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Geht‘s der Krawatte an den Kragen?

Krawatte binden
Krawatte binden

Heute ist Weiberfasching – und damit droht Krawatten Ungemach. Doch halt, für scherenbewehrte Närrinnen werden die Zeiten immer härter: Schlipslose Hälse sind im Trend.

Irene Strifler

Der größte Feind der Krawatten sind nicht die Damen außer Rand und Band; es ist der Zeitgeist.

Offene Hemdkragen allerorten: Regierungschef Tsipras aus Griechenland und sein Finanzminister Varoufakis touren frech ganz ohne Binder durch Europas Parlamente und Regierungssitze – und lassen alteingesessene Minister mitunter in jeder Hinsicht alt aussehen. Hart-aber-fair-Moderator Frank Plasberg ist zur besten ARD-Sendezeit oft der einzige Mann ohne Schlips vor der Kamera. Sind diese Promis Trendsetter?

„Der Grieche geht ganz schön hart ran!“, meint einer, der es wissen muss: Helmut Locher, seit 1969 Inhaber der Kirchheimer Herrenkommode: „Das offene Hemd passt zu Tsipras‘ Alter“, räumt der gelernte Scheidermeister ein, ergänzt aber streng: „Es passt aber nicht zu seiner Funktion!“ In gehobenen Berufen sei die Krawatte nach wie vor ein gesellschaftliches Muss: Der Schlips drückt die Wertschätzung des Gegenübers aus.

Und das offene Hemd? „Ist eher ein Bekenntnis zur Freiheit“, meint Helmut Locher, selbst auch kein passionierter Krawattenträger: „Ich brauche Luft!“ Die Lösung für sein Problem kam in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Markt und sogleich bei ihm ins Regal: schmucke Designerhemden. Die edlen Klassiker sind eine Zier – und weit entfernt von dem, was so manch ein eingefleischter Krawattengegner dem Gegenüber präsentiert: ein Schlabberhemd, das einfach nicht bis oben geschlossen wird.

Der Einfluss der Griechen aufs Abendland ist unbestritten, ebenso ihre aktuelle Bedeutung für die europäische Politik, den Euro und die Börsen. Ob sie die offizielle Businessmode aus den Angeln heben, bleibt aber abzuwarten. Schließlich hat sich auch ein (modisch) revolutionärer Geist wie einst Joschka Fischer irgendwann klammheimlich dem gesellschaftlichen Krawattendiktat unterworfen.

Lochers Kundschaft jedenfalls trägt Schlips entweder im Job oder zu großen Festivitäten. Gelegenheitsträger verrät der Knoten: Während der Herrenschneider versiert mit flinken Händen die Krawatte bindet, müssen sie schon mal bei Youtube in Nachhilfe gehen.

Dennoch: Der Schlips wird vielleicht seltener, doch er gehört zum Fest wie das Salz zur Suppe. „Für die Konfirmationszeit habe ich ein paar ganz besondere Exemplare auf der Messe besorgt“, verrät der Fachmann augenzwinkernd, dass die Jugend durchaus in die Fußstapfen der Altvorderen tritt. Out ist aber auf jeden Fall eines, nämlich breite Krawatten. „Über acht Zentimeter hi­naus geht gar nichts mehr“, sagt Locher. – Ein klarer Vorteil heute für die flinken Scheren der Närrinnen: Ja schmaler der Schlips, desto schneller ist er ab.