Lokales

Jede Menge politisches Interesse

Volles Haus bei öffentlicher Kandidatenvorstellung für Holzmadener Bürgermeisterwahl

Keine Frage: Die Wahl in Holzmaden wird spannend. Die Bürger nutzten die Chance, sich aus erster Hand zu informieren. Bei der Kandidatenvorstellung am Freitagabend war die Halle brechend voll, König Fußball hatte im Fernsehen keine Chance.

Ein fairer Wahlkampf mit kollegialem Umgangston unter den Kandidaten Jörn Schlicher, Florica-Valentina Strauß, Susanne Jakob, Ha
Ein fairer Wahlkampf mit kollegialem Umgangston unter den Kandidaten Jörn Schlicher, Florica-Valentina Strauß, Susanne Jakob, Hans-Jörg Nordmeyer und Markus Ocker (von links) kennzeichnet die Stimmung in Holzmaden.Foto: Calagan

Holzmaden. Hausherr Jürgen Riehle hieß die Zuhörer willkommen. Das zahlreiche Erscheinen sei eine Demonstration kommunalpolitischen Interesses, betonte der Bürgermeister. Sein persönlicher Verzicht auf eine weitere Amtszeit, so der Amtsinhaber vielsagend, mache den Weg frei für eine „Neuwahl, bei welcher Heckenschützen und Strippenzieher kein Spielfeld finden.“

Tatsächlich stehen alle Zeichen auf fairen Wahlkampf. Bei der Vorstellungsrunde erwiesen sich die Holzmadener als ausgesprochen faires Publikum. Während der zweistündigen Veranstaltung brachten sie jedem Redner gleichermaßen Respekt entgegen, meist war es so leise in der Halle, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Die Vorstellung erfolgte in der Reihenfolge der Bewerbung. Als erste trat Susanne Jakob vors Publikum. Sie hatte ihre Bewerbung schon drei Tage nach Erscheinen der Anzeige im Staatsanzeiger morgens um 7.30 Uhr am Rathaus abgeliefert. „Ich habe mich in unsere schöne Nachbarin verliebt“, bekannte die Ortsvorsteherin von Nabern und rechtfertigte ihre Liebe zur Gemeinde Holzmaden auch mit Sachargumenten: Hier gebe es Fossilienfunde von Weltruf, die wirtschaftliche Ausgangsbedingungen seine dank Schuldenfreiheit hervorragend, vor allem aber lebten hier Menschen, die sich ehrenamtlich füreinander engagierten. „Ich kann mir keine schönere Aufgabe vorstellen, als die Geschicke dieser Gemeinde zu lenken“, beteuerte Susanne Jakob. Aufgrund ihres FH-Studiums in Ludwigsburg und einem weiteren berufsbegleitenden Studium als Wirtschaftsförderin sei sie „in idealer Weise“ auf das Amt vorbereitet. Ein Drittel ihrer Arbeitszeit als Ortsvorsteherin entfällt auf die Kirchheimer Kämmerei, wodurch hervorragende Kenntnisse im kommunalen Haushaltsrecht garantiert seien, zusätzlich zu einer Reihe von Qualifikationen, wie beispielsweise dem Leiten von schwierigen Verhandlungen und Sitzungen. Im Holzmadener Rathaus gebe es zweifellos einen hervorragenden Mitarbeiterstamm, dennoch sei Praxiswissen gefragt: „Der Schultes muss mit der Hand am Arm schaffen.“ Die Mitgliedschaft in der CDU versteht Jakob als Bekenntnis zum christlichen Menschenbild, Parteizugehörigkeit spiele im Amt der Bürgermeisterin jedoch keine Rolle: „Auf kommunaler Ebene geht es ausschließlich um Sachfragen.“ Spaßhaft fragte sie in die Runde, ob jemand schon mal ein rotes, schwarzes, gelbes oder grünes Schlagloch gesehen habe. Im Falle ihrer Wahl versprach die 28-Jährige, für die Vereine stets eine offene Rathaustür zu haben. Zwischen Wirtschaft und Umwelt wolle sie für einen maßvollen Interessenausgleich sorgen, wobei Holzmaden auch unter ihrer Ägide schuldenfrei bleiben solle.

Da keine Fragen anstanden und Susanne Jakob knapp unter der ihr zur Verfügung stehenden Zeit geblieben war, betrat nach 20 Minuten schon Jörn Schlicher die Bühne. Er stellte sich als „gelernter Verwaltungsmann mit 20 Jahren Berufserfahrung in leitender Position“ vor. Seine Motivation, sich in Holzmaden als Bürgermeister zu bewerben, sei zweifach begründet: Zum einen wolle er seine Lebenserfahrung hier konstruktiv einbringen. Zum anderen ziehe ihn die Liebe ins Ländle. Offensiv ging der Rheinland-Pfälzer das Thema seiner dreifachen Kandidatur in Baden-Württembergischen Gemeinden an. Holzmaden bezeichnete er dabei eindeutig als erste Wahl, in die anderen Gemeinden habe er noch keinen Fuß gesetzt. Dennoch gelte: „Sollten Sie sich gegen mich entscheiden, muss es weitergehen.“ Alternativen einzuplanen bezeichnete er als wichtige Voraussetzung für die Qualifikation als Bürgermeister. Im Wahlfall werde er mit seiner Lebensgefährtin nach Holzmaden ziehen. Der Diplom-Verwaltungswirt ging bei der Darstellung seiner berufliche Vita unter anderem auf seine Tätigkeiten in Justizvollzugsanstalten ein, unter anderem als Abteilungsleiter. Dort habe er Diplomatie in der Entscheidungsfindung geprobt, aber auch Durchsetzungsvermögen bei der Umsetzung von Entscheidungen bewiesen. Über Kämmereitätigkeiten kam er zur Position des Verwaltungsleiters der Pfalzakademie, die er mit den Aufgaben in einem Hauptamt verglich. Seit Januar baut der 48-Jährige nach seinen Angaben das Immobilienmanagement des Pfalz-Klinikum in Klingenmünster auf. Jörn Schlicher versprach, allen ein aufmerksamer, bürgernaher Ansprechpartner sein zu wollen. Für die Wahl empfahl er sich explizit als „fachlich versierter“ Kandidat, der keine Bezüge zur Gemeinde habe und daher unabhängig und fair sei. Ferner sei er ein Mann, der sich auf der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt befinde und die Bereitschaft mitbringe, sich dafür engagiert und intensiv einzusetzen.

Auch der zweite Redner hatte seine Redezeit nicht ganz ausgeschöpft, auch er sah sich mit keiner Frage aus dem Publikum konfrontiert. So trat um 19.46 Uhr der dritte Kandidat ans Pult, Hans-Jörg Nordmeyer aus dem Ostalbkreis. Der selbstständige Dienstleister im Garten- und Landschaftsbau sowie Geschäftsführer einer GmbH brauchte für seine Vorstellung nur knappe zehn Minuten. Mit entwaffnender Ehrlichkeit gab er zu, dass er derzeit in fünf Gemeinden zur Wahl stehe, wobei es ihm nirgends ums Amt gehe, sondern allein um das Anbieten einer Alternative für Politikverdrossene. Nordmeyer gehört der „Nein-Idee“ an, die sich als Auffangbecken versteht für Wähler, die mit dem bestehenden Angebot nicht klarkommen. Der alleinerziehende Vater teilte dem Publikum mit, dass es eine Premiere miterlebte: In Holzmaden handelte es sich um seine erste Rede vor Publikum. Dass er konkret über die Gemeinde wenig sagen könne, gab der 51-Jährige ebenfalls unumwunden zu. Er beließ es bei einer generellen Warnung vor Outsourcing, wünschte allen „Glück und Gesundheit“ und wurde vom Publikum wie die anderen Redner auch mit freundlichem Applaus verabschiedet.

Als vierter Kandidat betrat Gemeinderatsmitglied Markus Ocker die Bühne. Der 50-jährige Oberstudienrat und Diplom-Theologe bekannte, noch vor sechs Wochen davon ausgegangen zu sein, die Kandidatenvorstellung aus dem Publikum zu verfolgen. Er verwies auf zahlreiche Stimmen, die ihm den Perspektivwechsel angeraten und ihn zur Kandidatur ermuntert hatten. Als Wirtschaftsvikar habe er schon direkt nach dem Studium Einsichten in Unternehmensstrukturen erhalten und dann im Gemeindevikariat das Freud und Leid der Menschen von der Wiege bis zum Tod kennengelernt. Nach einer Tätigkeit als Jugendreferent wechselte der in Weilheim aufgewachsene Ocker ins staatliche Schulsystem und unterrichtet am Schlossgymnasium Religion und Psychologie, wobei der Doktorand der Universität Greifswald auch als Verbindungslehrer tätig ist. „Ich bin ein Familienmensch“ bekannte er unter Verweis auf seine Frau und seine drei Kinder und freute sich, dass man in Holzmaden gut leben könne. „Miteinander sind wir Holzmaden“ lautet sein Motto, anknüpfend ans Gemeindemotto „Zusammenhalt und Freundschaft“. Ocker bekannte, nie „Schultes gelernt“ zu haben. Er vertraue auf das gute Team im Rathaus und bringe die Bereitschaft mit, sich intensiv einzuarbeiten. Ein Bürgermeister müsse in erster Linie eine Persönlichkeit sein, lautet sein Credo. Im Übrigen stehe das Amt in der Tradition eines Ehrenamtes, früher auch oft durch Handwerker wahrgenommen. Auch konfessionell sei er neutral, versicherte Ocker. So habe er nicht das Ziel, aus Holzmaden ein „christliches Modelldorf“ zu machen. Als der Redner nach 20 Minuten ermahnt wurde, zum Ende zu kommen, nutzten einige die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Kritisch wurde seine Ausbildung hinterfragt. Bravo-Rufe begleiteten seine Antwort, in der er auf Joachim Gauck verwies, der ebenfalls Pfarrer war, und sein Amt als Bundespräsident „ehrlich und verlässlich“ ausfülle. Auch die Holzmadener Skaterbahn wurde zum Thema. Ocker hatte sich als Gemeinderat für das teilweise sehr umstrittene Projekt stark gemacht.

Letzte Kandidatin war Florica-Valentina Strauß, Rechtsberaterin mit Wohnort in Eislingen. Sie nahm sich das Jeremia-Zitat „Suchet der Stadt Bestes“ zum Motto und versprach, Holzmaden ihr Herz und ihr Ohr zu schenken, um gemeinsam mit den Bürgern das Beste für die Gemeinde zu suchen. Die 52-Jährige präsentierte sich als „engagierte Frau mit Lebenserfahrung“ und als politischer Mensch. Geboren und aufgewachsen in deutscher Kultur und mit deutscher Prägung in Rumänien, war sie die erste in der Familie, die Abitur machen und studieren durfte. Voll Überzeugung hielt sie ein flammendes Plädoyer einerseits für Bildung, andererseits für Deutschland. Diesem Land verdanke sie viel und wolle jetzt etwas davon zurückgeben. Auch ihre Kenntnisse aus zahlreichen Tätigkeiten, die sie schon vor ihrem Studium der Rechtswissenschaften ausgeübt hatte, könne sie zum Wohle der Holzmadener einsetzen. So war sie als Vermessungstechnikerin im Einsatz, aber auch bei einer Versicherung angestellt. Sie versprach, mit dem Geld der Gemeinde ebenso vorsichtig umzugehen wie seinerzeit mit dem Geld der Versicherung. Als Bürgermeisterin von Holzmaden werde sie auf Kooperation und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Menschen in der Kommune setzen sowie mit allen politischen Ebenen. Es gelte, Holzmaden als starke selbstständige Gemeinde zu erhalten. In puncto Wirtschaftsförderung regte die Kandidatin an, über eine Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes nachzudenken, um Gewerbe und Arbeitsplätze anzuziehen. Bei der Erhöhung des Tempos von Internetverbindungen setze sie auf interkommunale Zusammenarbeit. Weiter ist es der freiberuflichen Rechtsberaterin ein Anliegen, die Verkehrsbelastung durch Durchgangs- und Schwerlastverkehr in Holzmaden zu reduzieren. Da auch an Florica-Valentina Strauß keine Frage gestellt bekam, fand der offizielle Teil des Abends nach knapp zwei ausgesprochen informativen Stunden um 20.50 Uhr sein Ende.

Die Holzmadener blieben mit dem angenehmen Gefühl zurück, tatsächlich am Sonntag, 2. Februar, vor einer echten Wahl zu stehen. „Jetzt haben Sie etwa noch 200 Stunden Zeit zu überlegen, wem Sie Ihre Stimme geben“, gab Bürgermeister Riehle den Gästen in der Halle mit auf den Weg. Erste Überlegungen wurden gleich im Anschluss bei Bewirtung durch die Feuerwehr angestellt.