten Jahr erschienenes Buch „Der Mord an Uwe Barschel – ein Mord, der keiner sein durfte“ unter die Leute.

Wille stellte klar, dass er weder Freund noch Parteigänger Barschels war. Es geht ihm, „aus anderer politischer Richtung kommend“, um Gerechtigkeit, angefangen mit den politischen Verdiensten Barschels als Ministerpräsident, zum Beispiel die Gründung des Nationalparks Wattenmeer oder des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, das mit dem Namen Justus Frantz verbunden ist. Diese Verdienste würden sogar von der derzeitigen CDU in Schleswig-Holstein totgeschwiegen.

1987 wird Barschel tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden. Heinrich Wille vertritt, wie Barschels Familie, die These: Es war Mord, auch wenn „Restzweifel“ bleiben. Er biete keinen Krimi mit einer endgültigen Lösung, sondern stelle vor allem Fragen.

Bevor der Referent aber auf die Indizien zu sprechen kam, schilderte er die Bedingungen, unter denen er ab 1993 für die Staatsanwaltschaft Lübeck arbeiten musste. Seine Recherchen seien vom BND, vom Generalstaatsanwalt und von der Gauck-Behörde gebremst, behindert oder sogar durch Geheimnisverrat sabotiert worden. Die Suizidtheorie war übermächtig. Die Medien reagierten entsprechend. Die Ermittlungen wurden eingestellt. 2007 verfasste Wille sein Buch, bekam aber einen „Maulkorb“. Erst vier Jahre später, nach seiner Pensionierung, konnte er es veröffentlichen.

Nach dem Referat der juristischen Schlammschlachten kam mit den Indizien für einen Mord doch noch so etwas wie Krimispannung auf. Für Mord spricht vor allem ein abgerissener Hemdknopf. Es sei unvorstellbar, dass ihn Barschel selbst abgerissen habe. Wahrscheinlicher sei eine Fremdeinwirkung. Darauf weise auch ein Hämatom an einer Schläfe hin. Weiterhin: Im Abfall wurde ein kleines Whiskeyfläschchen gefunden mit Giftresten. Es ist ausgewaschen worden. Für Wille eine klare Beseitigung von Tatspuren.

Für einen Mord spricht vor allem, was gegen einen Selbstmord spricht: Barschel war, bei allen zwielichtigen Geschäften, die er betrieb, eine religiös geprägte Person („Der Herrgott hat noch etwas mit mir vor“), er war nicht tablettensüchtig, er war familiär eingebunden und hatte Zukunftspläne. Den Medikamentencocktail, an dem er gestorben ist, habe er sich nicht selbst besorgen können.

Nach Willes Ausführungen muss das sture Beharren auf der Suizidtheorie das allgemeine Rechtsempfinden erschüttern. In der anschließenden Diskussion wurde die naheliegende Frage gestellt, ob eine Chance auf Wiederaufnahme des Verfahrens bestehe. Wille glaubt nicht daran, obwohl in Deutschland Mord nicht verjährt.