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„Kinderwunsch nicht für die Karriere verschieben“

Dr. Silvia Oberhauser, Gynäkologin und Gemeinderätin, zum Thema „Social Freezing“

Ist das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen ein guter Weg, um Frauen bessere Karrierechancen zu ermöglichen? Der Teckbote hat mit Dr. Silvia Oberhauser, Gynäkologin und Gemeinderätin der Kirchheimer Frauenliste, darüber gesprochen.

„Kinderwunsch nicht für die Karriere verschieben“
„Kinderwunsch nicht für die Karriere verschieben“

„Social Freezing“ ermöglicht Frauen, ihren Kinderwunsch zu verschieben und sich ebenso auf ihre Karriere zu konzentrieren wie männliche Kollegen. Sie, die Sie sich für Frauenrechte einsetzen, müssten das doch toll finden, oder?

DR. SILVIA OBERHAUSER: Ich glaube nicht, dass „Social Freezing“ Frauen mehr Freiheit verschafft. Grundsätzlich glaube ich natürlich an das Selbstbestimmungsrecht jeder Frau, daran, dass sie ihren Lebensplan verwirklichen kann. Allerdings sollte sie wirklich frei in ihrer Entscheidung sein und sich nicht von ihrem Arbeitgeber oder der Wirtschaft generell unter Druck setzen lassen. Mein Traum als Gynäkologin und frauenbewegte Frau ist, dass die Gesellschaft Rahmenbedingungen schafft, unter denen jede Frau ihren Kinderwunsch erfüllen kann, wenn es emotional für sie passt. Und das, ohne ihre Karriere zu gefährden.

Haben Sie manchmal Patientinnen mit solchen Wünschen?

OBERHAUSER: Ich habe eine Patientin, die vorhat, Eizellen einfrieren zu lassen. Diese Frau ist Ende 30 und hat noch nicht den richtigen Lebenspartner gefunden. In diesem Fall kann ich die Entscheidung nachvollziehen.

Was sagen Sie Patientinnen, die ihren Kinderwunsch zurückstellen, um ihre Karriere nicht zu gefährden?

OBERHAUSER: Frauen sollten nicht ihren Kinderwunsch zurückstellen, sondern einen Arbeitgeber suchen, der ihn respektiert. Die Wirtschaft muss sich nach den Frauen richten, nicht andersherum. Wir haben einen Fachkräftemangel. Frauen werden es sich in Zukunft leisten können, Anforderungen zu stellen. Darauf wird sich die Wirtschaft einstellen müssen. Dann brauchen wir auch kein „Social Freezing“.

Was muss geschehen, damit Frauen ihren Kinderwunsch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinausschieben müssen?

OBERHAUSER: Wir brauchen flexible Arbeitgeber, für die es selbstverständlich ist, dass Frauen im gebärfähigen Alter auch mal ausfallen. Wir brauchen flexible Arbeitszeiten, damit die jungen Mütter schnell wieder einsteigen können. Und nicht zuletzt brauchen wir mehr Teilzeitmöglichkeiten für Männer. Die Rolle des Ernährers, der die ganze Woche über abwesend ist, darf es heute eigentlich nicht mehr geben. Das wird den Männern auch nicht gerecht.