Lokales

„Gleiches Geld für gleiche Arbeit“

Kirchheimer Gemeinderat gibt künftig mehr Geld für Erzieherinnen aus

Die Stadt Kirchheim schneidet einen alten Zopf ab: Da es den klassischen Kindergarten nicht mehr gibt, gibt es nun auch nicht mehr die klassische Einteilung in Erst- und Zweitkräfte bei Erzieherinnen. Alle müssen zu langen Öffnungszeiten immer gleich hohe Qualität bieten, deswegen bekommen bald auch alle den gleichen Lohn.

Essen gehört in der Tagesstätte schon immer dazu. Mittlerweile haben sich in allen Kindergärten die Öffnungszeiten enorm ausgede
Essen gehört in der Tagesstätte schon immer dazu. Mittlerweile haben sich in allen Kindergärten die Öffnungszeiten enorm ausgedehnt, ebenso sind die Anforderungen an die Erzieherinnen gewachsen. Diesem Umstand will Kirchheim durch ein neues Entlohnungssystem Rechnung tragen.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. „Das Modell mit Erst- und Zweitkräften stammt aus einer Zeit mit kürzeren Öffnungszeiten“, erläuterte Hauptamtsleiter Stefan Wörner in der Gemeinderatssitzung. Mittlerweile sind die Öffnungszeiten der Kindergärten viel länger geworden, die Betreuungszeiten flexibler und das Altersspektrum breiter. Hinzu kommen höhere Anforderungen. „Durch den Schichtbetrieb nehmen oft Zweitkräfte automatisch häufig die Arbeit der Erstkräfte wahr“, meinte Wörner. „Wir müssen flexibel sein und die Qualität der Betreuung halten, auch wenn eine Erzieherin ausfällt“, ergänzte Geschäftskreisleiter Gerd Gertitschke einen weiteren wichtigen Aspekt.

Bisher ist es so, dass alle Zweitkräfte schlechter bezahlt werden als die Erstkräfte, ganz egal, ob sie staatlich anerkannte Erzieherinnen sind oder Kinderpflegerinnen. Auf Kinderpflegerinnen soll künftig nur noch bei Bewerbermangel zurückgegriffen werden. Um der Realität gerecht zu werden und auf dem heiß umkämpften Markt qualifizierte Mitarbeiterinnen zu halten, hat die Verwaltung nun vorgeschlagen, alle gelernten Erzieherinnen in die Entgeltgruppe S6 einzustufen. Das bedeutet also mehr Geld für viele bisherige Zweitkräfte.

Auch der wachsenden Bürokratisierung im Erziehungsbereich will die Stadt Rechnung tragen: Künftig sollen die Gruppenleiterinnen zu zehn Prozent ihrer regelmäßigen Ar­beitsstellung freigestellt werden. Ober­bürgermeisterin Angelika Matt-Hei­decker betonte, dass es sich hierbei um eine Freiwilligkeitsleistung der Stadt handle. Tatsache sei aber, dass die Verwaltungsarbeit dramatisch angewachsen sei. Die siebengruppige Kindertagesstätte ist mit einer kompletten Leitungsstelle ausgerüstet. Unterm Strich ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Stadt 3,6 weitere Stellen schaffen muss.

Den Vorschlag der Verwaltung, die Entlohnung der Erzieherinnen zu ändern, bezeichnete Hans Gregor von der SPD als gerecht: „Die Eltern erwarten um 7 Uhr die gleiche Leistung wie um 17 Uhr. Das kann eine einzige Fachkraft nicht leisten.“ Auch der FDP-Vorsitzende Bernd Most sah angesichts langer Öffnungszeiten für die Erzieherinnen eine andere Anspruchsgrundlage als früher gegeben. Manfred Machoczek von den Grünen kündigte an, im Auge behalten zu wollen, ob die zehnprozentige Leitungsfreistellung ausreichend sei. Schließlich gehe es darum, als Stadt weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

„Die Korrektur ist gut und richtig“, betonte Dr. Silvia Oberhauser, Fraktionsvorsitzende der Frauenliste. Ohnehin würden im Beruf der Erzieherin keine Reichtümer verdient. Von einer „folgerichtigen Entscheidung“ sprach Katja Seybold von der CIK. Sie nannte als Argument, dass auch die Leiterinnen Entlastung erführen, wenn die Zweitkräfte ihnen gleichgestellt würden und somit offiziell gleichwertige Arbeit leisteten. „Die Angleichungen sind längst überfällig“, meinte auch Eva Baudouin von der CDU. Alle Erzieherinnen nähmen einen intensiven Bildungsauftrag wahr, der mit viel Elternarbeit verbunden sei.

Sorgen um die Stadtkasse machte sich Ralf Gerber von den Freien Wählern. Nach Berechnungen der Verwaltung schlägt die geplante Höhergruppierung mit 155 000 Euro im Jahr zu Buche. Die Kosten für die Leitungsfreistellung belaufen sich auf etwa 156 000 Euro im Jahr. Insgesamt handelt es sich also um Mehrkosten in Höhe von über 300 000 Euro. Angesichts dieser Summe suchte Gerber nach Alternativen. Die Arbeit der Erzieherinnen wollte er dabei nicht infrage gestellt wissen. Wenn gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelte, sei im Grunde sogar zu überlegen, ob die Gerechtigkeit eine Höherstufung auch aller Kinderpflegerinnen erforderlich mache. Gerber stellte den Antrag, die Freistellung für die einzelnen Gruppen lediglich auf sieben Prozent der Wochenarbeitszeit zu erhöhen. Dieser Antrag erhielt allerdings nur 8 Ja-Stimmen bei 22 Nein-Stimmen. Dagegen votierten anschließend 25 Räte für die zehnprozentige Freistellung. Einstimmig abgesegnet wurde die Höherstufung der bisherigen Zweitkräfte.