Lokales

Mutige Worte trotz Wahlen

Ein Kommentar von Andreas Volz.

Zwar muss nicht jeder die Meinung der Redner teilen, die im Kirchheimer Gemeinderat die Existenzberechtigung der Ortschaftsverwaltungen samt Ortsvorstehern und Ortschaftsräten anzweifelten. Gerade die Bewohner der Kirchheimer Teilorte sollen und dürfen weiter an ihren Errungenschaften der Selbstverwaltung festhalten. Aber darüber nachzudenken, ob diese Strukturen im Zeitalter des globalen Dorfs noch ihren Sinn haben, muss durchaus erlaubt sein. Das Nachdenken muss ja noch lange nicht – und vor allem nicht sofort – zur Abschaffung der Ortschaftsverwaltungen führen.

Zu einem Aufschrei wird es dennoch kommen, wenn Gemeinderatsmitglieder ganz unterschiedlicher Fraktionen in öffentlicher Sitzung feststellen, dass es sich bei gewissen Modellen auch um alte Zöpfe handeln könnte und dass sich diese alten Zöpfe vielleicht einmal abschneiden ließen. Da kommen in den Ortsteilen Ängste hoch: weil eine neue Dimension der Bevormundung durch die Stadtverwaltung befürchtet wird und weil es wichtig zu sein scheint, an jeder erhalten gebliebenen Form der Eigenständigkeit festzuhalten wie ein kleines, fiktives Gallier-Dorf im antiken Aremorica.

Umso mehr ist dem Mut derjenigen Stadträte Respekt zu zollen, die wenige Monate vor den nächsten Kommunalwahlen so deutliche Worte finden. Auch bei dem Versuch, Doppel- oder gar Mehrfachstrukturen abzuschaffen, geht es schließlich um Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Aber irgendjemandem vorhandene Pfründe, Privilegien und verbriefte Rechte streitig zu machen, ist eben schwierig. Und deshalb traut sich kaum einer, dermaßen heiße Eisen anzufassen. Im Zweifelsfall wird man ja vom Wähler abgestraft, oder muss das zumindest ernsthaft befürchten. Aus diesem Grund kommen Reformen auch nur noch schleppend voran.

Ein Hoch also auf Kommunalpolitiker, die Tabus wenigstens ansprechen – selbst wenn sie sich anschließend mit Bauchgrimmen doch für einen Neubau entscheiden mögen, den sie für unwirtschaftlich halten. Auch sonst würde man sich in der Politik mehr solcher Redner wünschen, die trotz  Wahlen mutige Worte finden.