Lokales

„Mit Ethik und Moral hat Waffenhandel nichts zu tun“

Der Autor Jürgen Grässlin stellte im katholischen Gemeindehaus St. Ulrich in Kirchheim sein „Schwarzbuch“ vor

„Waffenhandel – Wie Deutschland am Krieg verdient“, lautete der Titel einer Lesung und Diskussionsveranstaltung im katholischen Gemeindehaus St. Ulrich in Kirchheim. Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin nahm sich des umstrittenen Themas an.

Lesung und Diskussionsveranstaltung mit dem bekannten Rüstungskritiker in Deutschland Jürgen Grässlin
Lesung und Diskussionsveranstaltung mit dem bekannten Rüstungskritiker in Deutschland Jürgen Grässlin

Elisabeth Kanski

Kirchheim. Trotz VFB-Spiel und trüben Novemberwetters fanden sich einige Interessierte zur Lesung des bekanntesten deutschen Rüstungsgegners Jürgen Grässlin mit anschließender Diskussion ein. Unter dem Banner der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, der mittlerweile über 100 ver-schiedene Organisationen bundesweit angehören, hatten die Kirchheimer Ortsgruppen von Amnesty, Bündnis 90/Die Grünen, Pax Christi, der IG Metall sowie der Arbeitskreis Asyl, die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner Neckar-Fils und die GEW Esslingen-Nürtingen zusammen mit der Buchhandlung Schöllkopf zu der Veranstaltung eingeladen, bei der Jürgen Grässlin sein neues Buch „Schwarzbuch Waffenhandel“ vorstellte. Der Freiburger Lehrer wurde mit so kritischen Sachbüchern wie der Biografie des Daimler-Vorstandsvorsitzenden Schrempp und „Das Daimler-Desaster“ bekannt.

Zum Auftakt ging er auf die Zahlen des vor wenigen Tagen erschienenen Rüstungsexportberichts 2012 der Bundesregierung ein und nahm anschließend einen kurzen Abriss über die Geschichte des deutschen Waffenhandels seit den 1950er Jahren vor. Wie Grässlin berichtete, beliefert Deutschland fast jeden Kriegsschauplatz der Welt mit Waffen. Ereignisse wie der 11. September machten sich deutlich in der politischen Haltung zum Waffenexport bemerkbar. Aufgrund bereits geschlossener Verträge prognostizierte er einen dramatischen Anstieg von Waffenexporten. Als drittgrößter Rüstungslieferant verkaufe Deutschland legal auch an Bürgerkriegsländer und menschenrechtsverletzende Staaten Waffen. Am Export seien insbesondere Konzerne aus dem süddeutschen Raum beteiligt. Die Verflechtungen zwi-schen der Rüstungswirtschaft, den Banken und der Politik hatte das Publikum zwar sicherlich schon zuvor geahnt, die Fakten dazu waren dennoch überraschend. Gezielt kritisierte Grässlin die Bundesregierungen, die – unabhängig davon, welche Partei gerade an der Macht war – in den Medien Diktatoren und repressive Regimes verurteilten, sie jedoch gleichzeitig mit Waffen belieferten.

Im Zuge der Vorstellung einzelner Rüstungskonzerne wies er auch auf sein aktuelles Buch hin. Im Gegensatz zu vergangenen Publikationen, die sich auf die Opfer deutscher Waffen in aller Welt konzentrierten, hat Grässlin die Täterporträts gezeichnet; es ging ihm um die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft. Er berichtete auch von seinen privaten Erfahrungen: Geschichten über Begegnungen mit Kriegsopfern, über Reaktionen der Konzernchefs auf seine kritischen Fragen und über Versuche, ihn mundtot zu machen, unterstützten seine Botschaft des Abends: „Mit Ethik und Moral hat der Waffenhandel nichts zu tun“. Besonders Grässlins Einsatz gegen den illegalen Waffenhandel deutscher Firmen regte das Publikum zu spontanem Beifall an. Mit zahlreichen Fotos, Dokumenten, Konzernwebseiten und Statistiken untermauerte der Buchautor seinen Vortrag und machte die Quellen seiner Fakten transparent.

Im Anschluss an den eineinhalbstündigen Vortrag schloss sich eine Diskussion mit reger Beteiligung des offensichtlich gut informierten Publikums an. Die Moderation übernahm Karl-Heinz Wist von Pax Christi. Viele Fragen zu einzelnen Firmen, zur Rüstungskonversion, also der Umstellung von militärischer auf zivile Produktion, zur Rolle der UNO und der Ethikkommission und zu aktuellen Waffenlieferungen zeigten die Empörung der Zuhörer.

Auf Veranstaltungen der Kampagne „Aktion Aufschrei“ im Kirchheimer Raum wurde hingewiesen und es wurden Möglichkeiten vorgestellt, was der Einzelne gegen den Waffenhandel tun kann. Nach der Diskussion bestand Gelegenheit, Grässlins Buch zu erwerben. Außerdem nahm sich der Autor viel Zeit für persönliche Gespräche.