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Gutachter: Alle vier Angeklagten sind schuldfähig

Im Prozess um den Mordversuch von Schlierbach wurde gestern die Beweisaufnahme abgeschlossen

Aus psychiatrischer Sicht sind im Prozess um den Mordversuch von Schlierbach im August 2013 alle vier Angeklagten schuldfähig. Morgen tragen Staatsanwalt und Verteidiger ihre Plädoyers vor.

Schlierbach/Ulm. Welches Motiv steckt hinter der Tat? Ein 26 Jahre alter Betreiber eines Pferdehofs in Kirchheim soll einen 19-Jährigen aus Heiningen und dessen 23 Jahre alten Kumpel aus Bad Boll angeheuert haben, um einen 45 Jahre alten Kirchheimer zu töten – nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft aus Eifersucht. Die Tat geschah am helllichten Vormittag auf einem Feldweg bei Schlierbach. Der mutmaßliche Anstifter soll das Tatfahrzeug selbst gefahren haben. Die Waffe für das Verbrechen soll ein der Beihilfe angeklagter, 48-jähriger Arbeiter besorgt haben, der auf dem Pferdehof aushalf.

Zum Abschluss der Beweisaufnahme hat die 6. Große Jugendkammer des Landgerichts Ulm Lebensumstände und Persönlichkeit der vier Männer näher beleuchtet. Alle vier Beschuldigten seien schuldfähig, erklärte der vom Gericht bestellte Gutachter. Hinweise auf Geistes- oder Wahrnehmungsstörungen könne er ausschließen, sagte der Psychiater.

Die Schüsse im Maisfeld hat der Jüngste des auf der Anklagebank sitzende Quartetts abgegeben. Der 19-Jährige ist strafrechtlich kein unbeschriebenes Blatt, er hat mehrere Vorstrafen verbüßt – unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls und Drogendelikten. Eine weitere Anklage, die gestern bekanntgegeben wurde, stammt aus jüngster Zeit: In der Untersuchungshaft soll der Heininger gemeinsam mit anderen Inhaftierten einen Mithäftling mehrfach sexuell missbraucht haben.

Der Gutachter bescheinigte dem 19-Jährigen, der sich vor Gericht betont cool gibt und scheinbar gelangweilt die Verhandlung verfolgt, „narzisstische, geltungssüchtige Züge und Selbstwertprobleme“.

Seine Haltlosigkeit kompensiere er durch ein statuiertes kriminelles Selbstbild. Bei dem jungen Mann steht die Kammer vor der Entscheidung, ob das Jugendstrafrecht angewandt wird. Der Psychiater gab dazu keine Empfehlung, machte jedoch deutlich, dass er eine „Ich-Stärkung“ des Angeklagten, der im Gefängnis eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker machen will, für sehr wichtig hält. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe hatte dafür plädiert, bei dem 19-Jährigen das Jugendstrafrecht anzuwenden, um ihm die Chance zu geben, „eine eigene Identität, statt eine Rolle zu entwickeln“.

Das Bild eines rechtschaffenen Mannes, der den elterlichen Hof umstrukturiert und in Schuss bringt, versucht der mutmaßliche Anstifter des Mordversuchs zu vermitteln. Eifersucht und Aggression seien ihm fremd, hatte er gegenüber dem Gutachter zu Protokoll gegeben. Die Liste der Vorstrafen, die Richter Gerd Gugenhan verlas, spricht eine andere Sprache: Der 26-Jährige ist mehrfach wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, dabei spielten auch gescheiterte Beziehungen eine Rolle. Das Landgericht Stuttgart hat den Landwirt in zweiter Instanz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er auf einem Feldweg mit seinem Auto frontal auf ein Pferdegespann zugefahren war. Der Kirchheimer hatte auch damals angegeben, die Tat nicht begangen zu haben. Auch die Beteiligung an dem Mordversuch von Schlierbach streitet der gelernte Metzger ab. Eine abschließende Einschätzung konnte der Psychiater zum Verhalten des Angeklagten nicht geben. Jedoch schloss er es nicht aus, dass der Landwirt, dem er ein „sehr geringes Einfühlungsvermögen“ attestierte, ein völlig falsches Bild von sich habe und ihn die Trennung von seiner früheren Freundin so gekränkt habe, dass er sich in seinem Selbstwertgefühl massiv bedroht gefühlt habe.

Um eine „haltlose und selbstunsichere Persönlichkeit“ handelt es sich nach Einschätzung des Gutachters bei dem 23 Jahre alten Bad Bollers, der bei der Tat dabei war. Der junge Mann, der ebenfalls ein langes Vorstrafenregister aufweist, sei sehr beeinflussbar und sein Verhalten abhängig vom jeweiligen Milieu, in dem er sich aufhalte. Auffällig bei dem 48-Jährigen, der Beihilfe Beschuldigten, sei dessen starker Alkoholkonsum. Dessen Einsichtsfähigkeit sei dadurch jedoch nicht eingeschränkt, er sei voll schuldfähig.