Lokales

Lenningen bietet Kreis Fläche an

In der Au könnte eine Sammelunterkunft für bis zu 80 Flüchtlinge entstehen

Leicht ist dem Lenninger ­Gemeinderat die Entscheidung nicht gefallen. Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen fiel das Ergebnis dennoch eindeutig aus: Dem Landkreis soll an der Gutenberger Straße auf dem Areal der Obdach­losenunterkünfte eine Fläche für Systembauten für Asyl­bewerber angeboten werden.

An der Gutenberger Straße außerhalb der Wohnbebauung erstellt die Gemeinde Lenningen derzeit eine neue Unterkunft für Obdachlose
An der Gutenberger Straße außerhalb der Wohnbebauung erstellt die Gemeinde Lenningen derzeit eine neue Unterkunft für Obdachlose. Dem Landkreis sollen nun Teile des Geländes zur Pacht angeboten werden, um Asylsuchende in Wohncontainern unterzubringen.Foto: Jean-Luc Jacques

Lenningen. „Ich bin jede Fläche durchgegangen, aber mir fehlen die Alternativen“, so verteidigte Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht den Vorschlag, die Asylbewerber auf dem außerhalb der Oberlenninger Wohnbebauung befindlichen Areal anzusiedeln. Schon in den 90er-Jahren waren auf dem Gelände in der Au Flüchtlinge untergebracht. Zurzeit baut die Gemeinde dort zwei neue Obdachlosenunterkünfte, eine davon ist Mitte des Jahres bezugsfertig.

In zwei privaten Gebäuden gibt es in der Gemeinde momentan Plätze für 35 Flüchtlinge. Gemäß einem Schlüssel des Landkreises müsste Lenningen bis zum Jahresende insgesamt Platz für 61 Asylbewerber bieten. Hinzukommt, dass die Kommune per Gesetz verpflichtet ist, dieses Jahr weitere zwei und im kommenden Jahr 16 Personen in der sogenannten Anschlussunterbringung aufzunehmen.

Die bisherige Zurückhaltung der Gemeinde gegenüber dem Landkreis begründete Schlecht unter anderem damit, „dass es Städte und Gemeinden gibt, die bei der Unterbringung noch eine Null stehen haben“. Verhindert werden müsse jedoch, dass der Kreis entgegen dem Willen der Gemeinde beispielsweise Parkplätze von Hallen beschlagnahmt oder Mietverträge eingeht.

Vorstellen könnte sich Schlecht, dass auf dem Gelände in der Au zusätzlich zu den 30 Plätzen für Obdachlose rund 80 Plätze in Wohncontainern für Asylbewerber entstehen. Ziel sei, den Mietvertrag für die bisherige Flüchtlingsunterbringung aufzulösen. „Bei einer derart großen Sammelunterkunft erwarte ich, dass es eine Betreuung gibt“, sagte der Bürgermeister. Zudem müssten Ehrenamtliche gewonnen werden.

Ratsmitglied Georg Zwingmann tat sich mit dem Vorschlag der Verwaltung schwer: „Ich habe das Areal nie gutgeheißen – für jegliche Form des Wohnens.“ Sein Ansatz war, die Bevölkerung weiterhin darum zu bitten, Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Sein Ratskollege Jürgen Rau befürchtete unter anderem ein Spannungspotenzial zwischen Flüchtlingen und Obdachlosen und monierte, dass auf dem Gelände mit 80 Plätzen keine freie Fläche mehr bliebe. Falk Kazmaier tat sich ebenfalls mit der Anzahl schwer. „Das wird ja ein eigener Ortsteil da draußen.“

Karl Boßler gab zu bedenken, der Landkreis lasse sicher nur noch kurze Zeit mit sich verhandeln. Momentan gebe es keinen besseren Platz. Gemeinderätin Christine Sayler-Keim, die sich auch ehrenamtlich für Flüchtlinge in Lenningen engagiert, plädierte für den Verwaltungsvorschlag, gab jedoch zu bedenken, dass der Standort für die Anschlussunterbringung nicht taugt.

Jürgen Rau, Georg Zwingmann und Volker Hofmann stimmten gegen den Vorschlag der Verwaltung. Falk Kazmaier und Achim Wörner enthielten sich der Stimme. Darüber hinaus einigte sich der Gemeinderat darauf, weiterhin Ausschau nach Alternativen zu halten.

Flucht nach vorn

Das Bauchgrimmen von Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht und den Gemeinderäten ist verständlich: 80 Flüchtlinge, vielfach traumatisiert und voraussichtlich aus ganz unterschiedlichen Kulturen, auf engstem Raum. Dazu die direkte Nachbarschaft von Menschen, die meist keine Arbeit und für sich keine Perspektive haben. Das Gelände an der Gutenberger Straße birgt Sprengstoff. Dessen sind sich auch die Entscheidungsträger bewusst. Dennoch haben sie nach zähem Ringen beschlossen, die Flucht nach vorne anzutreten und dem Kreis die Fläche für die Unterbringung von Flüchtlingen anzubieten.

Durch den Landkreis beschlagnahmte Räume kann keiner wollen. Doch weil der Kreisverwaltung bei der Suche nach Flüchtlingsunterkünften „der Kittel brennt“, wie Landrat Heinz Eininger bei jeder Gelegenheit betont, müssen die Kommunen sich aus der Deckung wagen. Eine Alternative zu dem umstrittenen Standort in der Au konnte im Lenninger Ratsgremium keiner aus dem Hut zaubern. Aufrufe, privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sind bisher ohne Echo verhallt.

Was aufhorchen lässt, ist die im Raum stehende Zahl an Flüchtlingen im hohen zweistelligen Bereich. Sollte die Sammelunterkunft tatsächlich kommen, ist zu hoffen, dass sich eine hauptamtliche Kraft um sie kümmert und sich viele Bürger ehrenamtlich einbringen, denn die Betreuung ist das A und O für ein gedeihliches Miteinander, von Integration ganz zu schweigen. Doch die ist – zumal an diesem Standort – ohnehin ein hehres Ziel.ANKE KIRSAMMER