Lokales

„Nimmersatte Liebe“ zu Büchern

Kirchheimer Literaturbeirat lädt zum 20-jährigen Bestehen des Museums ins Max-Eyth-Haus

Renate Treuherz
Renate Treuherz

Kirchheim. Bei jeder Stadtführung in Kirchheim steht man vor dem imposanten Fachwerkbau des Max-Eyth-Hauses, das historischen Stellenwert hat: Es ist das älteste Gebäude der Innenstadt und wurde 1540

Marlies Fitzner

als Lateinschule errichtet. Der „Dichter-Ingenieur“ Max Eyth (1836 – 1906) wurde hier geboren, und heute ist in dem nach ihm benannten Fachwerkhaus, nachdem es lange Zeit auch als Stadtbücherei genutzt worden war, das Literaturmuseum untergebracht, dessen Jubiläum nun gefeiert wurde. In den 20 Jahren seines Bestehens haben Besucher aus über 31 Ländern die literarische Dauerausstellung besucht. Bereichert wird das Literaturmuseum durch die vielfältigen Lesungen, Führungen und Vorträge des Literaturbeirats der Stadt Kirchheim, der auch regionale zeitgenössische Literatur fördert.

Renate Treuherz, die Sprecherin des Literaturbeirats, hatte die Besucher zu Führungen eingeladen, um sie über die Kirchheimer Literaten und die Entstehung des Museums zu informieren. Sie begrüßte die Gruppe von Interessierten im Lateinschulraum des Erdgeschosses, der bis 1909 als solcher genutzt wurde. Im Obergeschoss, wo Ausgaben von Max Eyths Büchern, ein Modell des von ihm und John Fowler revolutionierten Dampfpflugs sowie Fotos und einige seiner Zeichnungen präsentiert sind, erfuhren die Besucher viel über das Leben des Ingenieurs und Schriftstellers.

Weitere kenntnisreiche biografische Details vermittelte Renate Treuherz zu Hermann Kurz (1813 – 1873), einem Reutlinger Schriftsteller, der mit seiner Familie 1862/1863 in Kirchheim wohnte, sowie zu Hans Bethge (1876 – 1946), einem Berliner Dichter, Essayisten und Übersetzer, der seine letzten Lebensjahre in Kirchheim verbrachte und in Göppingen starb.

Hermann Hesse (1877 – 1962), der sich zehn Tage lang in Kirchheim aufhielt, hat hier ebenfalls seine Spuren hinterlassen: Er traf sich mit seinen Tübinger Freunden 1899 im Gasthof Krone. Seine Erzählung „Lulu“(mit richtigem Namen Julie Hellmann, Wirtstochter, in die sich Hesse verliebte) spielt in Kirchheim und wurde später in sein Buch „Hermann Lauscher“ aufgenommen.

Die Führung von Renate Treuherz wurde durch die Lesung von Mareike Schmidts beeindruckend ergänzt: So erfuhren die Besucher nicht nur Biografisches, sondern wurden immer wieder durch literarische Auszüge – Prosatexte, Gedichte oder Briefe – auf die Werke der vier Schriftsteller hingewiesen. Ein Ohrenschmaus für die Zuhörer – und eine Rezitatorin, die ihr Handwerk versteht. Ein anschließender Umtrunk rundete die Veranstaltung ab.

Abends sprach Kirchheims Stadtarchivar Joachim Brüser das Grußwort zur Lesung „Eduard Mörike – Lyrik und Balladen“ im Kornhaus. Claus Thomas rezitierte, Inés Zimmermann begleitete musikalisch mit Flöten.

Auch Eduard Mörikes Leben (1804 – 1875) hat einen Bezug zu Kirchheim: Er durchlebte im Zuge seiner Theologenausbildung eine „Vikariatsknechtschaft“, zum Beispiel in Ochsenwang, Owen, Weilheim und Ötlingen. Ausgangspunkt der Lesung war die Verflechtung von Sprache und Musik. Gleichgültig ob Liebesgedichte, zum Beispiel „Nimmersatte Liebe“, oder Balladen, zum Beispiel „Der Feuerreiter“ – der Rezitator und die virtuos vortragende Flötenspielerin waren gut aufeinander abgestimmt. Offen bleibt die Frage, wie sich Mörike-Lyrik angehört hätte, wäre sie weniger getragen und jugendlich-euphorischer dargestellt gewesen.

Am 13. Dezember findet übrigens eine literarische Stadtführung durch Kirchheim statt, bei der die Teilnehmer zu einem spannenden Rundgang in die Welt der Literatur eingeladen sind. Ob Mörike, Hesse oder Max Eyth – sie werden durch Texte und Gedichte zum Leben erweckt und man kann auch die Orte ihres Wirkens kennenlernen. Der Literaturbeirat bietet außerdem in der Programmvorschau am 9. November einen Vortrag zu Hermann Hesse und vom 5. bis 13. Dezember seinen Literarischen Weihnachtsmarkt mit Lesungen an.

Schön, dass der pflegliche Umgang mit der Literatur in Kirchheim seinen Stellenwert hat, sodass Hermann Hesses Worte in Ehren gehalten werden können: „Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur bekam, sondern sich aus dem eigenen Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte.“