Lokales

Gedächtnislücken sollen nicht am Wandern hindern

Mit geschulten Begleitern können auch Demenzkranke wandern – Albverein strebt landesweite Struktur an

Von ihren körperlichen Voraussetzungen her könnten die meisten an Demenz erkrankten Menschen problemlos wandern. Doch können sie in eine Gruppe integriert werden? Der Schwäbische Albverein (SAV) und Demenz Support Stuttgart setzen auf kompetente Begleitpersonen: In Plochingen wurden die ersten 30 „Wanderbegleiter“ geschult.

Plochingen. Die Idee der Wanderbegleiter für Demenzkranke ist aus einem anderen Projekt entstanden: Seit einem Jahr bieten Demenz Support Stuttgart, eine bundesweit agierende Organisation, und der Albverein gemeinsam Wanderungen an. Sie laufen unter dem Dach des großen Projektes „Was geht!?“, das Bewegungsangebote für Menschen mit Gedächtnisstörungen öffnen will. Man wolle allerdings keine speziellen Angebote für diese Gruppe schaffen, betonte Peter Wißmann, Geschäftsführer von Demenz Support Stuttgart, sondern bestehende Möglichkeiten für sie tauglich machen. Naheliegend sind Aktivitäten, die den Betroffenen vertraut sind, zum Beispiel Wandern.

An den offenen Wanderungen, die einmal monatlich in und um Stuttgart stattfinden, nehmen Menschen mit Demenz ebenso teil wie ihre Partner, andere Familienangehörige oder andere Wanderfreunde. Sie seien gut besucht und fänden positive Resonanz, berichtet Karin Kunz von der Heimat- und Wanderakademie des SAV. Paaren mit einem erkrankten Partner böten sie die Chance, im geschützten Rahmen etwas gemeinsam zu unternehmen. Auch Berührungsängste würden schnell abgebaut, wenn man gemeinsam unterwegs ist.

Als schwierig habe sich aber erwiesen, wenn demenzkranke Teilnehmer alleine kommen. Sie bräuchten eine engere Betreuung, die vom Standard-Team – zwei Albvereins-Wanderführer und eine Begleitperson von Demenz Support – oft nicht geleistet werden könne. Aus dieser Erkenntnis entstand der Gedanke an zusätzliche Begleiter. Angesprochen sind Menschen, die selbst gern wandern und bereit sind, sich dabei um einen Menschen mit Demenz zu kümmern.

Immerhin 30 Personen aus dem Kreis Esslingen und aus Stuttgart kamen beim ersten Seminar in Plochingen zusammen, aktive Albvereinler ebenso wie Externe – und keineswegs ausschließlich die rüstigen Rentner, mit denen die Veranstalter gerechnet hatten. „Da sind auch Junge dabei“, bestätigte Kunz. Beim Seminar ging es zunächst um den Blick auf Menschen mit Gedächtnisstörungen, die trotz ihrer Krankheit ganz unterschiedliche Persönlichkeiten mit eigenen Bedürfnissen sind. Als solche sollten sie auch wahrgenommen werden und nicht vorrangig durch die „Schablone Demenzkranker“, betonte Peter Wißmann.

Für alle Teilnehmer, die weitermachen und sich für entsprechende Gruppen zur Verfügung stellen, werde es „eine kontinuierliche fachliche Begleitung geben“, versicherte er, denn die Fragen kämen oft erst in der Praxis. Ziel sei, nach und nach eine landesweite Struktur aufzubauen. Wolfgang Raisch, Vorsitzender des Plochinger Seniorenrates und Initiator der dortigen Demenz-Kampagne, weiß, dass es einen langen Atem braucht, um solche Angebote zu etablieren. Die Hemmschwelle sei bei allem, was mit Demenz verbunden werde, hoch. Man müsse das Bewusstsein dafür schaffen, dass die Krankheit „keine familiäre Schande“ sei, sagte Bürgermeister Frank Buß. Er sah in der Verbindung von Bewegung und sozialem Engagement auch eine Chance für den Albverein, sich zu verändern und zu verjüngen.