Lokales

Fernsehabend vom Feinsten

Stadtkapelle Weilheim verabschiedet Joachim Parylak mit grandiosem Auftritt

Runter von der Coach, rein in den Konzertsaal: Zu ihrem Winterkonzert bot die Stadtkapelle Weilheim am Samstag ein Programm, das Oscar-Qualitäten hatte. Zugleich war es die Abschiedsvorstellung für Dirigent Joachim Parylak.

NICOLE MOHN

Weilheim. Samstagabend ist Fernsehzeit. Wetten, dass…, ein Reisemagazin, ein Leinwand-Klassiker oder doch lieber eine Dokumentation? Bei der Stadtkapelle Weilheim gab es vor voll besetztem Haus in der Limburghalle für jeden Geschmack etwas. Also „TV Musik“ einschalten, zurücklehnen und genießen.

Das Vorabendprogramm gestaltete das Jugendorchester. Und das schwärmt vor allem für die großen Hollywood-Streifen und -Helden. Im gemächlichen Trab sah man bei der Filmmusik zu „Winnetou und Old Shatterhand“ quasi die beiden Blutsbrüder über die Prärie reiten, so malerisch setzte der Nachwuchs die Filmmusik zu der beliebten Karl-May-Verfilmung um. Militärisch zackig, mit Snare-Drums, klarem Trompetensatz und sattem Blech dagegen die Titelmelodie zu „JAG – Im Auftrag der Ehre“, der US-Erfolgsserie über die Navy-Anwälte.

Ganz großes Kino gab es mit den beiden Blockbustern „Forrest Gump“ – wenn auch in einer Wiederholung, aber immer wieder gern von der Jugendkapelle gehört – und dem „Fluch der Karibik“. Kein Wunder also, dass nicht „gezappt“ wurde, sondern die Zuhörer noch ein Weilchen länger auf dem Jugendkanal bleiben wollten. Der Nachwuchs vergalt den Beifall mit einem swingenden und eingängig arrangierten Medley der schönsten Beatles-Songs.

Zum Abendprogramm betrat das Stammorchester die Bühne. Die Umbaupause nutzte Moderator Peter Brändle, um das „Wort zum Sonntag“ etwas vorzuziehen. „Ich weiß, das wird sonst genutzt, um schnell mal die Toilette aufzusuchen. Aber heute bleiben sie hier“, schmunzelte der Weilheimer Pfarrer, der gewohnt locker und charmant durch das Programm führte.

Mit einer strahlenden Fanfare mit dem Titel „Musik ohne Grenzen“ stieg das Stammorchester gleich auf hohem Niveau ein. Sie bildete zugleich den Auftakt zum letzten Akt der Stadtkapelle unter der Leitung von Joachim Parylak. Die Musiker machten ihrem Dirigenten vom ersten Ton an alle Ehre: Knackige Trompeten erhoben sich da über dem dichten Klangteppich des Orchesters.

Stand während des Abends eher das Blech im Vordergrund, gehörte die Bühne bei „Flutes forever“, wie der Name schon verrät, den Flötistinnen, die mit zauberhafter Leichtigkeit ein Zwiegespräch mit dem Orchester führten.

Den Höhepunkt des Abends dürfte zweifellos die ergreifende Inszenierung der Geschichte der Anne Frank gewesen sein. Otto M. Schwarz hat sie in Noten umgesetzt. Gefühlvoll und höchst emotional erlebte das Publikum nicht nur die unbeschwerte Kindheit des Opfers der Nationalsozialisten: Greifbar transportierte die Musik die Angst und den Schrecken, die diese Geschichte birgt. Verstärkt wurde der ergreifende Satz an diesem Abend mit Bildern aus dem Leben der Anne Frank. Ein zu Herzen gehendes, so intensives Stück, dass die Zuhörer einen Moment lang in Stille verharrten, bevor sie diese bravouröse und herausragende Leistung mit tosendem Beifall honorierten.

Nach der Pause kam der Schnitt zu leichterer Kost. Hörbar von der irischen Folklore inspiriert: „Lord Tullamore“, in dem die Musik von sanften Hügeln, fröhlichen Tänzen und mystischen Orten erzählt und Lust macht auf einen Besuch auf der Grünen Insel.

Danach schaltete das Orchester um auf Spannung und Verbrecherjagd: „Hawaii five 0“, die Krimi-Kultserie vom US-Inselstaat, wiederum mit hohem Blechanteil und drückendem Beat. Für die weiblichen Zuhörer gab es noch etwas fürs Herz: Das Thema aus „Robin Hood“ mit der romantischen Ballade von Brian Adams „Everything I do, I do it for you“.

TV Musik ohne die deutschen Fernseh-Klassiker Lindenstraße oder Schwarzwaldklinik? Undenkbar. Und so ließ die Stadtkapelle noch einmal die großen Serien-Hits der 80er und 90er auferstehen, bevor es Zeit wurde für das Aktuelle Sportstudio. Dazu schaltete die Stadtkapelle live ins Stadion, wo die Fans ihre Helden auf dem Rasen musikalisch feierten. Der flippige Mix aus Sambarhythmen und Schlachtgesängen sorgte für ausgelassene Stimmung auf den Rängen und Dirigent Parylak ließ die Zuhörer zur La-Ola-Welle abheben.

Nach so einem Fernsehabend mochte niemand abschalten. Mit dem beliebten Grönemeyer-Medley setzte die Stadtkapelle noch mal einen Glanzpunkt. Das feurige „Mambo“ mit seinen mitreißenden Percussion-Soli mussten die wie entfesselt spielenden Männer und Frauen des Musikvereins gleich zweimal anstimmen, um den Zugabe-Rufen gerecht zu werden.

Danach jedoch gab es kein Zurück mehr: Joachim Parylak verabschiedete sich nach fast zehn Jahren von der Stadtkapelle Weilheim und übergab den Taktstock an seinen Nachfolger Markus Heim. Er habe sich entschlossen zu pausieren, um mehr Zeit für seine Familie zu haben, erklärte der scheidende Musikalische Leiter. Das Stammorchester machte ihrem „Joe“ noch ein ganz besonderes Geschenk: Für ihn spielte sie die Rocky-Hymne „Gonna fly now“. Brillant vor allem die Trompeten, so dass es Parylak schließlich nicht mehr auf seinem Ehrenplatz hielt.

Nicht nur für ihn hieß es am Samstag Abschied nehmen. Mit Richard Frank verlässt eine echte Institution der Stadtkapelle die Reihen der Aktiven. Für seine Verdienste um den Verein und die Blasmusik ehrte ihn Georg Frank vom Blasmusikverband Esslingen mit der Erich-Ganzenmüller-Medaille in Gold. Für Helga Stehle, seit 20 Jahren bei der Stadtkapelle, gab es die silberne Ehrennadel und die Ehrenmitgliedschaft beim Weilheimer Musikverein.

Für die Stadtkapelle bricht nach dem Stabwechsel eine neue Ära an. Markus Heim jedenfalls ist hoch motiviert: „Es hat Riesenspaß gemacht, heute Abend zuzuhören“, sprach er seinem neuen Orchester ein großes Lob aus. Er sei „bis in die Haarspitzen motiviert“, hier weiter zu arbeiten, versprach er.