Kreis Esslingen. Für den Landkreis ist es ein Dilemma: Auf der einen Seite muss er dafür sorgen, dass Gebäude und Sporthallen saniert werden (siehe Infokasten). Auf der anderen Seite weiß er nicht, ob die Gebäude in ein paar Jahren überhaupt noch gebraucht werden. „Für mittel- oder gar langfristige Planungen und Prognosen fehlen aufgrund fehlender Vorgaben in der Schulpolitik die Grundlagen“, sagte Landrat Heinz Eininger in der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses.
Heinz Eininger befürchtet, dass das berufliche Schulwesen aufgrund der jüngsten schulpolitischen Entscheidungen gegenüber den allgemeinbildenden Schulen ins Hintertreffen gerät. „Die Einführung von Gemeinschaftsschulen bewirkt, dass die mittleren Bildungsabschlüsse der beruflichen Schulen und die Bildungsgänge BVJ/BEJ stark gefährdet sind“, sagte der Landrat. Zum kommenden Schuljahr gehen im Landkreis an den Standorten Deizisau, Esslingen und Wendlingen drei Gemeinschaftsschulen an den Start. Zusätzlich stünde die an den Gemeinschaftsschulen vorgesehene gymnasiale Oberstufe klar in Konkurrenz zu den Angeboten der beruflichen Gymnasien. Die teilweise Zulassung von G 9-Modellversuchen sieht Eininger ebenfalls als potenzielle Bedrohung.
Heinz Eininger fordert, dass die Landkreise an der regionalen Schulentwicklungsplanung beteiligt werden – zum einen, weil sie für die Schülerbeförderung zuständig sind und außerdem Träger der beruflichen Schulen und der Sonderschulen. „Wir sind bisher nicht im Fokus des Kultusministeriums“, sagte Eininger, gab sich in der Ausschusssitzung aber zuversichtlich, dass sich das unter dem neuen Minister Andreas Stoch ändern wird. „Ich glaube, dass der Kultusminister erkannt hat, dass die beruflichen Schulen ein wichtiges Standbein sind, auf das wir nicht verzichten können“, so Eininger.
In der Diskussion stellten sich alle Fraktionen hinter die Forderung des Landrats und beauftragten ihn, einen entsprechenden Brief an das Kultusministerium zu schreiben. „50 Prozent der Hochschulzugangsberechtigungen werden außerhalb des allgemeinbildenden Schulwesens erzielt. Deshalb kann eine regionale Schulentwicklungsplanung niemals ohne den Träger der beruflichen Schulen gemacht werden“, sagte Martin Klein (Freie Wähler). Alois Hafner (CDU), der Leiter der Wendlinger Realschule ist, hält eine Beteiligung des Landkreises nicht zuletzt deswegen für wichtig, „damit nicht jede Kommune mit der Gemeinschaftsschule ihr Standortsicherungsprogramm durchsetzt“. Marianne Erdrich-Sommer (Grüne), Leiterin der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule, glaubt, dass das Kultusministerium auch wegen des häufigen Wechsels an der Spitze auf Expertenrat angewiesen ist. „Es ist wichtig, dass wir uns einmischen und der Regierung die richtigen Hinweise geben“, sagte sie.
Die Sorge, dass die beruflichen Schulen durch die Gemeinschaftsschule oder G 9 zu starke Konkurrenz erfahren könnten, wiesen viele Kreisräte zurück. „Qualität setzt sich durch. Wir haben immer heterogene Schüler aufgenommen und zu qualifizierten Abschlüssen geführt“, sagte Marianne Erdrich-Sommer. „Schüler entscheiden sich bewusst für berufliche Schulen, weil sie schon früh wissen, in welche Richtung sie gehen wollen“, glaubt Michael Neumann (SPD). Auch Walter Bauer (SPD) und Alois Hafner (CDU) sehen die beruflichen Gymnasien nicht in Gefahr.
Hafner und Neumann forderten, den Masterplan des Landkreises in diesem Bereich unabhängig von den schulpolitischen Entscheidungen der Landesregierung umzusetzen. „Wir haben drei Gemeinschaftsschulen im Landkreis, in ein paar Jahren sind es vielleicht fünf oder sechs“, sagte Michael Neumann. Er könne nicht glauben, dass diese wenigen Schulen derart gravierende Auswirkungen auf das berufliche Schulwesen im Landkreis hätten. Dem widersprach der Landrat. „Ich möchte Investitionen nur auf Basis einer einigermaßen soliden Einschätzung tätigen“, sagte er.