Kreis Esslingen. „Worte sind das eine, erleben ist das andere“, sagt Eberhard Haussmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands Esslingen. Darum möchte die Diakonie möglichst viele Menschen aus dem Kreis Esslingen dazu animieren, ab dem 3. März „Vier Wochen mit Hartz IV“ zu leben. „Das bedeutet, mit fünf Euro durch den Tag zu kommen“, so Haussmann. Das ist in etwa der Betrag, der einem alleinstehenden Erwachsenen für Essen und Getränke zusteht. Partner und Kinder bekommen weniger (siehe Info). „Wir erleben in den Beratungsstellen ständig, unter welchem Druck die Menschen leben“, sagt Renate Maier-Scheffler, Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen. „Das wollen wir mit der Mitmachaktion der anderen Bevölkerung zugänglich machen.“ Eingeladen sind auch diejenigen, die an der Gesetzgebung beteiligt sind: „Es würde uns auch sehr freuen, wenn mal ein paar politische Entscheidungsträger mitmachen würden“, betont Haussmann.
Die Folgen von Hartz IV beurteilt Frieder Clauss, Armutsexperte der Diakonie, als gravierend. „Die Armutsquote ist um ein Drittel gestiegen“, sagt er. Für besonders besorgniserregend hält er die Kinderarmut und die Altersarmut – Formen, die eigentlich als überwunden galten.
Ein Beschäftigungswunder kann Frieder Clauss nicht ausmachen. „Die vorhandene Arbeit wurde aufgespalten in viele kleine Jobs“, kritisiert er. Deshalb hätten prekäre Beschäftigungsformen wie Minijobs, Teilzeit- und Zeitarbeit extrem zugenommen. Auffällig sei auch, dass die Angst in der Bevölkerung zugenommen habe. „Die Schieflage von Fördern und Fordern stärkt nicht, sondern führt zu Resignation und psychischen Krankheiten.“ Der Kreisdiakonieverband versuche den Menschen zu helfen, indem er sie berate und ihnen zur Seite stehe. „Zu uns kommen die Leute, weil sie im Jobcenter unzureichend beraten wurden und den Hartz-IV-Bescheid nicht verstehen.“
Tatsächlich abbilden, was es bedeutet, von Hatz IV zu leben, kann auch der Selbstversuch der Kreisdiakonie nicht. Denn dabei geht es vor allem darum, sich von fünf Euro pro Tag zu ernähren. „Etwas ganz anderes ist es noch, wenn plötzlich der Kühlschrank kaputtgeht oder ein Kindergeburtstag ansteht“, sagt Projektleiterin Renate Maier-Scheffler. Dennoch: „Wir wollen, dass die Aktion sensibilisiert und Respekt für diejenigen schafft, die länger als vier Wochen mit so wenig Geld auskommen müssen.“
Handeln muss laut Eberhard Haussmann auch die Politik: Er fordert mehr öffentlich geförderte Beschäftigung, eine Reformierung von Hartz IV und mehr Teilhabe und Unterstützung für Arme.
Allein lässt der Kreisdiakonieverband übrigens auch die Teilnehmer des Selbstversuchs nicht: Es gibt zwei Infoabende in Esslingen und Nürtingen und begleitende Veranstaltungen (siehe Programm). Natürlich kann jeder auch für sich alleine mitmachen. „Es wäre aber schön, wenn wir davon erfahren würden“, sagt Eberhard Haussmann.