Lokales

Maschinenabtransport verhindert

Mitarbeiter der Großbettlinger Firma Norgren blockieren seit Samstag Zufahrt

Eigentlich befinden sich die Norgren-Mitarbeiter in Verhandlungen mit der Geschäftsleitung. Für den heutigen Dienstag ist ein neues Gespräch anberaumt. Am Samstag jedoch wollte die Geschäftsleitung bereits eine der Produktionsmaschinen der Firma nach Tschechien transportieren lassen.

Norgren-Mitarbeiter blockieren seit Samstag die Zufahrt zum Unternehmen, um den Abtransport einer Maschine zu verhindern. Foto:
Norgren-Mitarbeiter blockieren seit Samstag die Zufahrt zum Unternehmen, um den Abtransport einer Maschine zu verhindern. Foto: Sylvia Gierlichs

Großbettlingen. Etwa um 8 Uhr klingelte am Samstagvormittag bei Nevin Akar, der Betriebsratsvorsitzenden des Norgren-Werks in Großbettlingen, das Telefon. Eine Anwohnerin hatte beobachtet, dass auf dem Betriebsgelände der Firma in der Albstraße Betriebsamkeit herrschte. Akar informierte sofort einige der Kollegen und die Gewerkschaft IG Metall. Kurze Zeit später blockierten Mitarbeiter und Gewerkschaft mit ihren Fahrzeugen die drei Zufahrten zum Firmengelände.

Eine der Produktionsmaschinen sollte in das Werk nach Tschechien transportiert werden. Der Lkw war bereits in Großbettlingen, der Fahrer hatte sich jedoch auf einen Parkplatz zurückgezogen, als er erkannte, dass es ihm nicht möglich sein würde, aufs Werksgelände zu kommen. Gegen 10.30 Uhr waren etwa 40 Mitarbeiter, ehemalige Mitarbeiter und auch Pensionäre vor der Firma. Der Abtransport der Maschine, so fürchten sie, sei der Anfang vom Ende.

„Am Freitag, als klar war, dass ich ausgestempelt hatte und nach Hause gegangen war, erhielt ich eine E-Mail, in der ich von dem geplanten Maschinen-Abtransport informiert wurde. Begründet wurde dieser Schritt mit dem hohen Krankenstand und damit, dass wegen des bevorstehenden Arbeitskampfes Mitarbeiter nicht genügend produzieren könnten. Es handele sich nicht um irreversible Schritte, schrieb man mir“, empört sich die Betriebsratsvorsitzende Akar. Dass die E-Mail absichtlich erst zu dem Zeitpunkt geschickt wurde, da ist sich die engagierte Frau sicher. Sie vermutet, dass der seit Neuestem auf dem Firmengelände arbeitende Werkschutz die Geschäftsleitung informierte, sobald Akar aus dem Haus war. Beweisen kann sie es natürlich nicht.

Akar und ihre Kollegen kämpfen um ihre Arbeitsplätze. Einige sind schon über 40 Jahre in dem Betrieb, der damals noch Herion hieß und in Familienbesitz war. Der Zusammenhalt unter der Norgren-Belegschaft ist groß: Familienangehörige brachten belegte Brötchen und heißen Kaffee. Während die Mitarbeiter im Nieselregen unter Regenschirmen zusammenstanden, beobachtete der Werkschutz vom Windfang des Firmengebäudes aus die Vorgänge.

Großbettlingens Bürgermeister Martin Fritz, der sich seit Langem für die Norgren-Mitarbeiter und den Erhalt des Großbettlinger Werks einsetzt, war ebenfalls gekommen, um eine Verschiebung des Transports zu erreichen. Schon am Freitag hatte er mit Geschäftsführer Roland Otto über die für Dienstag anberaumten neuen Beratungen gesprochen. Mit einem solchen Schritt der Firmenleitung hatte der Schultes nicht gerechnet. Als Fritz gegen 11.30 Uhr das Firmengelände verließ, hatte er zwar die Zusicherung von Betriebsleiter Udo Eisenhart, bei der Firmenleitung nachzufragen, ob der Abtransport der Maschine verschoben werden könne. Um 15.30 Uhr indes erhielt er die enttäuschende Nachricht: Die Geschäftsführer ließen sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei Polizeibeamte vor Ort. Gerufen von Betriebsleiter Eisenhut, ließen sie sich den Standpunkt der Firmenleitung erläutern. Kurze Zeit später tauchten Ulrich Feil, stellvertretender Leiter des Nürtinger Polizeireviers, und Bürgermeister Fritz auf. Eine weitere Gesprächsrunde, diesmal gemeinsam mit der Betriebsratsvorsitzenden Nevin Akar und IG-Metall-Repräsentant Thomas Maier, brachte nichts Neues. Maier informierte die vor dem Werkstor stehenden Mitarbeiter, dass Betriebsleiter Eisenhut, wohl in Abstimmung mit der Firmenleitung, das Verhalten der Belegschaft als Rechtsbruch ansehe. Um den Transport doch noch am Samstag möglich zu machen, sei die Polizei gebeten worden, die Zufahrten zu räumen.

Bürgermeister Fritz, aber auch die drei anwesenden Polizisten zeigten sich nach dem Gespräch mit Eisenhut irritiert über die mangelnde Gesprächsbereitschaft seitens der Firmenleitung. „Die Geschäftsleitung will Strafanzeige erstatten für den Fall, dass die Zufahrten nach dreimaliger Aufforderung durch die Polizei nicht geräumt seien“, erklärte Ulrich Feil. Die Mitarbeiter kamen der Aufforderung nach, das IG-Metall-Fahrzeug jedoch blieb stehen. Thomas Maier ließ es auf eine Strafanzeige ankommen. Und da sein Fahrzeug auch nicht so einfach abgeschleppt werden konnte, da dies einen Gerichtsbeschluss erfordert, war die Hauptzufahrt also weiter blockiert. Und die einzige Zufahrt, die sonst noch groß genug für den Lkw war, liegt an einer engen Seitenstraße, die mit Fahrzeugen auf öffentlichem Straßenraum und nicht widerrechtlich, wie die Polizei bescheinigte, zugeparkt war. Auch hier gab es für den Lkw also kein Durchkommen. Und so blieb die Situation über Nacht, in der die Mitarbeiter durchgewacht hatten. Am Sonntag dann versuchte die Geschäftsleitung, diesmal mit zwei kleinen Lkws, mit denen auch das Sonntagsfahrverbot umgangen werden kann, die Maschine vom Hof zu bekommen. Die zwei Sprinter zogen jedoch im Laufe des Nachmittags wieder ab. Bürgermeister Fritz, der auch am Sonntag dreimal vorbeischaute, sprach den Norgren-Mitarbeitern seine Bewunderung für ihre Entschlossenheit aus.

Jürgen Groß von der Gewerkschaft meldete sich am Sonntagabend nochmals telefonisch, um mitzuteilen, dass der geplante Maschinenabtransport bisher nicht stattfand. Die Mitarbeiter harrten bereits die zweite Nacht vor dem Werkstor aus und blieben dort auch vergangene Nacht, wie Groß gestern Abend bestätigte. Während heute Morgen die IG Metall-Vertreter mit der Geschäftsleitung verhandeln, haben die Juristen das Sagen. Das Rechtsamt des Landratsamts als zuständiger Versammlungsbehörde überprüft, ob die Anordnung einer Räumung durch die Polizei rechtens ist. Die Juristen der Gewerkschaft verneinen dies und weisen auf den Arbeitskampf hin, im Rahmen dessen auch eine Blockade zulässig sei. Wie Jürgen Groß sagte, wird heute der 24-Stunden-Warnstreik weiterlaufen.nz/tb