Lokales

Keine Grabmale aus Kinderarbeit

Lenninger Gemeinderat diskutierte kontrovers über Zertifizierung – Neu: Urnenrasengrab

Kinderarbeit lehnt auch in Lenningen jedes Mitglied des Gemeinderats ab. Wie dies aber in der Friedhofsatzung umgesetzt werden soll, darüber lässt sich offenbar trefflich streiten – wie das Gremium in seiner jüngsten Sitzung eindrücklich demonstrierte.

Auf dem Gutenberger Friedhof gibt es künftig auch Urnenrasengräber. Foto: Jean-Luc Jacques
Auf dem Gutenberger Friedhof gibt es künftig auch Urnenrasengräber. Foto: Jean-Luc Jacques

Lenningen. Gleich drei Entscheidungen hatte der Lenninger Gemeinderat bei der Änderung der Friedhofsatzung zu treffen. „Die erste ist eine gesellschaftliche, die Zweite eine politische und die dritte eine finanzielle“, verdeutlichte Bürgermeister Michael Schlecht. Die politische Entscheidung hatte es in sich, dafür sorgte – gewollt oder ungewollt – Karl Boßler, der nicht nur Mitglied des Lenninger Gemeinderats ist, sondern auch Kreishandwerksmeister, weshalb sein Herz ganz offensichtlich für die Steinmetzbetriebe schlug. Alle EU-Staaten – darunter beispielsweise auch Rumänien und Bulgarien – sind für ihn per se Musterknaben. Deshalb brauchen weder Steinbruchbetriebe noch Steinhändler aus diesen Ländern ein Zertifikat, in dem sie versichern, keine Grabsteine und -einfassungen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verkaufen. Gleicher Ansicht ist offenbar auch die Stadt Karlsruhe, denn aus deren Satzung zitierte Karl Boßler die entsprechende Passage.

„Wir halten schon aus Rechtssicherheitsgründen an unserer Formulierung fest, die der Gemeindetag vorschlägt. Eigenerklärungen der Betriebe nützen in dem Fall wenig“, stellte Michael Schlecht klar, der im gleichen Atemzug jedoch keinem einheimischen Betrieb unterstellen will, Steine aus Kinderarbeit zu verwenden. Daraufhin entbrannte eine kontroverse Diskussion über Sinn und Unsinn eines Zertifikats: Wie oft muss es aktualisiert werden? Wer muss es machen? Ist es ein zusätzlicher finanzieller Aufwand? Macht es Mehrarbeit?

Schließlich einigte sich das Gremium darauf, den Antrag zu splitten. Einstimmig sprach es sich gegen Kinderarbeit aus. Dann wurde über den Verwaltungsvorschlag bezüglich der Zertifizierung abgestimmt, da er der weiterreichendere war – er verlangt auch von Betrieben in EU-Ländern Zertifikate. Bei sechs Nein- und zwölf Ja-Stimmen erhielt er die Mehrheit.

Nun ging es um den Stichtag, ab dem die Verordnung greift. Die Verwaltung schlug den 1. Januar 2014 vor. Diese Übergangszeit war vielen Gemeinderäten zu kurz. „Viele Steinmetze bereiten ihre Grabsteine im Frühjahr vor, wir sollten ihnen also eineinhalb Jahre Zeit geben“, erklärte Wolfgang Tröscher. So wurde bei drei Gegenstimmen beschlossen, dass die Satzung am 1. Juli 2014 in Kraft tritt.

Weitaus unproblematischer gestaltete sich die Entscheidung, eine zusätzliche Bestattungsform in Lenningen einzuführen: Urnenrasengräber. Ein solches Feld wird es künftig auf dem Friedhof in Gutenberg geben. „Mit dieser Grabart kann der Spagat erreicht werden, mit wenig Pflegeaufwand einen Ort der Trauer zu haben, der den Hinterbliebenen allein zur Verfügung steht und die Möglichkeit bietet, ihrer Trauer Ausdruck zu geben“, so die Auffassung der Verwaltung. Solche Gräber sind ohne Einfassung und Plattenbeläge, das Grabmal liegt im Gras, um das gemäht wird. Für ein Urnenrasen-Reihengrab liegen die Gebühren bei 511 Euro, dazu kommt noch ein Pflegezuschlag von 357 Euro. Die Laufzeit beträgt 20 Jahre. Ein Urnenrasen-Wahlgrab besteht 40 Jahre und kostet über 1 500 Euro Gebühr, der Pflegezuschlag beläuft sich auf knapp 880 Euro. „Es ist eine zweite Beisetzung bei doppelter Nutzungszeit möglich“, begründete Kämmerer Rudolf Mayer den fast dreifachen Preis.

Schließlich ging es noch um die Anpassung der Bestattungsgebühren. Seit 1. Januar 2009 sind die Kosten unverändert. Nun beantragte das Bestattungsunternehmen Holt eine Erhöhung. „Zehn Prozent sind die vertragliche Obergrenze, wir liegen bei 7,5 Prozent“, erklärte Rudolf ­Mayer. Grundlage ist die tarifliche Erhöhung des öffentlichen Dienstes seit der letzten Preisanpassung. „Die ist zulässig und erscheint vor dem Hintergrund der allgemeinen Preissteigerung in den vergangenen Jahren auch nachvollziehbar“, so der Kämmerer. Seit 2009 ergibt sich beispielsweise rechnerisch eine durchschnittliche jährliche Erhöhung von etwa 1,7 Prozent für Erdbestattungen und 1,67 Prozent für Urnenbestattungen. Ein Reihengrab kostet ab dem 1. Juli dieses Jahres 500 statt bisher 465 Euro, ein Kindergrab 265 statt 250 Euro und ein doppelt tiefes Wahlgrab 595 statt 555 Euro. Für ein Urnengrab mit Trauerredner müssen die Angehörigen künftig 250 statt 235 Euro bezahlen, für ein Urnengrab ohne Redner 220 statt 205 Euro.

Der Anpassung der Bestattungsgebühren stimmte der Gemeinderat einstimmig zu.