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Keine Sargpflicht mehr für Muslime

Bestatter sehen noch offene Fragen – Yakub Kambir von der Ditib-Moschee: „Positives Signal“

Das Bestattungsrecht im Land soll reformiert werden: Muslime sollen ihre Verstorbenen in Leintüchern bestatten dürfen. Die Sargpflicht entfällt. Viele Bestatter in der Region sind davon gar nicht begeistert.

Die Sargpflicht für Muslime wird in diesem Jahr abgeschafft. Stefan Jäck (links) vom gleichnamigen Weilheimer Bestattungsinstitu
Die Sargpflicht für Muslime wird in diesem Jahr abgeschafft. Stefan Jäck (links) vom gleichnamigen Weilheimer Bestattungsinstitut sieht durch die Gesetzesänderung Probleme auf Bestatter und Kommunen zukommen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kreis Esslingen. Das Land Baden-Württemberg will den hier lebenden Muslimen die Möglichkeit geben, ihre Verstorbenen ihrem Glauben gemäß in Leintüchern zu bestatten. Außerdem soll eine Bestattung künftig, wie in islamischen Ländern üblich, binnen 24 Stunden ermöglicht werden. Bislang müssen ab dem Todeszeitpunkt mindestens 48 Stunden vergangen sein. Die Änderung des Gesetzes gilt als sicher; das Landesparlament befasst sich voraussichtlich im Frühjahr mit der Novelle.

„Die Gesetzesänderung ist unausgegoren. Es sind noch viele Fragen offen“, ärgert sich Stefan Jäck, Inhaber des gleichnamigen Weilheimer Bestattungshauses. Er sieht den im Grundgesetz verankerten Gleichstellungsgrundsatz in Gefahr. So soll die Sargpflicht für Muslime und Juden entfallen, für Christen aber nicht. „Wenn schon eine Änderung kommt, dann sollte sie für alle gelten“, betont Jäck. Er rechnet fest damit, dass Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht klagen werden.

Auf sein Unternehmen, aber auch auf die Kommunen sieht der Bestatter durch die Gesetzesänderung Prob­leme zukommen. Zum einen sei nicht geklärt, wie die in Leintücher gewickelten Verstorbenen ins Grab gelegt werden. Bei der Tuchbestattung müsse jemand in die Grube steigen. „Unsere Gräber sind aber viel tiefer als in islamischen Ländern üblich“, gibt Jäck zu bedenken. Unklar sei auch die Frage der Hygiene. Litt der Verstorbene an einer ansteckenden Krankheit, bestehe Infektionsgefahr. Problematisch sei aber auch die Tatsache, dass ein Leichnam „vor allem in unserem lehmigen, nassen Boden“ nicht so schnell verwese, wenn er nur in ein Leintuch gewickelt sei. Die Folge seien viel längere Belegzeiten der Gräber, was wiederum mit höheren Kosten für die Angehörigen verbunden sei. Unklar sei da­rüber hinaus, wie man überhaupt nachweisen könne, dass der Verstorbene Moslem war – denn dies sei nirgendwo registriert.

Karlheinz Holt vom gleichnamigen Kirchheimer Bestattungsinstitut sieht das ähnlich. Vor allem für kleine Kommunen sei es schwierig, spezielle Grabfelder auszuweisen, die nach Mekka – also nach Osten – ausgerichtet sind. Für Holt sind darüber hinaus weitere Fragen offen – zum Beispiel: „Wer darf den Verstorbenen ins Grab legen? Darf dies ein Christ tun? Muss es die Gemeinde übernehmen? Oder machen es die Angehörigen selbst?“. Offen sei außerdem, ob die Kommunen im Hinblick auf den 24-Stunden-Zeitraum dazu bereit seien, auch samstags und sonntags Bestattungen durchzuführen.

Nicht zuletzt stelle die rituelle Waschung des Verstorbenen die Bestattungsunternehmen vor Herausforderungen. „Im islamischen Glauben gibt es ganz andere Rituale als bei uns“, sagt Holt.

Bislang werden in der Region nur sehr wenige Moslems bestattet, weiß Holt; die meisten Menschen würden in ihren Heimatländern die letzte Ruhe finden. Wie Stefan Jäck bestätigt, haben viele Moslems eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen, über die die Flugkosten finanziert werden. Durch die Gesetzesänderung werden künftig mehr Moslems ihre Verstorbenen im Land bestatten lassen, ist Holt überzeugt. Er hofft, dass die Kommunen das Gespräch mit den Menschen islamischen Glaubens suchen, um gemeinsam Antworten auf die noch offenen Fragen zu finden.

Grundsätzlich positiv steht Johan Homburg vom gleichnamigen Bestattungsinstitut mit Hauptsitz in Denkendorf und zwei Filialen in Kirchheim einer Liberalisierung des Bestattungsrechts gegenüber. Dennoch glaubt auch er, dass die Bestatter und das Friedhofspersonal durch die Gesetzesnovelle mit Problemen konfrontiert werden – zum einen durch die bislang unbeantwortete Frage der Hygiene und zum anderen durch den noch unklaren Ablauf der Tuchbestattung. „Das bleibt leider an uns und dem Friedhofspersonal hängen“, befürchtet er.

Als ein „positives Signal, das sehr wohlwollend von den Muslimen aufgenommen wird“, bezeichnet Yakub Kambir, der Vorsitzende der Kirchheimer Ditib-Moschee, das Ende der Sargpflicht. Er geht davon aus, dass durch die Gesetzesänderung die Zahl der muslimischen Bestattungen in Baden-Württemberg steigen wird. Allerdings sei bei vielen Muslimen die emotionale Bindung an ihr Herkunftsland sehr stark. Deshalb werden weiterhin vor allem die Einwanderer der ersten Generation in ihrer Heimat die letzte Ruhe finden wollen, ist Kambir überzeugt.

Der Kirchheimer würde sich darü­ber freuen, wenn das Bestattungsrecht auch noch in einem weiteren Punkt geändert werden könnte: Der Verstorbene solle auf Händen zum Grab getragen werden. Laut Gesetz hat der Transport des Verstorbenen auch weiterhin in einem Sarg zu erfolgen.

Im Idealfall vollziehen laut Kambir die Angehörigen die Bestattung – also die Leichenwaschung und das „Einbetten des Verstorbenen mit den Händen ins Grab“. Der Vorsitzende der Ditib-Moschee weiß allerdings, dass sich dies nicht jeder zutraut. „Deshalb sollten auch Bestatter zur Verfügung stehen.“

Wie die Bestattung in der Praxis umgesetzt wird, weiß auch Kambir noch nicht. Sein Vorschlag: Vielleicht könne man die Gräber bei muslimischen Bestattungen nicht ganz so tief ausheben. In punkto Hygiene betont er, dass nur bei einer verschwindend geringen Anzahl der Fälle Infektionsgefahr bestehe. Liegt ein solcher Fall vor, gelte es, eine Sonderregelung zu finden.

Im Übrigen forciere der Ditib-Landesverband derzeit die Registrierung von Moslems. Aber auch ohne ein solches Register könnten die Angehörigen bezeugen, dass der Verstorbene Moslem war; außerdem würde ein islamischer Name darauf hindeuten. Gebe es keine Verwandtschaft, könnten sich die Kommunen immer noch bei den Konsulaten erkundigen.

Muslimisches Gräberfeld auf dem Kirchheimer Waldfriedhof

Die Stadt Kirchheim verfügt auf dem Waldfriedhof über ein muslimisches Gräberfeld. Dort sind 18 Gräber nach Mekka ausgerichtet. Wie Elisabeth Mössner vom Amt für Grünflächen und Tiefbau berichtet, haben in der Teckstadt seit 1994 nur fünf muslimische Bestattungen stattgefunden. „Die Nachfrage ist also gering“, sagt sie. Elisabeth Mössner glaubt nicht, dass sich daran etwas ändern wird – auch nicht durch die Reform des Bestattungsrechts. Denn zum einen möchten die meisten Muslime in ihren Heimatländern beerdigt werden, erklärt sie. Und zum anderen hänge dies mit den Ruhezeiten zusammen: Während auf muslimischen Friedhöfen das ewige Ruherecht gilt, erlischt in Baden-Württemberg das Nutzungsrecht nach 20 Jahren. In einigen Städten kann es gegen Bezahlung verlängert werden. „Diese Möglichkeit gibt es in Kirchheim laut Satzung aber nicht“, informiert Elisabeth Mössner weiter. Wie die Änderung des Bestattungsrechts in der Praxis aussehen soll, ist auch für Elisabeth Mössner noch völlig offen. Dass die Gräber nicht ganz so tief ausgehoben werden, kann sie sich nicht vorstellen. „Bislang sind bei einem Einzelgrab 1,65 Meter Vorschrift, bei einem Familiengrab sind es 2,30 Meter.“ Auch Bestattungen an Sonntagen sind für sie undenkbar. „Das lässt unsere Satzung nicht zu.“ Insgesamt sieht sie vor allem auf kleine Kommunen Probleme zukommen. „Denn für diese wird es schwierig, muslimische Gräberfelder auszuweisen.“alm