Lokales

Neue Runde im Streit um 96 Cent

Außer um das erste Kindergartenjahr geht es um die Nebenkostenbeteiligung für Vereine

Zwei Dauerbrenner haben die Beratungen über die Haushaltsanträge im Finanz- und Verwaltungsausschuss des Kirchheimer Gemeinderats geprägt: das gebührenfreie erste Kindergartenjahr und die Nebenkostenbeteiligung für Vereine. Beides soll nun erhalten bleiben. So zumindest lauten die Beschlussempfehlungen an den Gemeinderat.

Die Nebenkostenbeteiligung für Vereine ist nach wie vor umstritten, gerade wenn Jugendliche davon betroffen sind. Der Kirchheime
Die Nebenkostenbeteiligung für Vereine ist nach wie vor umstritten, gerade wenn Jugendliche davon betroffen sind. Der Kirchheimer Finanz- und Verwaltungsausschuss hat sich nun mehrheitlich dafür ausgesprochen, an der Regelung festzuhalten.Foto: Jean-Luc Jacques

Andreas Volz

Kirchheim. Bevor die Diskussion um die einzelnen Anträge der Fraktionen und der Ortschaftsräte begann, stellte Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker in der Ausschusssitzung ernüchternde Zahlen vor: „Unser Haushaltsplanentwurf hatte anfangs einen Fehlbetrag von knapp 330 000 Euro ausgewiesen. Wenn all das durchgeht, was jetzt beantragt worden ist, dann steigt der Fehlbetrag auf insgesamt 943 000 Euro.“ Fairerweise fügte sie aber hinzu, dass von dieser möglichen Fehlbetragssteigerung rund 230 000 Euro auf Anträge der Verwaltung zurückzuführen sind.

Um Einnahmen in Höhe von 170 000 Euro geht es beim gebührenfreien ersten Kindergartenjahr. Weil die Stadt auf diese Summe verzichten würde, wenn sie auch weiterhin keine Gebühren für Kinder zwischen drei und vier Jahren erhebt, hatte die Verwaltung vorgeschlagen, die Gebührenfreiheit wieder abzuschaffen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sabine Bur am Orde-Käß plädierte dafür, die Regelung nicht sofort wieder rückgängig zu machen: „Dadurch besuchen jetzt noch mehr Kinder den Kindergarten, und deshalb sollten wir das auch beibehalten.“ Andreas Kenner (SPD) warnte davor, „jedes Jahr eine neue Generaldebatte zu führen“. Das gebührenfreie erste Kindergartenjahr gebe es ja noch gar nicht so lange: „Das sollten wir erst einmal fünf Jahre laufen lassen, und dann sehen wir weiter.“ Stefan Hägele (CDU) bezweifelte außerdem, dass es wirklich um mögliche Mehreinnahmen in Höhe von 170 000 Euro gehen würde: „Wenn dann wieder weniger Eltern ihre Kinder anmelden, gibt es auch weniger Einnahmen.“ Außerdem sei das gebührenfreie erste Kindergartenjahr ein ganz wichtiger „weicher“ Standortfaktor.

Sein Fraktionskollege Klaus Buck sieht das völlig anders. Für ihn ist es „nicht zielführend“, auf die Gebühren des ersten Kindergartenjahrs zu verzichten: „Bedürftige Familien werden ja trotzdem unterstützt.“ Sie zahlten also ohnehin geringere bis gar keine Gebühren.

Obwohl in Kirchheim inzwischen deutlich mehr Kinder zwischen drei und vier Jahren in den Kindergarten gehen als vor Einführung der Gebührenfreiheit, verteidigte Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker den Standpunkt der Verwaltung: „Wir investieren viel in Bildung und Betreuung, auch in die Kleinkindbetreuung. Und da müssen wir auch in Zukunft nach möglichen Mehreinnahmen schauen.“ Die „Niederlage“ in dieser Sache nehme sie hin. Aber es sei ihr wichtig, darauf hinzuweisen, „dass wir künftig um jeden Cent kämpfen werden in unserem Haushalt“. Ab 2020 dürfe der Haushaltsplan nämlich keinen Fehlbetrag mehr aufweisen.

Zur „Niederlage“ der Verwaltung in Sachen gebührenfreies erstes Kindergartenjahr kam es in der anschließenden Abstimmung tatsächlich: Für die Beibehaltung der aktuellen Regelung sprachen sich doppelt so viele Ausschussmitglieder aus wie für die Abschaffung, also für die Rückkehr zur alten Regelung. – Auch bei der Nebenkostenbeteiligung für Vereine gab es im Finanz- und Verwaltungsausschuss vergleichbare Mehrheitsverhältnisse, und auch bei diesem Thema soll die neue Regelung beibehalten werden.

Ralf Gerber (Freie Wähler) nannte als Beispiel den Handballsport: Obwohl jugendliche Sportler ei­gentlich nicht extra zur Kasse gebeten werden sollten, sei dies hier unumgänglich, weil es kaum aktive Handballer im Erwachsenenalter gebe. Passive Mitglieder an den Nebenkosten für Hallen zu beteiligen, die sie selbst gar nicht nutzen, sei ebenfalls schwierig. Unter diesen Umständen sei künftig kaum mehr ein Trainer bereit, mit Jugendmannschaften zu üben. Andreas Kenner (SPD) setzte ebenfalls auf die Stärkung des Ehrenamts und stellte fest: „Der Schaden, den wir mit der Nebenkostenbeteiligung anrichten, ist größer als der Nutzen durch die Einnahmen.“ Auch Katja Seybold (CIK) sprach von „Unmut in der Stadt, an der Basis der Vereine“. Für sie steht fest: „Das sind mir die Einnahmen von 43 000 Euro nicht wert.“

Ganz anders sieht das Klaus Buck (CDU), der nicht jeder Stimmungslage „aus populistischen Gründen“ nachgeben möchte: „Ich meine, das ist zumutbar, und die Vereine müssen dafür eben Modalitäten finden.“ Sabine Bur am Orde-Käß (Grüne) geht es nicht so sehr um die Einnahmen, sondern um das Bewusstsein der Hallennutzer: „Die Nutzer sollen ein Interesse daran haben, Energie zu sparen. Wir dürfen nicht sofort nachgeben, nur weil jemand schreit. Politische Beschlüsse sollten auch einmal Bestand haben.“ Genauso sieht das auch Dr. Silvia Oberhauser, die Fraktionsvorsitzende der Frauenliste: „Ich habe nicht vor, jedes halbe Jahr meine Meinung zu ändern.“ 96 Cent pro Stunde und Hallendrittel seien durchaus vertretbar. Vor allem aber betonte sie: „Das ist keine Hallennutzungsgebühr, sondern nur eine minimale Beteiligung an den Nebenkosten.“

Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker erinnerte daran, dass nicht nur die Sportvereine sich neuerdings an den Nebenkosten zu beteiligen haben, sondern auch die kulturtreibenden Vereine. Letztere zumindest seien sich darüber im Klaren, dass es sich bei den 96 Cent pro Stunde nur um einen Einstieg in das Thema handeln könne. Wenn es in einer einzelnen Sportabteilung kaum aktive Erwachsene gebe, „dann obliegt es dem Hauptverein, Lösungen zu finden. Solange ich dem Verein nicht mehr Beitrag zahlen muss, hat der Verein auch nicht gehandelt.“ Und einen Zusammenhang mit dem Ehrenamt sieht sie gleichfalls nicht: „Wir diskutieren seit 2009 darüber und haben es erst 2013 rückwirkend eingeführt. In anderen Kommunen gibt es das schon längst, ohne dass dort das Ehrenamt zusammengebrochen wäre.“