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Kommentar: Farbe bekennen

Wunderbar, dass es in Kirchheim einen fruchtbaren christlich-islamischen Dialog gibt! Der deutsch-türkische Frauentreff, das Fastenessen auf dem Marktplatz, der christlich-islamische Gesprächskreis: All das schafft Raum für persönliche Begegnungen. Menschen können kulturelle und religiöse Barrieren überwinden und Ängste vor dem Fremden abbauen.

Das reicht aber nicht in einer Zeit, in der die Menschheit die Anschläge in Paris und anderswo verdauen muss. Immer mehr Deutsche können zwischen Islam und Islamismus nicht unterscheiden, fühlen sich von Muslimen bedroht und ignorieren die Tatsache, dass die große Mehrheit der Muslime friedliebend ist. Diese Menschen wird man mit christlich-muslimischem Dialog nicht erreichen.

Auch aufgeklärtere Zeitgenossen reagieren zunehmend unwirsch, wenn Muslime nach Anschlägen jegliche Verbindungen zwischen den Gräueltaten der Islamisten und dem Islam kategorisch abstreiten. Oder lieber nur über Gutes wie den christlich-muslimischen Dialog reden wollen. Es reicht nicht, gebetsmühlenartig „Islam ist Frieden“ zu predigen. Und auch die trotzige Aussage „Mit denen haben wir nichts zu tun“, greift zu kurz. Natürlich haben Muslime in Kirchheim nichts mit Mördern zu tun. Aber sie haben etwas gemeinsam: Sie beziehen sich auf den Islam.

Wer sich in die Muslime hineinversetzt, die Tür an Tür mit uns leben, kann sich denken, dass der morgendliche Blick in die Zeitung für sie ein Martyrium ist. Und er wird hoffentlich Mitgefühl haben mit jenen, deren Religion zurzeit fast täglich von Verbrechern in den Dreck gezogen wird. Es wäre aber dringend nötig, dass die Muslime selbst etwas dazu sagen. Sie müssen sich und ihre Religion nicht verteidigen. Aber sie sollten die Ängste ihrer Mitmenschen ernst nehmen und aufhören, jegliche Verbindung zu leugnen. Vielen Menschen täte es gut, sie würden aus dem Munde der Muslime hier vor Ort hören, dass zwischen ihrer Art, zu glauben, und dem, was Terroristen aus dem Islam machen, Welten liegen.ANTJE DÖRR