Lokales

Esslingen verliert seine Polizeidirektion

Mehr als 150 Beschäftigte müssen voraussichtlich nach Reutlingen umziehen

Gestern ist der letzte Funke Hoffnung erloschen: Die Landesregierung hat beschlossen, dass Esslingen seine Polizeidirektion verliert. Sitz des neuen Mammutpräsidiums für die Landkreise Esslingen, Reutlingen und Tübingen wird Reutlingen. Dafür sitzt die Kriminalpolizeidirektion künftig in Esslingen. Ängste und Hoffnungen liegen jetzt nah beieinander.

Kreis Esslingen. Hans-Dieter Wagner, Chef der Esslinger Polizeidirektion, weiß jetzt, dass er voraussichtlich 2013 in seinem Büro an der Agnespromenade das Licht ausschalten und einen Schreibtisch in Reutlingen erhalten wird. In welcher Funktion? Ungewiss. Der gesamte Führungsstab, die Verwaltung, die Notrufsachbearbeiter, die Mitarbeiter des Führungs- und Lagezentrums haben dann nach den Plänen der Landesregierung in Esslingen ausgedient.

„Hier aus dem Haus werden voraussichtlich 60 Kollegen aus dem Vollzugsbereich und mehr als 60 Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte umziehen müssen“, sagt Wagner. Er glaubt außerdem, dass es auch für die Verkehrspolizei mit ihren 70 Kollegen keine Zukunft in Esslingen gibt. Die Hundestaffel, die im Nürtinger Tiefenbachtal sitzt, werde aber bleiben. Und weit bedeutsamer noch: Die Kriminalpolizei bleibt mit 100 bis 110 Beamten vor Ort. Dazu kommen einige Kripobeamte aus Tübingen und Reutlingen. Dass Esslingen Sitz der Kriminalpolizeidirektion wird, ist eine Art Kompensation, aber über den Bedeutungsverlust der Stadt als großer Polizeisitz kann es nicht hinwegtäuschen. Für Wagner überwiegen trotz der Enttäuschung die Vorteile der Reform, zumal der Ministerpräsident versprochen hat, die Reviere unangetastet zu lassen.

Kriminalhauptkommissar Gundram Lottermann, Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, findet, die Reform sei überfällig gewesen, sie sei ein Schritt hin zu mehr Effizienz und Bürgernähe. „Dass Esslingen die Fachaufsicht über die Kriminalpolizei erhält, ist für uns eine Aufwertung.“ Wagner ist sogar überzeugt, dass die Spezialisten in Zukunft früher vor Ort sein können. Denn die Reform sieht einen Kriminaldauerdienst vor, der für das Gebiet zwischen Aichwald und Zwiefalten rund um die Uhr im Einsatz ist. Wo die Inspektion ihren Sitz haben wird, ist noch offen. Man werde versuchen, sie möglichst zentral anzusiedeln. „Ich denke, Nürtingen oder Metzingen wären günstig“, so Wagner.

Doch genau bei diesem Kriminaldauerdienst sieht Frank Förstermann, Polizeioberkommissar in Filderstadt und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises Nordwürttemberg, einen der zahlreichen Schwachpunkte der Reform: „Laut dem Eckpunktepapier des Innenministers ist er so dünn besetzt, dass er bei zwei bis drei größeren Ereignissen in dem Großgebiet völlig ausgelastet wäre. Bei einer schweren Straftat kann es also ewig dauern, bis ein Spezialist da ist.“ Zudem hält der Arbeitskreis die geplante Aufstockung der Reviere mit mehr Beamten letztlich für lächerlich: „Das sind pro Revier nur zwei Personen zusätzlich“, sagt Förstermann. Auch Landrat Heinz Eininger hält das nicht für eine messbare Verstärkung. „Der bewährte räumliche Gleichklang zwischen Polizeidirektion und Landratsamt wird aufgegeben, ohne dass eine nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Analyse zur Strukturreform vorliegt.“

Polizei-Chef Wagner sieht ebenfalls noch Schwachstellen der Reform. Ein Beispiel: Wenn in Zwiefalten jemand erstochen wird, das Morddezernat aber in Esslingen sitzt, bedeutet das sehr lange Wege. „Die Fahrzeuge und der teure Sprit sind schon jetzt riesige Kostenfaktoren. Das könnte in Zukunft gigantische Dimensionen annehmen und wird den Haushalt massiv beeinflussen.“

Den Mitarbeitern der Polizei stehen nervenaufreibende Monate bevor: Insgesamt 150 bis 200 Esslinger Polizisten, Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte müssen umziehen. Wagner schätzt, dass erst Ende des Jahres feststeht, wen es trifft. Er hofft, dass sich zum Beispiel für Teilzeitkräfte in der Verwaltung auch Arbeitsmöglichkeiten in anderen Behörden finden lassen.