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Hier spielt die Popmusik

Kilian Haiber ist erster Popmusikbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Gottesdiensten zu mehr Frische verhelfen und Jugendbands auf ihrem Weg unterstützen – das sind nicht die einzigen Ziele und Aufgaben von Kilian Haiber. Der erste Popmusikbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist im Kirchenbezirk Kirchheim tätig.

Kirchheim. Kilian Haiber kann sich seit Kurzem über eine neue Herausforderung freuen. Zum ersten Mal gibt es einen Popmusikbeauftragten in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Mit der Hilfe von Kilian Haiber soll Popularmusik der Kirche eine modernere Note verleihen. Da die Zeit bekanntlich die Geschmäcker wandelt und die Kirche diesen gerecht werden will, sollen laut Kilian Haiber zusätzlich zu den „klassischen“ Kirchenmusikerstellen auch welche für Popularmusik geschaffen werden.

Obwohl Haiber von Kindesbeinen an leidenschaftlich Klavier und Keyboard spielt, absolvierte er nach der Realschule zunächst eine Ausbildung zum Elektroniker. Erst während dem anschließenden Besuch der Technischen Oberschule sei der Gedanke aufgekommen, das Hobby zum Beruf zu machen. So begann er mit 25 ein Jazz- und Popularmusikstudium in Zürich und machte sich direkt im Anschluss als Musiker selbstständig.

Heute arbeitet er freiberuflich unter anderem als Keyboarder, Pianist und Produzent. Er spielt nicht nur auf Hochzeiten, sondern betreut auch Bands, hat Studioprojekte und macht Aufnahmen mit Sängern, gibt Unterricht und Workshops. Da wundert es nicht, dass er sich erfolgreich für den Job als Popmusikbeauftragter be­werben konnte. Der definitiv breit ­gefächerte Freiberufler wohnt in Lein­felden-Echterdingen, sein Studio hat er in Filderstadt-Plattenhardt, und als Popmusikbeauftragter ist er in Kirchheim und Umgebung tätig.

Da es hier bisher noch keinen Popmusikbeauftragten gab, stellt sich die Frage, was das überhaupt ist. „So genau ist die Stelle noch gar nicht definiert. Aber ich habe zum Beispiel bei der Church Night und der Kirchheimer Musiknacht mitgeholfen und betreue Bands von Jugendgottesdiensten.“ Er besucht die Bands bei ihren Proben, hilft ihnen bei technischen Fragen, begleitet sie zu Auftritten, setzt neue Akzente. Heutzutage sei es ein Problem, dass viele Menschen von der Studiomusik verwöhnt und deshalb erstaunt seien, wenn sie einen Musiker oder eine Band live spielen hören, diese aber nicht so gut sind wie auf der CD. Deshalb sei es schwer, live zu musizieren und aufzutreten. Hinzu kommt, dass laut Kilian Haiber die meisten Bands, die er betreut, aus einem Hobby oder zum Beispiel dem Konfirmandenunterricht heraus entstehen und noch nicht so viel Erfahrung haben.

„Wer als Band auftreten will, muss gut sein.“ Deshalb will Kilian Haiber den Bands zu mehr Professionalität verhelfen. Die Bands, die er betreut, sind zwar grundsätzlich kirchliche, doch privat spielen sie oft auch Popsongs. Durch die Arbeit mit ihnen möchte Kilian Haiber erreichen, dass Jazz und Blues auch innerhalb der Kirche möglich werden. Er will, dass die Leute, die normalerweise nicht in die Kirche gehen, aufhorchen und ihr Interesse geweckt wird. „Es geht da­rum, Popsongs in die Kirche zu bringen und kirchliche Lieder modern zu gestalten. Meistens ist es doch so, dass jemand die Musik in der Kirche erlebt, dann ins Auto steigt, das Radio anschaltet und die Lieblingslieder, die er da hört, egal ob Katy Perry oder Nickelback, nichts mehr mit der Kirchenmusik zu tun haben. Und das ist schade.“

Doch Kirche und moderne Popmusik lassen sich durchaus miteinander verbinden. Es gibt einige Musiker, die mit ihren Liedern die Charts stürmen, aber dennoch christliche Texte singen. Und das sei laut Haiber die Kunst: mit dem Glauben die Musik nicht plattzumachen.

Die Jugendlichen hätten bereits begriffen, dass sich moderne Musik durchaus in die Kirche bringen lässt. Schon lange gibt es Jugendgottesdienste. „Man fängt also nicht bei null an.“ Er will als Popmusikbeauftragter eher die Gemeinde sensibilisieren. Eine große Hilfe seien dabei die Pfarrer, die dem Ganzen durchaus positiv gegenüberstünden und der Sache offen entgegenblicken. So auch Ralf Sach, Bezirkskantor der evangelischen Kirche in Kirchheim. Trotzdem dürfe laut Haiber Popmusik in der Kirche noch selbstverständlicher werden.

Was bei dem Ganzen jedoch nicht vergessen werden darf, sind die Geschmäcker, die sich zwar wandeln, aber immer noch sehr verschieden sind. Menschen jeden Alters sind in der Kirche engagiert, und „es ist natürlich ein Unterschied, ob ich eine Veranstaltung betreue oder Musik für den Gottesdienst brauche“. Zwar sollen moderne Popsongs auch sonntagmorgens in den Gottesdienst einfließen, „doch es soll ja nicht nur Popularmusik gespielt werden“. Das Ziel ist eher, den Gottesdienst frischer, musikalisch moderner zu machen. Viele Menschen könnten sich in der Kirche vor Ort noch nicht wiederfinden. Doch gerade das sei wichtig und somit Ziel: „Gottesdienst sollte etwas sein, wohin ich gehen und der sein kann, der ich bin, mit dem, an was ich glaube.“

Nach jahrelangen Tourneen mit dem Musical „We will rock you“ wollten es Haiber und seine Frau, ebenfalls am Musical beteiligt, ruhiger angehen lassen. „Bis die Show mit der Premiere eröffnet wird, vergehen locker sechs bis acht Wochen Proben, sechs Tage die Woche, jeweils zehn bis zwölf Stunden lang.“ Da sei die offene Stelle in Kirchheim gerade richtig gekommen. Kilian Haiber erzählt, dass er in seiner Jugend auch schon in der Kirche gespielt hat und dadurch gefördert worden ist. Diese Zeit hat sich definitiv positiv auf seine spätere Karriere in der Musikbranche ausgewirkt und ist auch auf jeden Fall einer der Gründe, warum das Thema Kirche weiterhin präsent blieb. Die harte Arbeit beim Musical hat natürlich Spaß gemacht, weil man als Künstler gerne Glamourluft schnuppert, doch dort geht es in erster Linie um das Produkt. Im Gegensatz zur Arbeit in der Kirche. „Der persönliche Kontakt, die Arbeit mit den Menschen und ihren Lebensgeschichten ist schön. Man kann in gewisser Weise Entscheidungen selbst treffen, auf die man bei der Musicalarbeit keinen Einfluss hat.“

Jetzt kann er sich auch als Person einbringen, und durch die Kreativität, die die Arbeit mit sich bringt, kann man einiges bewegen. Kilian Haiber sieht auf jeden Fall den Vorteil, den die Musicalarbeit hat und den er im neuen Job einbringen kann: Die Disziplin, die bei der Profiarbeit gefragt ist und vorausgesetzt wird, ist auch für den Erfolg bei der neuen Aufgabe wichtig. Außerdem ist es für die Jugendlichen immer interessant, zu sehen, wie es die Profis machen. Die beiden Bereiche zeigen, „dass überall nur mit Wasser gekocht wird“. Bei beiden dürfen laut Kilian Haiber aber zwei Dinge nicht fehlen: der Spaß und die Kreativität.